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Aktenzeichen:

StA Innsbruck (816), 7 St 71/20d

Veröffentlicht durch:

OStA Innsbruck (817), 2 OStA 106/20p

Bekannt gemacht am:

24.11.2021


Entscheidungsdatum:

24.11.2021

Einstellungsgrund

§ 190 Z 2 StPO


Einstellungsbegründung

nach § 35a StAG

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ausgangspunkt des Verfahrens

3. Rechtliche Rahmenbedingungen

                3.1. Epidemiegesetz 1950 (in der Fassung vor BGBl I Nr. 16/2020)

                3.2. Relevante Erlässe des BMSGPK

4. Entscheidungsrelevanter Sachverhalt und rechtliche Beurteilung

                4.1. Zum allgemeinen Ablauf und der Entwicklung

                4.2. Land Tirol

                4.3. Die Landessanitätsdirektion

                4.4. Die Presseaussendungen des Landes Tirol mit Bezug zu Ischgl

                4.5. Bezirkshauptmannschaft Imst bzw. die Gemeinde Sölden

                4.6. Bezirkshauptmannschaft Landeck bzw. die Gemeinden Ischgl und St. Anton am Arlberg

4.6.1. Die Maßnahmen nach Bekanntwerden der positiv getesteten Isländer*innen und die Sonntagsöffnung des „K***“

a) „Die Isländer*innen“

b) Die Sonntagsöffnung des „K***“

4.6.2. Schließung aller Apres-Ski-Lokale und Beendigung des Schibetriebs in Ischgl bereits am 09.03.2020?

4.6.3. Die Schließung aller Apres-Ski-Lokale und die Halbierung der Beförderungskapazität durch die Verordnung LA-KAT-COVID-EPI/57/1-2020 vom 10.03.2020 sowie die Untersagung von Veranstaltungen mit einer 500 Personen im Außen- und 100 Personen im Innenbereich übersteigenden Teilnehmerzahl durch die Verordnung LA-KAT-COVID-EPI/57/2-2020 vom 11.03.2020

a) Die Verordnung LA-KAT-COVID-EPI/57/1-2020 vom 10.03.2020

b) Die Verordnung LA-KAT-COVID-EPI/57/2-2020 vom 11.03.2020

4.6.4. Die Schließung des Schigebiets in Ischgl durch die Verordnung LA-KAT-COVID-EPI/57/3-2020 vom 12.03.2020

4.6.5. Die Verordnung vom 13.03.2020 LA-KAT-COVID-EPI/57/9-2020 betreffend das Verbot der Zu- und Abfahrt in das Paznaun und St. Anton am Arlberg

5. Zusammenfassung

1. Einleitung

 

Am 17.11.2019 wurde in der chinesischen Stadt Wuhan, einem wichtigen nationalen und internationalen Verkehrsknotenpunkt, der erste Fall eines neuartigen Coronavirus, das später als „COVID-19 Virus“ bezeichnet werden wird, dokumentiert.

Am 31.12.2019 informierte China die Weltgesundheitsorganisation (WHO) über Fälle von Lungenentzündungen unbekannter Ursache. Die chinesischen Behörden identifizierten am 07.01.2020 als Ursache für diese Lungenentzündungen das oben angeführte neuartige Coronavirus.

Coronaviren (CoV) können Erkrankungen von einer normalen Erkältung bis zu schweren Krankheitsverläufen verursachen. Das neuartige Coronavirus „COVID-19“, ein Stamm des Virus, wurde zuvor noch nicht bei Menschen identifiziert.[1]

Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) erklärte am 09.01.2020 in seiner ersten Risikoeinschätzung zur SARS-CoV-2 Epidemie in China, dass der Ausbruch als lokales Ereignis eingeschätzt und daher eine Reisewarnung für die Region Wuhan ausgesprochen werde. Das ECDC erachtete die Gefahr einer Einschleppung nach Europa als niedrig. Von der Leitung des Europäischen Labornetzwerks für aufkommende virale Erkrankungen wurde mitgeteilt, dass die europäischen Kapazitäten und Fähigkeiten einer Diagnostik auf Coronaviren ausreichend seien.

