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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

24 Kt 7/19p


Bekannt gemacht am:

12.08.2020

Entscheidungsdatum:

14.06.2019


Über die Antragsgegnerin wird gemäß § 29 Z 1 lit a und d KartG 2005 wegen Zuwiderhandlungen gegen Art 101 AEUV und § 1 Abs 1 KartG in Form von kartellrechtswidrigen vertikalen Abstimmungsmaßnahmen über Wiederverkaufspreise in Bezug auf „Consumer Electronics-Produkten“ im Zeitraum von November 2014 bis März 2018 eine Geldbuße von EUR 665.000,-- verhängt.
 

B e g r ü n d u n g

Die Bundeswettbewerbsbehörde stellte den Antrag auf Verhängung einer Geldbuße von EUR 665.000,-- über die Antragsgegnerin wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot des Art 101 AEUV bzw. § 1 KartG. Die Antragsgegnerin sei eine Tochtergesellschaft der Bose Deutschland GmbH, deren Anteile von der niederländischen Bose Products B.V. gehalten würden. Die Muttergesellschaft der Bose-Gruppe sei die Bose Corporation in den USA. Bose entwickle, produziere und vertreibe hochwertige Produkte im Bereich der Unterhaltselektronik mit einem Fokus auf Audi-Produkte (vor allem Lautsprecher und Kopfhörer). Verfahrensgegenstand seien nur die Produkte für die Nutzung von privaten Endkunden („Unterhaltungselektronik“), nicht aber die von Bose ebenfalls verkauften „Beschallungsanlagen“ für professionelle Nutzer und die Produktlinie für die Verbauung in Kraftfahrzeugen.

Im Zuge des Vertriebs der Bose Consumer Electronics-Produkte (einschließlich Kopfhörern, Lautsprechern, Heimaudio-Systemen und Zubehör) hätten Mitarbeiter der Antragsgegnerin von November 2014 bis März 2018 neben den üblichen Verhandlungen über Einkaufspreise auch vertikale Abstimmungsmaßnahmen über Wiederverkaufspreise getroffen. Dabei hätten Mitarbeiter von Bose versucht, Wiederverkaufspreise von Händlern direkt oder indirekt vorzugeben und durchzusetzen. In diesem Zusammenhang sei ein Handelsunternehmen sowohl mündlich als auch schriftlich kontaktiert worden. Händler seien ersucht worden, die von Bose als unverbindlich bezeichneten Preisempfehlungen umzusetzen oder den Online-Endverkaufspreis zu erhöhen. Zumindest fallweise sei ein Händler solchen Aufforderungen auch nachgekommen. Zum Teil sei die Initiative für derartige Maßnahmen von Händlern ausgegangen, wenn andere Händler niedrigere Verkaufspreise angeboten hätten.

Am 2.11.2014 habe ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin einen Mitarbeiter eines Händlers einen Link mit der Frage übermittelt „Kannst du etwas dazu sagen?“. Dieser habe geantwortet, dass der Preis aufgrund der Preise von Mitbewerbern automatisch gesetzt worden sei. Er habe den Preis jetzt angehoben. Am 27.8.2015 sei zwischen Mitarbeitern der Antragsgegnerin über den Preis eines bestimmten Händlers in einem Preisvergleichs-Portal korrespondiert worden. Der angesprochene Mitarbeiter habe geantwortet „Er geht offline/oder auf UVP“. Am 29.9.2015 habe ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin einen Kollegen aufgefordert, sich dringend um einen bestimmten Händler in Wien zu kümmern, weil dieser mit soundlink mini bei geizhals.de an der Spitze sei. Am 27.11.2015 habe ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin einen Kollegen aufgefordert, etwas zu unternehmen, weil ein bestimmter Händler beim soundtouch 10 um 20 Euro niedriger stehe als die Nummer 2 bei geizhals/idealo. Der Kollege habe mitgeteilt, dass er dem nachgehen werde. Am 28.11.2016 habe ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin einem Abnehmer geschrieben, dass dessen Händler nicht bei idealo erscheinen sollte. Dieser habe geantwortet, es würden für idealo Händler ausgespielt, die im Ranking zwischen 5 und 11 liegen würden, weil sie nicht die Hauptanbieter unterlaufen und der Preistreiber sein wollten. Am 21.12.2016 habe ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin zwei Kollegen aufgefordert, den Preis eines bestimmten Händlers für den soundtouch 300 zu korrigieren bzw. zu ändern. Am 16.8.2017 hätten Mitarbeiter der AG darüber korrespondiert, dass ein bestimmter Händler ein großer Online-Spieler sei, aber den Umsatz nur durch sehr niedrige Preise generiere. Da er das deutsche Preisproblem in alle europäischen Länder exportiere, habe er für den Vertrieb von Kopfhörern keinen Mehrwert.

In einem Chat vom 20.9.2017 habe ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin einem Kollegen geschrieben, dass Preis und Produkt weder mit ihm abgesprochen noch geplant gewesen seien. Am 22.11.2017 habe ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin einen Kollegen auf den Preis eines bestimmten Händlers für QC35 Serie 2 aufmerksam gemacht und ersucht, dringend zu handeln, bevor dies eskaliere. Der Kollege habe geantwortet, dass er sich morgen früh als erstes darum kümmern werde.

