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Aktenzeichen:

Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) (020), 30 St 3/23m

Veröffentlicht durch:

OStA Wien (038), 7 OStA 295/23g

Bekannt gemacht am:

06.06.2025


Entscheidungsdatum:

04.11.2024

Einstellungsgrund

§ 190 StPO


 

Laut Informationen der Strafverfolgungsbehörden der Italienischen Republik standen nachstehende Beschuldigte im Verdacht, an nicht mehr feststellbaren Orten im Inland,

I./ Dr.in M*** K*** (in der Folge: Erstbeschuldigte) als Landespolizeidirektorin Kärntens,

A. somit als Beamtin, im Februar 2023 mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, nämlich die Italienische Republik an ihrem Recht auf Strafverfolgung, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht zu haben, indem sie Z*** S*** über die geplante Vollziehung der Europäischen Ermittlungsanordnung der Staatsanwaltschaft der Republik beim ordentlichen Gericht von Neapel Nord vorab informierte oder durch BezInsp H** N*** informieren ließ;

B. somit als Amtsträgerin, zu einem derzeit unbekannten Zeitpunkt für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts, nämlich die unter Punkt I.A. beschriebene strafbare Handlung, einen Vorteil für sich angenommen zu haben, indem sie von Z*** S*** Bargeld und/oder Wertgegenstände in unbekanntem, jedoch 3.000 Euro übersteigenden Wert übernahm;

II./ BezInsp H*** N*** (in der Folge: Zweitbeschuldigter) als Polizeibeamter, somit als Beamter im Februar 2023 mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, nämlich die Italienische Republik an ihrem Recht auf Strafverfolgung, seine Befugnis, im Namen des Bundes als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht zu haben, indem er Z*** S*** über die geplante Vollziehung der Europäischen Ermittlungsanordnung der Staatsanwaltschaft der Republik beim ordentlichen Gericht von Neapel Nord informierte oder auf andere Weise unterstützte;

III./ Z*** S*** (in der Folge: Drittbeschuldigte) zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt Dr.in M*** K***, somit einer Amtsträgerin, für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts, nämlich die unter Punkt I.A./ beschriebene strafbare Handlung, einen Vorteil gewährt zu haben, indem sie ihr Bargeld und/oder Wertgegenstände in derzeit noch unbekannten, jedoch 3.000 Euro übersteigenden Wert übergab.

Die Verdachtslage beruhte in erster Linie auf einem Schreiben der italienischen Guardia di Finanza vom 24. Mai 2023, in welchem der zuständige Beamte, der beim Vollzug von Europäischen Ermittlungsanordnungen der Staatsanwaltschaft der Republik beim ordentlichen Gericht von Neapel Nord durch das Landeskriminalamt Kärnten zeitweise anwesend war, aus seiner Sicht diverse Unregelmäßigkeiten bei den durchgeführten Amtshandlungen schilderte. Die Kritikpunkte bezogen sich insbesondere auf folgende Sachverhalte: die erste Europäische Ermittlungsanordnung sei am 9. Februar 2023 trotz entsprechenden Ersuchens in Abwesenheit der Beamten der Guardia di Finanza vollzogen worden; die Amtshandlung am 13. Februar 2023 sei auf 12:00 Uhr vorverlegt worden, obwohl der Zweitbeschuldigte gewusst habe, dass die Beamten erst gegen 13:00 Uhr in Österreich eintreffen werden; trotz Urgenzen der Guardia di Finanza habe der Zweitbeschuldigte am selben Tag das Tablet und das Mobiltelefon der Drittbeschuldigten anlässlich ihrer Vernehmung in der Polizeistation nicht sichergestellt; der Zweitbeschuldigte habe darauf gedrängt, die Drittbeschuldigte als Beschuldigte zu führen und habe dieser vor deren Vernehmungen Einsicht in die Ermittlungsanordnung und in den vorbereitenden Fragenkatalog gewährt.