Am 21.01.2020 wurden seitens der WHO bereits 314 bestätigte COVID-19-Fälle, davon 309 in China, festgestellt. Am 23.01.2020 waren es bereits 830 Fälle. Die Stadt Wuhan wurde unter Quarantäne gestellt. [2]

Auch in Europa wurden die ersten Fälle von „COVID-19“ gegenüber der WHO bestätigt. Am  24.01.2020 meldete Frankreich drei Fälle, zwei in Paris und einen in Bordeaux. Alle drei Patienten hielten sich vor ihrer Erkrankung in der Region Wuhan auf. Die WHO ging damals aufgrund des weltweiten Reiseverkehrs davon aus, dass es zu einer weiteren grenzüberschreitenden Ausbreitung in anderen Ländern kommen werde, sodass auch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens weiterer Fälle in der Europäischen Region hoch sei.

Seit dem 24.01.2020 war die Übertragung von Mensch zu Mensch weitgehend in der Stadt Wuhan, aber auch an einigen anderen Orten in China und international bestätigt.

Ende Jänner 2020 nannte die WHO als wichtigste klinische Anzeichen Fieber, Atembeschwerden und Bruströntgenaufnahmen, die bilaterale Lungeninfiltrate zeigen.

Am 25.01.2020 empfahl die WHO den Ländern Europas, sich auf eine Einschleppung des neuen Virus vorzubereiten.[3]

Am 26.01.2020 aktualisierte das ECDC seine Risikoeinschätzung und empfahl allen Mitgliedsländern, ihre Testkapazitäten zu überprüfen und auszubauen. Etwaige Verdachtsfälle sollten über das Europäische Frühwarn- und Reaktionssystem (EWRS) gemeldet werden. Das ECDC empfahl lediglich für positiv Getestete eine Kontaktpersonennachverfolgung, jedoch keine Quarantäne für asymptomatische Personen.[4]

Am 30.01.2020 erklärte die WHO den Ausbruch des neuartigen Coronavirus zu einer gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite.

Am 11.03.2020 erklärte der Generaldirektor der WHO den Ausbruch aufgrund der rapiden Zunahme der Fallzahlen außerhalb Chinas offiziell zur Pandemie. Bis zu diesem Zeitpunkt waren mehr als 118.000 Fälle aus 114 Ländern und insgesamt 4.219 Todesfälle gemeldet worden.[5] Ab Mitte März 2020 war die Europäische Region der WHO zum Epizentrum der Pandemie geworden und meldete über 40% der weltweit bestätigten Fälle.

 

2. Ausgangspunkt des Verfahrens

 

Die am 23.03.2020 eingelangte und zur Einleitung des Verfahrens führende Strafanzeige des Stefan R*** gegen das Land Tirol, unbekannte Seilbahnbetreiber im Bundesland Tirol, Bernhard Z*** als Betreiber des Lokals „K***“ in Ischgl und unbekannte Tourismusbetriebe im Quarantänegebiet Ischgl wegen §§ 12 3. Fall, 177 StGB iVm § 170 Abs 2 StGB  wurde zusammengefasst damit begründet, dass dem Anzeiger aus einer Vielzahl von Medienberichten bekannt geworden sei, dass dem Land Tirol bereits am 05.03.2020 die Infektion von 15 isländischen Tourist*innen, die in Ischgl ihren Winterurlaub verbracht hätten, bekannt gewesen sei. Obwohl Island Ischgl angeblich als Gebiet deklariert habe, in dem eine fortgesetzte Übertragung des COVID-19-Virus bzw. Coronavirus zu befürchten sei (Risikogebiet), habe das Land Tirol nicht angemessen reagiert. Vielmehr habe man darauf vertraut, dass sich die aus einem Urlaub in Ischgl zurückgekehrten und in weiterer Folge positiv getesteten Tourist*innen anlässlich ihres Rückflugs bei einem heimkehrenden Italienurlauber infiziert hätten. Das Land sei nach Bekanntwerden der ersten infizierten Fälle in Ischgl am 05.03.2020 untätig geblieben, insbesondere seien keine weiteren Abklärungen durchgeführt worden.

Auf die am 07.03.2020 erfolgte positive Testung eines Barangestellten des Lokals „K***“ habe die Landesregierung ebenfalls verspätet reagiert, weil das betroffene Lokal erst am 09.03.2020 behördlich geschlossen wurde.