In rechtlicher Hinsicht ging die Bundeswettbewerbsbehörde von der Anwendbarkeit des Art 101 AEUV aus, weil sich die wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen auch mit österreichweit tätigen und teilweise auch in andere Mitgliedstaaten exportierende Wiederverkäufer bezogen hätten.

Der Tatbestand des Art 101 Abs 1 AEUV sei erfüllt, ein Rechtfertigungsgrund sei nicht ersichtlich. Die vorliegenden Preisabstimmungsmaßnahmen seien allenfalls als Vereinbarungen, zumindest aber als abgestimmte Verhaltensweisen zur Abstimmung von Verkaufspreisen zu beurteilen. Solche Preisbindungs- und Preispflegemaßnahmen, seien als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen bzw. als „Kernbeschränkungen“ zu qualifizieren, weil sie darauf gerichtet seien, in die Preisfestsetzung der Wiederverkäufer einzugreifen, um den preislichen Intra-Brand-Wettbewerb zu beschränken bzw. zu beseitigen und dadurch bestimmte Preise zu sichern. Diese Maßnahmen seien zusätzlich dadurch abgesichert worden, dass die Antragsgegnerin fallweise gegebene vertragliche Möglichkeiten genutzt habe, um preisaggressive Wiederverkäufer aus dem Vertriebssystem zu entfernen.

Die Ausnahmekriterien des Art 101 Abs 3 AEUV seien schon deshalb nicht erfüllt, weil die Verbraucher an etwaigen Gewinnen aus den Preisbindungen nicht beteiligt würden. Außerdem trage das beschriebene Verhalten nicht zur Verbesserung der Erzeugung oder Verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts bei.

Zur Höhe der Geldbuße führte die Bundeswettbewerbsbehörde aus, dabei sei der weltweite Konzernumsatz der Antragsgegnerin von 3,42 Mrd (2018) und der von der Antragsgegnerin erzielte österreichweite Umsatz in von EUR 18,9 Mio im Geschäftsbereich Consumer Electronics berücksichtigt worden, außerdem die Schwere der Rechtsverletzung als Kernverstoß und die Dauer des Verstoßes von dreieinhalb Jahren. Weiters sei die Kooperation bei der Aufklärung des Sachverhalts sowie die Außerstreitstellung der wesentlichen Verfahrenselemente zur einvernehmlichen Verfahrensbeendigung berücksichtigt worden.

Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde an.

Die Antragsgegnerin stellte den von der Bundeswettbewerbsbehörde behaupteten Sachverhalt außer Streit und verwies auf ihr gegenüber der Bundeswettbewerbsbehörde abgegebenes Anerkenntnis.

Rechtliche Beurteilung:

Zunächst ist festzuhalten, dass aufgrund des außer Streit stehenden Sachverhalts, gegen dessen Richtigkeit schon deshalb keine Bedenken bestehen, weil er durch die von der Bundeswettbewerbsbehörde vorgelegten Urkunden untermauert ist, von weiteren Beweisaufnahmen abgesehen werden konnte (§ 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG).

Zutreffend geht die Bundeswettbewerbsbehörde von der Anwendbarkeit des Art 101 AEUV aus. Abgesehen davon, dass der betroffene Markt zumindest bundesweit abzugrenzen ist, was schon für sich eine zumindest potentielle Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels indiziert, ist im vorliegenden Fall auch der grenzüberschreitende Online-Handel betroffen.

Auch zur Qualifikation der außer Streit stehenden Verhaltensweisen, nämlich der Abstimmung von Wiederverkaufspreisen der von der Antragsgegnerin belieferten Händler, als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen bzw. als sogenannte „Kernverstöße“ gegen das Kartellverbot des Art 101 AEUV bzw. § 1 KartG kann auf die zutreffenden Ausführungen der Bundeswettbewerbsbehörde verwiesen werden. Die Auswirkungen der beanstandeten Verhaltensweisen sind daher nicht zu prüfen. Vereinbarungen bzw. Abstimmungen von Wiederverkaufspreisen sind von der Freistellung vertikaler Vereinbarungen nach der vGVO generell ausgenommen.

Ein Rechtfertigungsgrund oder Ausnahmetatbestand nach Art 101 Abs 3 AEUV bzw. § 2 KartG wurde nicht behauptet und ist nicht erkennbar. Der Bundeswettbewerbsbehörde ist zuzustimmen, dass Wettbewerbsbeschränkungen, die explizit auf die Hochhaltung der Endverbraucherpreise abzielen, nicht geeignet sind, die Verbraucher an etwaigen Effizienzgewinnen zu beteiligen.

Ob allenfalls eine höhere als die von der Bundeswettbewerbsbehörde beantragte Geldbuße in Frage käme, ist im Hinblick darauf, dass das Kartellgericht nach § 36 Abs 2 letzter Satz KartG keine höhere Geldbuße verhängen darf als beantragt, nicht zu prüfen.

Eine niedrigere Geldbuße als die von der Bundeswettbewerbsbehörde beantragte Summe kommt im Hinblick auf die Höhe des Jahresumsatzes des Konzerns der Antragsgegnerin und angesichts der Schwere und Dauer der Verstöße aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen nicht in Betracht. Die Kooperation der Antragsgegnerin bei der Aufklärung der Verstöße und die Reduktion des Aufwandes der Wettbewerbsbehörden durch die Außerstreitstellung des Sachverhalts ist in der beantragten Summe bereits angemessen berücksichtigt.


Ausdruck vom: 28.04.2024 05:26:50 MESZ