Der Tatverdacht gegen die Erstbeschuldigte ergab sich in erster Linie aus einem im Zuge einer Überwachungsmaßnahme in Italien am 13. April 2023 verdeckt aufgezeichneten Gespräch zwischen der Drittbeschuldigten und dem in Italien abgesondert verfolgten R*** B***, in welchem die Drittbeschuldigte angab, dass ihr der Polizist (Anm: gemeint wohl der Zweitbeschuldigte) das erste Mal gedroht habe; später habe er bei ihr zu Hause jedoch nichts angeschaut. Sie habe anlässlich ihrer ersten Vernehmung eine falsche Wohnsitzadresse angegeben, zumal sie nicht an ihrem tatsächlichen Wohnort, sondern bei dem/der Polizeichef/in (Anm: „Capo di Polizia“ wird im Italienischen geschlechtsneutral verwendet) gemeldet gewesen sei, weil sie ihn/sie gekannt habe. Am Tag vor der freiwilligen Nachschau habe sie ihre Taschen und alle Uhren in den Kofferraum ihres Auto verladen, denn sie habe sie (laut Protokoll) „M***“ bringen wollen. Der Zweitbeschuldigte habe ihr vor der freiwilligen Nachschau gesagt, dass bald die sehr neugierigen Italiener (Anm: gemeint wohl die Guardia di Finanza) kommen würden, sie solle daher der Nachschau zustimmen. Im Zuge der Nachschau bei ihr zu Hause seien die Polizisten nur herumgegangen und hätten Fotos gemacht. Weiters hätten sie den Keller und die Garage sehen wollen, sie habe jedoch behauptet, keine Schlüssel dafür dabei zu haben. In die Schubläden und Kästen hätten die Polizisten nicht geschaut. Bevor erneut die Guardia di Finanza gekommen sei (Anm: gemeint wohl vor ihrer zweiten Beschuldigtenvernehmung am 3. April 2023) habe sie der Zweitbeschuldigte angerufen und ihr mitgeteilt, dass er eine gute Nachricht für sie habe, weil sie schuldig (Anm: gemeint wohl im Verfahren Beschuldigte) sei und daher die Aussage verweigern könne. Weiters habe er ihr während ihrer zweiten Vernehmung (Anm: gemeint wohl ihre insgesamt zweite (und gleichzeitig erste Beschuldigten-) Vernehmung am 14. Februar 2023) Tipps gegeben.

Zu Beginn des Ermittlungsverfahrens wurden aufgrund des Tatverdachts zunächst die elektronischen Geräte der Beschuldigten sichergestellt und anschließend ausgewertet.

Die Erstbeschuldigte gab in ihrer Vernehmung zusammengefasst an, zur Sache nichts sagen zu können, weil sie mit der Drittbeschuldigten nicht bekannt sei und ihr niemals Unterkunft gewährt habe. Den Zweitbeschuldigten habe sie in den letzten 15 Jahren zwei bis dreimal zufällig im Amtsgebäude gesehen, jedoch niemals mit ihm gesprochen.

Der Zweitbeschuldigte sagte im Wesentlichen aus, die Drittbeschuldigte nicht vorab über den Vollzug der Europäischen Ermittlungsanordnung informiert zu haben. Er habe selbst initiiert, dass diese als Beschuldigte geführt werde und Ermittlungen gegen diese wegen §§ 153c und 153d StGB eingeleitet. Mit der Erstbeschuldigten habe er in dieser Sache keinen Kontakt gehabt.

Die Drittbeschuldigte gab in mehreren Einvernahmen zusammengefasst an, die Erstbeschuldigte nicht zu kennen und auch bislang von dieser niemals gehört zu haben. In den aufgezeichneten Gesprächen in Neapel sei es sicher nicht um eine „M***“ oder einen „M***“ gegangen. Wenn sie in den Gesprächen einen Polizeichef erwähnt habe, habe sie damit T*** T*** gemeint. Sie habe aber nie behauptet, dass dieser ihr geholfen habe. Sie sei während der Errichtung ihres Hauses in dessen Wohnung polizeilich gemeldet gewesen, um ihrer Meldeverpflichtung nachzukommen. Nach der Hausdurchsuchung am 09. Februar 2023 habe sie T*** angerufen, weil sie gefürchtet habe, dass möglicherweise auch ihre Meldeadresse durchsucht werde und dieser daher eine „unangenehme Überraschung“ erleben würde. Den Zweitbeschuldigten habe sie anlässlich ihrer Vernehmung am 09. Februar 2023 kennengelernt und habe dieser dabei großen Druck auf sie ausgeübt. Die falsche Schreibweise ihrer Adresse sei möglicherweise aufgrund ihres Akzents zustande gekommen. Am 13. Februar 2023 habe sie einer freiwilligen Nachschau in ihrer Wohnung in P*** zugestimmt, welche vom Zweitbeschuldigten und einer weiteren Beamtin durchgeführt worden sei. Der Zweitbeschuldigte habe ihr niemals vorab etwas verraten, sondern sei vielmehr „etwas schärfer“ gewesen als notwendig.