Obwohl das Robert-Koch-Institut das gesamte Land Tirol per 06.03.2020 zum Risikogebiet deklariert habe und trotz der Erkenntnisse aus Italien und China, sei erst am 12.03.2020 seitens des Landes das Ende der Skisaison per 15.03.2020 festgelegt worden. Spätestens nach Bekanntwerden des positiv getesteten Barkeepers hätten rasch wirksame Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen. Demgegenüber habe man aber noch weitere 8 Tage zugewartet.

Auch die Abreise der Tourist*innen aus den gesperrten Gebieten sei durch eine fragwürdige Vorgehensweise des Landes Tirol gekennzeichnet gewesen: Die Tourist*innen seien in Bussen unter Außerachtlassung der nötigen Sicherheitsabstände abtransportiert worden, dies in Kenntnis, dass teilweise Rückflüge erst am nächsten Tag erfolgen würden. Auch seien keine Maßnahmen gesetzt worden, um zu verhindern, dass sich die abreisenden Touristen*innen in den „übrigen Teilen Tirols verstreuen“ würden, um dort Unterkunft zu finden. Auch ausländisches Hotelpersonal sei einfach nach Hause geschickt worden.

Diese Anzeige, die sich – wie weitere Anzeigen bzw. Sachverhaltsdarstellungen auch - ausschließlich auf Medienberichte stützte, hinterfragte auch die Rolle des Obmanns des Fachverbandes der Seilbahnen in der Wirtschaftskammer Österreich, Franz H***, und wollte Widersprüchlichkeiten in den einzelnen Aussagen des Landeshauptmannes (im Folgenden: LH) und Leiter des Einsatzstabes Günther P*** aufzeigen.

Ebenfalls am 23.03.2020 langte ein Schreiben der Bezirkshauptmannschaft (im Folgenden: BH) Landeck ein, dem eine Anfrage des Zweiten Deutschen Rundfunks (ZDF) angeschlossen war. Die BH Landeck ersuchte unter Hinweis auf die diesem Schreiben angeschlossene Beilage und in Entsprechung der in § 78 Abs 1 StPO statuierten Anzeigepflicht um strafrechtliche Beurteilung. In diesem Schreiben des ZDF wurde zusammengefasst dargelegt, dass ausgehend von Gesprächen mit Gästen und ehemaligen Mitarbeiter*innen in Ischgl der Eindruck entstanden sei, dass die „Corona-Problematik“ seitens der Arbeitgeber in der Gastronomie „kleingeredet“ worden sei. „Ein erster positiver Fall Ende Februar bei einer Mitarbeiterin wurde so gehandhabt, dass sie nach Hause geschickt wurde. Der Arbeitgeber habe keine Testung der Kolleg*innen veranlasst, die mit ihr gemeinsam gearbeitet haben.“

Am 24.03.2020 brachte der von Dr. Peter K*** gegründete „Verein zum Schutz von Verbraucherinteressen – VSV“ eine Sachverhaltsdarstellung gegen insgesamt 12 natürliche und juristische Personen ein, die neben einer lediglich auf Medienberichte gestützten Chronologie und unter Bezugnahme auf die bereits vorliegende Strafanzeige zunächst darauf verwies, dass Bayern das Land Tirol bereits am 30.01.2020 darüber informiert hätte, dass eine Frau, die in der Woche zuvor ihren Urlaub in der „D*** Hütte“ im Kühtai verbracht hatte, positiv getestet worden sei.

Aus einem Interview des Bundeskanzlers Sebastian K*** vom 17.03.2020, wonach er dankbar dafür sei, dass er bereits vor zwei Wochen von einigen Regierungschefs außerhalb Europas gewarnt worden sei, wurde geschlossen, dass die zuständigen Entscheidungsträger*innen auf Bundes- und Landesebene noch vor dem 05.03.2020 davon gewusst hätten, dass von den österreichischen Skigebieten eine immanente Seuchen-Gefahr ausgehen würde. Es sei zusammengefasst nicht nachvollziehbar sondern vielmehr unverständlich, dass trotz der Warnungen der ausländischen Regierungschefs und der isländischen Gesundheitsbehörde weder die Bundesregierung noch die Tiroler Landesregierung Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Corona-Virus in Tirol unternommen hätten. Trotz der positiven Testung des Barkeepers in Ischgl seien die Partys unvermindert weitergegangen. In diesem Zusammenhang sei überdies fraglich, ab wann die Behörden von dieser Ansteckung erfahren hätten, weil es bezüglich des positiv getesteten Barkeepers zu einer sachlich nicht nachvollziehbaren Presseaussendung des Landes Tirol, nämlich, dass eine Übertragung des Coronavirus auf Gäste der Bar als eher unwahrscheinlich erachtet werde, gekommen sei.

In Sölden hätte sich eine Reisegruppe aus B*** infiziert. Ein Mann dieser Reisegruppe sei nach seiner Rückkehr am 08.03.2020 unter Quarantäne gestellt worden und habe erklärt, dass man während des Urlaubs nicht an Corona gedacht hätte, weil sich niemand richtig krank gefühlt habe. Außerdem habe Österreich respektive Tirol zum damaligen Zeitpunkt nicht als Risikogebiet gegolten.

Nachdem in einer weiteren Presseaussendung des Landes Tirol darüber informiert worden sei, dass sich auch die in Island positiv getesteten Personen in der besagten Bar aufgehalten hätten, hätte den Verantwortlichen klar sein müssen bzw. sei ihnen klar gewesen, dass das Virus in Ischgl und auch in Sölden grassiere.

Diese Sachverhaltsdarstellung nimmt auch Bezug auf den bereits durch Medienberichte bekannten SMS-Verkehr zwischen dem Nationalratsabgeordneten Franz H*** und dem Betreiber des Lokals „K***“.

Obwohl Dänemark Ischgl am 10.03.2020 zu einer „No-Go-Area“ erklärt habe, der Gesundheitsminister per Erlass Veranstaltungen mit einer Teilnehmerzahl von mehr als 100 Personen im Innen- und mehr als 500 Personen im Außenbereich untersagt habe, sei der Skibetrieb in Ischgl und Sölden fortgeführt worden und hätten sich sowohl auf der Idalp in Ischgl als auch auf dem Giggijoch in Sölden wohl weit mehr als 500 Personen aufgehalten.

Nachdem das Land Tirol erst am 12.03.2020 das Ende der Skisaison für ganz Tirol per 15.03.2020 verkündet hatte, seien am 13.03.2020 überraschend das gesamte Paznaun und St. Anton am Arlberg unter Quarantäne gestellt worden. Diese Quarantäne sei somit erst eine ganze Woche nach den offiziellen Warnungen aus Island, Dänemark, Norwegen, Schweden und Deutschland erfolgt. Viele Urlauber hätten die Orte Hals über Kopf verlassen müssen, die Mitarbeiter*innen seien förmlich aus dem Ort geworfen worden. Viele Tourist*innen hätten sich in Hotels in Innsbruck eingemietet, ganze Reisegruppen seien durch Tirol geirrt. Niemand sei bei der Abreise auf das Virus getestet worden.

Auf Grund dieser Umstände seien nach den Anzeigern in weiterer Folge mindestens 1000 Menschen in den nordischen Staaten Island, Dänemark, Norwegen und Schweden sowie auch in Deutschland, Österreich und vermutlich einigen anderen Ländern durch das Corona-Virus via Ischgl infiziert worden. Abschließend wurde darauf hingewiesen, dass ein Barmann in Sölden am 15.03.2020 positiv getestet worden sei. Gesundheitslandesrat Bernhard T*** habe noch am 16.03.2020 erklärt, Tirol habe alles „richtig gemacht“ und die notwendigen Maßnahmen getroffen. Dies sei so auch von Landeshauptmann P*** am 17.03.2020 bestätigt worden. Dennoch seien am Abend des 17.03.2020 sowohl Sölden als auch St. Christoph am Arlberg unter Quarantäne gestellt worden. Schließlich sei am 19.03.2020 die Abriegelung von ganz Tirol verfügt worden. Dies sei jedenfalls zu spät erfolgt. Die österreichischen Behörden hätten zumindest seit 05.03.2020, wahrscheinlich schon früher, Kenntnis über die Corona-Infektionen in den Tiroler Skigebieten gehabt und früher handeln müssen.

Auch nach dem 24.03.2020 langten weitere, als solche bezeichnete und über einen bloßen Privatbeteiligtenanschluss hinausgehende Ausführungen enthaltende Anzeigen von Privatpersonen ein. Darin wurden überwiegend Verfehlungen oder Versäumnisse in Sölden, vor allem aber in Ischgl behauptet.

Eine Anzeige betraf den noch am 12.03.2020 stattgefunden Vollbetrieb eines Apres-Ski Lokals in St. Anton am Arlberg („B*** C***“) und erhob ausgehend davon auch pauschale Vorwürfe gegen eine Reihe von (vermeintlichen) Entscheidungsträgern*innen.