Die Drittbeschuldigte war im Zeitraum zwischen 12. Dezember 2014 bis 14. Februar 2023 in der Wohnung des T*** gemeldet. In seiner Zeugeneinvernahme bestätigte T*** die Angaben der Drittbeschuldigten und gab an, dieser vor ca zehn Jahren die Gefälligkeit erwiesen zu haben, sich in seiner Wohnung polizeilich zu melden. Letztendlich habe die Drittbeschuldigte rund drei bis sechs Monate dort gewohnt. Im Zuge der Durchsuchung der Wohnung des T*** fanden sich keinerlei persönlichen Gegenstände der Drittbeschuldigten.

Der Ermittlungsakt des Landeskriminalamtes Kärnten zu AZ *** wurde ebenso beigeschafft wie der dienstliche E-Mailverkehr des Zweitbeschuldigten für den Zeitraum von Februar 2023 bis Oktober 2023. Daraus ergab sich, dass die Drittbeschuldigte am 9. Februar 2023 vom Zweitbeschuldigten unter Mitwirkung eines weiteren Polizeibeamten als Zeugin einvernommen wurde. Am selben Tag wurden zwei Melderegisterauskünfte hinsichtlich der Drittbeschuldigten eingeholt und diese letztendlich am 13. Februar 2023 im PAD vom Zweitbeschuldigten in der Rolle der Beschuldigten erfasst. Der als Zeuge einvernommene GrInsp C*** L*** gab an, dass der Zweitbeschuldigte die Drittbeschuldigte zunächst als Zeugin vernahm, diese jedoch nach einiger Zeit als Beschuldigte belehrt habe. Vor der Vernehmung sei er auf Anweisung des Zweitbeschuldigten zur Wohnung des T*** gefahren, weil die Drittbeschuldigte dort gemeldet war, es konnte jedoch vor Ort niemand angetroffen werden.

Der als Zeuge einvernommene BezInsp J*** W*** sagte aus, nicht wahrgenommen zu haben, dass der Zweitbeschuldigte Informationen an die Drittbeschuldigte weitergegeben hätte. Ersterer sei vielmehr äußerst vehement und zielorientiert eingeschritten. Er habe letztendlich vom Drittbeschuldigten den Auftrag erhalten, gemeinsam mit dem Zeugen L*** zur Wohnung des T*** zufahren um diesen zu einer Vernehmung zu laden. Es konnte jedoch vor Ort niemand angetroffen werden.

In einem Gedächtnisprotokoll über die am 13. Februar 2023 durchgeführten Amtshandlungen hielt der Zweitbeschuldigte fest, dass die Drittbeschuldigte zwar an der Wohnadresse des T*** gemeldet, jedoch tatsächlich nicht wohnhaft sei. Er habe diesbezüglich mit T*** Kontakt aufgenommen und diesen Umstand in Erfahrung gebracht. Die kurzfristig eingeschobene Durchsuchung der Wohnung der Drittbeschuldigten wurde aufgrund bereits geplanter Amtshandlungen und Personalmangels von 14:30 auf 12:00 Uhr vorverlegt. Um 13:00 Uhr habe der Zweitbeschuldigte festgestellt, dass in der Anordnung eine falsche Adresse angeführt gewesen sei (Anm: „R***“ statt richtig „R***“), weshalb er den Einsatz beendet habe. Der Schreibfehler beruhe auf dem Umstand, dass die Drittbeschuldigte ihre Adresse im Zuge ihrer Vernehmung am 9. Februar 2023 nur mündlich bekannt gegeben habe. In weiterer Folge konnte die Drittbeschuldigte in ihrem Geschäftslokal angetroffen werden und habe einer freiwilligen Nachschau in ihren Geschäftsräumlichkeiten, ihrem Fahrzeug und in ihrer Wohnung zugestimmt. Im Geschäft seien das Mobiltelefon sowie der Laptop der Drittbeschuldigten sichergestellt worden und habe man aufgrund einer ersten Sichtung dieser Geräte festgestellt, dass das Mobiltelefon erst vor wenigen Tagen in Betrieb genommen worden sei. Der Laptop habe lediglich Unterlagen betreffend das Bekleidungsgeschäft der Drittbeschuldigten erhalten. Daher seien mangels einer Durchsuchung und Sicherstellungsanordnung betreffend der Geschäftsräumlichkeiten die beiden Datenträger wenig später wieder an die Drittbeschuldigte ausgefolgt worden. Im Zuge der freiwilligen Nachschau in der Wohnung der Drittbeschuldigten seien keine tatrelevanten Gegenstände gefunden worden.