Weiters wurden drei, jeweils nur Anzeigen mit nicht näher substantiierten Vorwürfen enthaltende Verfahren (* St **/*** der Staatsanwaltschaft Innsbruck sowie * St **/*** und * St **/*** der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption) einbezogen.

Alle Anzeigen zeichneten sich dadurch aus, dass sie sich nicht auf eigene Wahrnehmungen der Anzeiger stützten. Sie nahmen ausschließlich Bezug auf diverse (teils vorgelegte) Medienberichte, teilweise auch auf Pressemitteilungen des Landes Tirol oder „Reisewarnungen“ (vor allem, aber nicht nur, aus Island). Darauf aufbauend warfen sie den Angezeigten oder auch „unbekannten Verantwortungsträgern“ nicht näher individualisierte oder konkretisierte Versäumnisse im Sinne einer zu späten Reaktion oder auch der Verhinderung von sofortigen Maßnahmen vor.

Insbesondere der „Verein zum Schutz von Verbraucherinteressen - VSV“ sowie mehrere von RA Mag. Julian M*** vertretene Anzeiger stellten dabei auch einen kausalen Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen Interessen von Seilbahn- und Tourismuswirtschaft als „offenkundig“ und diesbezügliche Rücksichtnahmen oder auch Interventionen mehr oder weniger explizit in den Raum. Das Verhalten sei nur damit erklärbar, dass „im Dienste des Tourismus Warnungen, Betriebsschließungen und letztlich die Schließung des Paznaun nur mit starker Verzögerung erfolgt“ seien. Diese zentrale Behauptung wurde im Wesentlichen durch die Reaktion auf die ersten Erkrankungsfälle im „G*** Hotel E***“ sowie Ausführungen zur wirtschaftlichen Bedeutung des Tourismus zu stützen versucht.

Neben diesen Anzeigen langten ab 23.03.2020 mehrere hundert Schreiben von Privatpersonen bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck ein, die sich durch ein vom „Verein zum Schutz von Verbraucherinteressen – VSV“ entworfenes (und offenbar gegen Gebühr zur Verfügung gestelltes) Formular unter Bezugnahme auf ihren konkreten Aufenthalt in Skiorten, die Aufenthaltsdauer, die besuchten Lokale, den Symptombeginn und allfällige positive Testungen als Privatbeteiligte anschlossen. Insgesamt schlossen sich mehr als 1.200 überwiegend ausländische Tourist*innen teils anwaltlich vertreten dem Strafverfahren als Privatbeteiligte an.

3. Rechtliche Rahmenbedingungen

 

Mit Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (in Folge: BMSGPK) vom 26.01.2020 zu BGBl II Nr. 15/2020 betreffend anzeigepflichtige übertragbare Krankheiten wurden Verdachts-, Erkrankungs- und Todesfälle an 2019-nCoV („neuartiges Coronavirus“) der Anzeigepflicht nach § 2 Abs 1 Epidemiegesetz 1950 (im Folgenden: EpG) unterworfen. Die Rechtsgrundlagen für das behördliche Handeln im Zusammenhang mit der Pandemiebekämpfung finden sich nicht nur im EpG, sondern auch in einschlägigen Verordnungen, Richtlinien und Erlässen des BMSGKP.

3.1. Epidemiegesetz 1950 (in der Fassung vor BGBl I Nr. 16/2020)

 

Da das EpG 1950 unter den Kompetenztatbestand „Gesundheitswesen“ nach Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG fällt, erfolgt seine Vollziehung im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung nach Art 102 Abs 1 B-VG. Träger der mittelbaren Bundesverwaltung ist der Landeshauptmann des jeweiligen Bundeslandes, der sich für die Vollziehung der Bezirksverwaltungsbehörden bedient. Der Landeshauptmann ist in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung an die Weisungen des zuständigen Bundesministers gebunden. Da sich somit in der Person des Landeshauptmannes die Verantwortlichkeit für die Führung der Bundesverwaltung im Bereich der Länder bündelt, ist eine Weisung des zuständigen Bundesministers oder der Bundesregierung unmittelbar an die Bezirksverwaltungsbehörde nach dem Grundsatz des Verbots des Weisungsdurchgriffs nicht zulässig.

Die erste Fassung des EpG wurde am 14.04.1913 beschlossen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das EpG 1950 im Jahr 1950 wiederverlautbart und in den nachfolgenden Jahrzehnten des Öfteren novelliert. Diese Novellen betrafen jedoch überwiegend Erweiterungen des Katalogs der anzeigepflichtigen Krankheiten.

Die meisten Bestimmungen im hier interessierenden II. Hauptstück, das die Vorkehrungen zur Verhütung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten regelt und bereits bei Einführung des EpG 1913 als nicht zeitgemäß kritisiert wurde, stehen noch heute in der ursprünglichen Fassung aus 1913 in Geltung.[6]  

Nach § 2 Abs 1 ist jede Erkrankung, jeder Sterbefall und jeder Verdacht einer Erkrankung an 2019-nCoV der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Gebiet sich der Kranke oder Krankheitsverdächtige aufhält oder der Tod eingetreten ist, unter Angabe von Name, Alter und Wohnung zu melden.

§ 3 Abs 1 statuiert eine unbedingte Anzeigepflicht für den zugezogenen Arzt beziehungsweise den Leiter der Krankenanstalt (Z 1), das die Krankheit diagnostizierende Labor (Z 2) und den Totenbeschauer (Z 10), subsidiär sind auch – soweit hier von Interesse – der Wohnungsinhaber (oder die an seiner Stelle mit der Obsorge für die Wohnung betraute Person, Z 6), Inhaber von Gast- und Schankgewerben sowie deren behördlich genehmigte Stellvertreter bezüglich der von ihnen beherbergten oder bei ihnen bediensteten Personen (Z 7) und der Hausbesitzer oder die mit der Handhabung der Hausordnung betraute Person (Z 8) zur Anzeige verpflichtet. Die Erstattung einer Anzeige hat binnen 24 Stunden zu erfolgen. Weder Gemeinden noch Tourismusverbände trifft daher eine Anzeigepflicht nach dem EpG.

Gemäß § 5 Abs 1 haben die zuständigen Behörden durch die ihnen zur Verfügung stehenden Ärzt*innen über jede Anzeige sowie über jeden Verdacht des Auftretens einer anzeigepflichtigen Krankheit unverzüglich die zur Feststellung der Krankheit und der Infektionsquelle erforderlichen Erhebungen und Untersuchungen einzuleiten und sind Kranke, Krankheitsverdächtige und Ansteckungsverdächtige verpflichtet, den zuständigen Behörden die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und sich den notwendigen ärztlichen Untersuchungen sowie der Entnahme von Untersuchungsmaterial zu unterziehen. Abs 3 leg. cit. sieht eine Verpflichtung zur Auskunftserteilung für Personen, insbesondere behandelnde Ärzt*innen, Labors, Arbeitgeber*innen, Familienangehörige und Personal von Gemeinschaftseinrichtungen, die zu den Erhebungen einen Beitrag leisten könnten, vor.

Neben diesen erforderlichen Erhebungen sind gemäß § 6 Abs 1 über jeden Krankheits- und Verdachtsfall ohne Verzug die zur Verhütung der Weiterverbreitung der betreffenden Krankheit notwendigen Vorkehrungen im Sinne der §§ 7 bis 28 für die Dauer der Ansteckungsgefahr zu treffen.

Zu diesen möglichen Vorkehrungen zählen unter anderem die Absonderung kranker, krankheits- oder ansteckungsverdächtiger Personen (§ 7), die behördliche Desinfektion von Gegenständen und Räumen (§ 8), die Maßnahmen gegen das Zusammenströmen größerer Menschenmengen (§ 15), die Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen (§ 20) sowie Verkehrsbeschränkungen für die Bewohner bestimmter Ortschaften (§ 24).

Nach dem hier relevanten § 15 hat die Bezirksverwaltungsbehörde Veranstaltungen, die ein Zusammenströmen größerer Menschenmengen mit sich bringen, zu untersagen, sofern und solange dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist.    

Gemäß § 20 kann beim Auftreten der in Abs 1 aufgezählten Krankheiten (2019-nCoV ist nicht enthalten) die Schließung von Betriebsstätten, in denen bestimmte Gewerbe ausgeübt werden oder deren Betrieb eine besondere Gefahr für die Ausbreitung dieser Krankheit mit sich bringt, für bestimmt zu bezeichnende Gebiete angeordnet werden. Eine solche Anordnung ist nur dann zulässig, wenn und insoweit nach den im Betrieb bestehenden Verhältnissen die Aufrechterhaltung desselben eine dringende und schwere Gefährdung der Betriebsangestellten selbst sowie der Öffentlichkeit überhaupt durch die Weiterverbreitung der Krankheit begründen würde.