Die Zeugin BezInsp S*** M*** bestätigte in ihrer Einvernahme den Ablauf der Amtshandlungen wie im Gedächtnisprotokoll des Zweitbeschuldigten beschrieben. Weiters gab sie an, die Staatsanwaltschaft Klagenfurt habe ihr am 13. Februar 2023 telefonisch mitgeteilt, dass die Durchsuchungsanordnung betreffend die Drittbeschuldigte aufgrund der falschen Schreibweise die Adresse nicht vollzogen werden dürfe.

Der Zeuge Obst H*** R*** sagte aus, dass er die erste Europäische Ermittlungsanordnung Italiens am 09. Februar 2023 an den Zweitbeschuldigten zur Umsetzung übergeben habe, wobei darin um Vollzug bis längstens 10. Februar 2023 ersucht worden sei. Er habe weder die Erstbeschuldigte noch deren Stellvertreter darüber informiert.

Aus den beigeschafften Unterlagen der Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Eurojust) geht hervor, dass eine österreichische Mitarbeiterin von Eurojust am 9. Februar 2023 an ihre italienische Kollegin schrieb, der Zweitbeschuldigte halte die Drittbeschuldigte für die Hauptverantwortliche der S*** P*** GmbH und frage an, ob die italienischen Behörden zeitnah eine neue Europäische Ermittlungsanordnung mit dem Ersuchen um Durchführung einer Durchsuchung bei der Drittbeschuldigten und ihrer Vernehmung als Beschuldigte erlassen wollen. Der Zweitbeschuldigte habe Eurojust angeboten, Chatnachrichten an die italienischen Behörden zu übermitteln, damit diese möglichst bald eine dementsprechende Anordnung erlassen können. Darüber hinaus enthält die beigeschaffte Korrespondenz eine E-Mail vom 10. Februar 2023, in der der Zweitbeschuldigte einen österreichischen Mitarbeiter von Eurojust darüber informierte, dass die Drittbeschuldigte tatsächlich in P*** wohne und nur zum Schein in Klagenfurt gemeldet sei; die amtliche Abmeldung vom Unterkunftgeber T*** sei bereits veranlasst worden.

Die Auswertung der sichergestellten elektronischen Datenträger der Erstbeschuldigten ergab, dass in deren Diensthandy ein Kontakt mit dem Namen des Zweitbeschuldigten gespeichert ist. Die dazugehörige Rufnummer wird allerdings vom Zweitbeschuldigten nicht mehr verwendet. Auf ihrem Diensttablet ist ein Kontakt namens „T*** T***“ gespeichert und im Kalender für 11. Juli 2023 eine Besprechung mit diesem und anderen Polizeibeamten eingetragen. Hinweise auf konkrete Kontakte (E-Mails, Telefonate, SMS etc) zwischen der Erstbeschuldigten und dem Zweitbeschuldigten wurden keine gefunden. Darüber hinaus brachte die Auswertung keine Anhaltspunkte, dass sich die Erstbeschuldigte und die Drittbeschuldigte kennen oder jemals in Kontakt standen.

Auf dem Mobiltelefon des Zweitbeschuldigten befand sich unter anderem ein Chatverlauf zwischen diesem und T*** (gespeichert als „T***“) im Zeitraum von Jänner 2023 bis September 2023. Aus dem Umgangston lässt sich ein freundschaftliches Verhältnis zwischen den Genannten ableiten. Sachverhaltsrelevant erscheint dabei nur die am Abend des 9. Februar 2023 von T*** verfasste Nachricht mit dem Inhalt „Solltest irgendwas von mir brauchen, dann bitte ruf bitte einfach an!! Danke LG T***“. Darüber hinaus finden sich auf den sichergestellten Geräten des Zweitbeschuldigten Chatverläufe mit dem Zeugen W*** und mit einem Beamten der Guardia di Finanza, jeweils betreffend die Amtshandlungen in Zusammenhang mit den Europäischen Ermittlungsanordnungen.