Über die bereits in Abs 1 leg. cit. statuierten engen Voraussetzungen hinaus normiert Abs 3 zusätzlich, dass die Schließung einer Betriebsstätte überdies nur dann zulässig ist, wenn ganz außerordentliche Gefahren sie nötig erscheinen lassen.

Nach § 20 Abs 4 wird im Verordnungswege bestimmt, inwieweit die in den Absätzen 1 bis 3 bezeichneten Vorkehrungen auch beim Auftreten einer anderen anzeigepflichtigen Krankheit getroffen werden können.

Die Verordnung des BMSGPK vom 28.02.2020 zu BGBl. II Nr. 74/2020 bestimmte, dass die in § 20 bezeichneten Vorkehrungen auch bei Auftreten einer Infektion mit SARS-CoV-2 („2019 neuartiges Coronavirus) getroffen werden können.

Schließlich sieht § 27 die Möglichkeit der Bestellung von Epidemieärzt*innen vor, falls bei Auftreten einer anzeigepflichtigen Krankheit die in den betroffenen Gebieten zur Verfügung stehenden Ärzt*innen zur wirksamen Bekämpfung der Krankheit nicht ausreichen.

Nach § 28a haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die nach dem EpG zuständigen Behörden und Organe über deren Ersuchen bei der Ausübung ihrer gemäß den §§ 5, 6, 7, 15, 17, 22 und 24 beschriebenen Aufgaben bzw. zur Durchsetzung der vorgesehenen Maßnahmen erforderlichenfalls unter Anwendung von Zwangsmitteln zu unterstützen.

Eine Mitwirkung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei Vorkehrungen gemäß § 20 EpG ist folglich gesetzlich nicht vorgesehen.

Nach § 43 Abs 4 obliegt die Einleitung, Durchführung und Sicherstellung sämtlicher in diesem Gesetz vorgeschriebenen Erhebungen und Vorkehrungen den Bezirksverwaltungsbehörden. Dem Landeshauptmann obliegt gemäß Abs 5 leg. cit. im Rahmen seines örtlichen Wirkungsbereiches die Koordinierung und Kontrolle dieser Maßnahmen der Bezirksverwaltungsbehörde.

Dem BMSGPK kommen nur einzelne Vollzugszuständigkeiten zu, insbesondere zur Erlassung von Durchführungsverordnungen oder Verordnungen zur Erweiterung des Anwendungsbereiches einzelner Bestimmungen.

Demgegenüber werden die Gemeinden (seit der Novelle BGBl I Nr. 63/2016) im EpG – abgesehen von der Widmung von Geldstrafen – nicht (mehr) genannt. Ihnen kommen weder Kompetenzen zu noch sind Verständigungen oder Konsultationen vorgesehen.

 

3.2. Relevante Erlässe des BMSGPK

 

Mit Erlass des BMSGPK vom 28.02.2020 zu GZ 2020-0.138.290 wurden die Zuständigkeiten nach dem EpG dargelegt und ein vom BMSGPK und der Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) auf Basis der damaligen internationalen Empfehlungen erstelltes Dokument „Behördliche Vorgangsweise bei SARS-CoV-2 Kontaktpersonen: Kontaktpersonennachverfolgung“ für verbindlich erklärt.

Nach der darin enthaltenen Falldefinition ist

  • ein „bestätigter Fall“ eine Person mit labordiagnostischem Nachweis von SARS‑CoV‑2 und
  • ein „Verdachtsfall“ eine Person mit akuten Symptomen einer respiratorischen Infektion (plötzliches Auftreten von mindestens einer der folgenden Beschwerden und Symptome einer akuten Atemwegserkrankung: Husten, Fieber, Kurzatmigkeit) UND in den 14 Tagen vor Auftreten der Symptome erfolgtem Kontakt mit einem COVID-19-Fallpatienten ODER mit Aufenthalt in einer Region, in der von anhaltender Übertragung von SARS-CoV-2 ausgegangen werden muss.