Im Mobiltelefon der Drittbeschuldigten waren sowohl der Zeuge T***, als auch der Zweitbeschuldigte als Kontakte gespeichert. An sachverhaltsrelevanten Daten wurden insbesondere ein Chatverlauf zwischen der Drittbeschuldigten und den Zeugen T*** aus den Jahren 2017 bis 2019, zwei E-Mails aus den Jahren 2015 und 2019 mit Bezug zur Meldeadresse in Klagenfurt, ein sechsminütiges Telefonat am 25. Februar 2023 mit den Zeugen T*** sowie mehrere Nachrichten an diesen betreffend eine Schlüsselrückgabe aus März 2023 gefunden.

Schließlich wurden im Rechtshilfeweg von der Staatsanwaltschaft Neapel umfangreiche Unterlagen beigeschafft, darunter Vernehmungen und Amtsvermerke der involvierten Beamten der Guardia di Finanza zu deren Wahrnehmungen im Zusammenhang mit den Amtshandlungen der LPD Kärnten sowie Tonbandaufnahmen und Protokolle von aufgezeichneten Gesprächen zwischen der Drittbeschuldigten und den Mitgesellschaftern der S*** P*** GmbH.

Aus diesen Aufnahmen geht hervor, dass die von den italienischen Behörden gezogene Schlussfolgerung, bei der von der Drittbeschuldigten genannten „M***“ handle es sich um die Erstbeschuldigte, auf einer unsubstantiierten Vermutung beruht. So ergibt sich aus dem aufgenommenen Gesprächsinhalt in keinster Weise, dass „M***“ und der/die von der Drittbeschuldigten genannte „Capo di Polizia“ ein und dieselbe Person seien. Vielmehr legt der Umstand, dass die Drittbeschuldigte davon sprach, bei dem/der „Capo di Polizia“ gemeldet zu sein, nahe, dass sie damit den Zeugen T*** meinte, der Leiter einer Polizeieinheit ist und an dessen Adresse die Drittbeschuldigte mehrere Jahre lang gemeldet war. Insofern bestätigt das heimlich aufgenommene Gespräch die für die Erstbeschuldigte entlastende Aussage der Drittbeschuldigten. Dies gilt umso mehr, als die Drittbeschuldigte nunmehr mit Schriftsatz vom 20. September 2024 vorbrachte, sie habe in dem Gespräch nicht den Namen „M***“, sondern „M***“, bei dem es sich laut Wikipedia um einen litauischen weiblichen Vornahmen handelt, genannt. Ein Abgleich der Protokollpassagen, in denen von einer „M***“ die Rede ist mit den korrespondierenden Tonaufnahmen ergab, dass die Drittbeschuldigte an zwei der Stellen (ON 87.8 ab Minuten 00:19:20 und 01:34:46) deutlich hörbar nicht „M***“, sondern phonetisch „M***“ sagt. An der dritten Stelle (ON 87.8 ab Minuten 01:25:00) ist die Tonspur undeutlich. Da die Drittbeschuldigte in Litauen geboren wurde und litauische Staatsangehörige ist, erscheint es plausibel, dass sie tatsächlich von einer weiblichen Person namens „M***“ sprach.

Darüber hinaus ergab das Ermittlungsverfahren keine Anhaltspunkte, dass die Erstbeschuldigte und der Zweitbeschuldigte im fraglichen Zeitpunkt in Kontakt standen oder die Erstbeschuldigte von den Amtshandlungen in Zusammenhang mit den Europäischen Ermittlungsanordnungen auch nur Kenntnis hatte. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der anfängliche Tatverdacht gegen die Erstbeschuldigte entkräftet wurde.

Schließlich erbrachte das Ermittlungsverfahren auch keine Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten des Zweitbeschuldigten. Zwar sind Teile der von ihm zu verantwortenden Amtshandlungen durchaus kritikwürdig, eine Zusammenschau der Beweisergebnisse lässt jedoch keinen (wissentlichen) Befugnismissbrauch erkennen. Die freiwillige Nachschau am 9. Februar 2023 wurde nur rudimentär in einem „Gedächtnisprotokoll“, das in weiterer Folge nicht der Staatsanwaltschaft übermittelt wurde, festgehalten. Dieses Vorgehen deutet jedoch mehr auf Schlamperei, als auf wissentlichen Befugnismissbrauch hin, zumal der Zweitbeschuldigte noch am selben Tag einen Mitarbeiter von Eurojust über die freiwillige Nachschau informierte. Dass die erste Europäischen Ermittlungsanordnung entgegen des Ersuchens in Abwesenheit der Beamten der Guardia di Finanza vollzogen wurde, ist nachvollziehbar, da der Zweitbeschuldigte erst am 9. Februar 2024 von seinem Vorgesetzten mit deren Umsetzung betraut wurde und in der EEA um Vollziehung bis spätestens 10. Februar 2024 ersucht wird. Dass der Zweitbeschuldigte die Amtshandlung am 13. Februar 2023 auf 12:00 Uhr vorverlegte obwohl er wusste, die Guardia di Finanza werde erst gegen 13:00 Uhr in Österreich eintreffen, führte verständlicherweise zu massiven Irritationen bei den Beamten der Guardia di Finanza. Angesichts der Tatsache, dass die umzusetzende Europäische Ermittlungsanordnung erst zwei Tage zuvor ausgestellt wurde, erscheint die dafür im „Gedächtnisprotokoll“ - dessen inhaltliche Richtigkeit von der Zeugin M*** bestätigt wurde - angeführte Begründung, der Vollzug sei wegen bereits geplanter Amtshandlungen und Personalmangels vorverlegt worden, jedoch plausibel und nachvollziehbar. Auch die Weigerung des Zweitbeschuldigten trotz entsprechender Aufforderungen seitens der Guardia di Finanza am 13. Februar 2023 die Mobilgeräte der Drittbeschuldigten (erneut) sicherzustellen, ist insofern nachvollziehbar, als die darauf befindlichen Daten laut „Gedächtnisprotokoll“ zuvor gesichtet und für nicht beweisrelevant befunden wurden. Dies gilt umso mehr, als in den entsprechenden Europäische Ermittlungsanordnungen nur um Sicherstellung jener elektronischen Geräte ersucht wurde, die „vom Unternehmen (Anm: gemeint S*** P*** GmbH) genutzt werden“. Auch die Umstände der Gewährung von Akteneinsicht durch den Zweitbeschuldigten begründen keinen substantiierten Tatverdacht. Aus dem beigeschafften Tagebuch der Staatsanwaltschaft Klagenfurt zu Aktenzeichen *** ergibt sich, dass seitens der zuständigen Staatsanwältin die Einsicht der Drittbeschuldigten in den Fragenkatalog der italienischen Behörden zunächst „aus kriminaltaktischen Gründen“ von der Akteneinsicht ausgenommen wurde. Nachdem der Zweitbeschuldigte der Verteidigerin eines Mitbeschuldigten jedoch am 30. März 2023 aus eigenem vollständige Akteneinsicht gab, wurde von der Staatsanwaltschaft am darauffolgenden Tag auch dem Verteidiger der Drittbeschuldigten vollständige Akteneinsicht gewährt. Am 30. März 2023 wäre es gerechtfertigt gewesen, gemäß § 51 Abs 2 zweiter Satz StPO den Fragenkatalog von der Akteneinsicht auszunehmen. Insofern hätte der Zweitbeschuldigte die Akteneinsicht für alle Verfahrensparteien beschränken oder zumindest vorab die Staatsanwaltschaft mit dieser Frage befassen können/sollen. Dass er dies nicht tat und gemäß § 53 Abs 1 StPO vollständige Akteneinsicht gewährte, war aus kriminaltaktischer Sicht verfehlt, indiziert aber keinen (wissentlichen) Befugnismissbrauch. So ist die Frage der Beschränkung der Akteneinsicht gemäß § 51 Abs 2 zweiter Satz StPO eine Ermessensentscheidung (arg „darf“) und der Begriff „besondere Umstände“ in § 51 Abs 2 zweiter Satz StPO wegen des mit jeder Einschränkung der Akteneinsicht bewirkten Grundrechtseingriffes laut Judikatur restriktiv auszulegen. Der Verdacht, der Zweitbeschuldigte habe im Zuge der Amtshandlungen unberechtigter Weise Informationen an die Drittbeschuldigte weitergegeben oder diese bevorteilt, konnte ebenso wenig erhärtet werden. Vielmehr belegt der E-Mailverkehr vom Abend des 9. Februar 2023 zwischen zwei Mitarbeiterinnen von Eurojust, dass der Zweitbeschuldigte bereits zu diesem Zeitpunkt die Drittbeschuldigte als Hauptverantwortliche der S*** P*** GmbH erachtete, darauf drängte, innerhalb der nächsten Stunden eine Hausdurchsuchung bei ihr durchzuführen, um einer Beweismittelvernichtung zuvorzukommen und zu diesem Zweck anbot, sichergestellte Chatverläufe an die italienischen Behörden zu übermitteln, damit diese sofort eine entsprechende Europäische Ermittlungsanordnung ausstellen könne. Dieser E-Mailverkehr spricht somit klar gegen den Verdacht, der Zweitbeschuldigte habe die Drittbeschuldigte in irgendeiner Weise bevorteilt. Gegen eine Bevorteilung spricht auch der Umstand, dass der Zweitbeschuldigte die Drittbeschuldigte im Juli 2023 im PAD als Beschuldigte wegen des Delikts der Geldwäscherei erfasste. Insofern ist die Aussage von der Drittbeschuldigten in dem heimlich aufgenommenen Gespräch, wonach der Zweitbeschuldigte sie vor ihrer zweiten Vernehmung durch die Guardia di Finanza angerufen, ihren Beschuldigtenstatus als „gute Nachricht“ bezeichnet und ihr mitgeteilt habe, dass sie die Aussage verweigern könne, nicht geeignet, einen konkreten Tatverdacht zu begründen. Gegen diese Darstellung spricht außerdem, dass die Drittbeschuldigte bereits Wochen vor dieser Vernehmung, nämlich am 14. Februar 2023 als Beschuldigte vernommen wurde und somit schon länger über ihren Beschuldigtenstatus informiert gewesen sein musste. Auch die heimlich aufgezeichnete Aussage, der Zweitbeschuldigte habe ihr während ihrer zweiten Vernehmung Tipps gegeben, vermag den Verdacht einer Straftat nicht zu erhärten, zumal bei dieser Vernehmung (neben einem Beamten der Guardia di Finanza, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist) ein Verteidiger und ein Dolmetscher anwesend waren und aus dem Gesprächstranskript nicht genau hervorgeht, was die Drittbeschuldigte damit konkret meinte.

Gegen ein Fehlverhalten des Zweitbeschuldigten spricht darüber hinaus auch der Umstand, dass er die Involvierung von T*** in den Sachverhalt - trotz des offensichtlich freundschaftlichen Verhältnisses zu ihm - weder gegenüber seinen Kollegen/Vorgesetzten, noch gegenüber Eurojust verschwieg, sondern vielmehr offen kommunizierte. Auch die Auswertung des Chatverlaufs zwischen dem Zweitbeschuldigten und T*** brachte keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten. Zwar standen die Genannten Anfang Februar 2023 in Kontakt und konfrontierte der Zweitbeschuldigte T*** offensichtlich mit der Meldesituation der Drittbeschuldigten, dokumentierte diesen Umstand jedoch auch im „Gedächtnisprotokoll“. Insgesamt ist die Verantwortung des Zweitbeschuldigten daher nicht zu widerlegen, zumal die Drittbeschuldigte diesen in ihrer Beschuldigtenvernehmung entlastete.

Demgemäß wurde im Zuge des Ermittlungsverfahrens auch der Verdacht, die Drittbeschuldigte habe Erstbeschuldigte bestochen mangels jedweden Tatsachensubstrates entkräftet. Ebenso wenig fanden sich Anhaltspunkte, dass die Drittbeschuldigte den Zweitbeschuldigten oder andere Beamte bestochen oder dazu bestimmt haben könnte, die Amtshandlungen in Zusammenhang mit den Europäischen Ermittlungsanordnungen zu ihren Gunsten zu beeinflussen.

Das Ermittlungsverfahren gegen die Erst- und die Drittbeschuldigte war daher mangels Vorliegens einer strafbaren Handlung gemäß § 190 Z 1 StPO einzustellen. Das Ermittlungsverfahren gegen den Zweitbeschuldigten war mangels Tatnachweises gemäß § 190 Z 2 StPO einzustellen.

Ausdruck vom: 29.06.2025 06:22:12 MESZ