Enthalten ist weiter eine Definition von und das Vorgehen für das Management von Kontaktpersonen. Je nach Infektionsrisiko wurden und werden Kontaktpersonen in drei Kategorien unterteilt. Nach dem Erlass des BMSGPK vom 28.02.2020 wurden unter anderem Personen, die während der Zeitperiode der Ansteckungsfähigkeit, also ab zwei Tagen vor Auftreten der Symptome, Kontakt zu respiratorischen Sekret-Tröpfchen eines Covid-19-Falls in einer Entfernung von weniger als 2 Metern hatten, als Kontaktperson der Kategorie I, nämlich als Kontaktpersonen mit Hoch-Risiko-Exposition, definiert. Kontaktpersonen mit Niedrig-Risiko-Exposition wurden der Kategorie II, Reiserückkehrer aus Risikogebieten der Kategorie III zugeordnet.

Hinsichtlich der Falldefinition SARS-CoV-2 wurde darauf hingewiesen, dass sich diese ändern und auf einer angegebenen Website abgerufen werden könne.

Mit einem, ebenfalls am 28.02.2020 ergangenen Erlass des BMSGPK zu GZ 2020-0.143.421 zum Vollzug des EpG und zur Sicherstellung der einheitlichen Vorgangsweise wurde unter anderem das Vorgehen bei Erhebungen nach § 5 EpG festgelegt. Dabei wurde der Umfang der Befragung von krankheitsverdächtigen Personen vorgegeben und ausdrücklich ausgeführt, dass im Rahmen von behördlichen Umgebungsuntersuchungen ein Test auf das Vorliegen einer Infektion mit dem „2019 neuartigen Coronavirus“ bei jeder Person durchzuführen ist, die die vollständigen jeweils gültigen Voraussetzungen für einen Krankheitsverdacht erfüllt. Nach diesem Erlass waren Testungen auch bei stationär aufgenommenen Personen mit viraler Pneumonie oder einer schweren respiratorischen Erkrankung und bei Häufung mehrerer Fälle von viralen Pneumonien unklarer Genese in Erwägung zu ziehen. Asymptomatische Personen waren in diesem Rahmen nicht zu testen (Hervorhebung im Original). Durch Bescheid abzusondern waren positiv getestete Personen für die Dauer der Erkrankung und Kontaktpersonen der Kategorie I für einen Zeitraum von 14 Tagen ab möglicher Ansteckung. Kontaktpersonen der Kategorie II waren lediglich nach einer von der Bezirksverwaltungsbehörde vorzunehmenden Beurteilung im Einzelfall für diesen Zeitraum des „Verkehrs zu beschränken“. Ein Abweichen von diesen Vorgaben konnte erfolgen, wenn dies von einer Bezirksverwaltungsbehörde oder von einem Land in begründeten Fällen an das BMSGPK herangetragen wurde und dessen Zustimmung fand.

Nach dem 28.02.2020 wurde neben der sukzessiven Ausweitung der Risikogebiete betreffend Reiserückkehrer, wie bspw. Südtirol ab 09.03.2020, auch die „Behördliche Vorgangsweise bei SARS-CoV-2 Kontaktpersonen: Kontaktpersonennachverfolgung“ mehrfach abgeändert.  

Ab der Fassung vom 05.03.2020, 16:00 Uhr, wurde die Definition  der Kontaktpersonen mit hohem Infektionsrisiko (Kategorie I), die jedenfalls abzusondern waren, erheblich eingeschränkt: War zuvor idF vom 28.02.2020 die Definition unter anderem noch „bei Aufenthalt in einer geschlossenen Umgebung wie öffentliche Transportmittel (Zugabteil, Wagon, Bus, Gondel etc.), Klassenzimmer, Besprechungsraum, Wartezimmer, Patienten-/Untersuchungszimmer in einer Entfernung von weniger als 2 Metern zum COVID-19-Fallpatienten“ erfüllt, so wurde diese nunmehr auf „Personen, die Kontakt von Angesicht zu Angesicht mit einem COVID-19-Fall in einer Entfernung ≤ 2 Meter und einer Dauer von mehr als 15 Minuten hatten“ sowie „Personen, die sich in einer geschlossenen Umgebung (z.B. Klassenzimmer, Besprechungsraum, Wartezimmer eines Krankenhauses) mit einem COVID-19-Fall für 15 Minuten oder länger in einer Entfernung von ≤ 2 Meter zum COVID-19-Fall aufgehalten haben“ abgeändert. Bereits in einer Anfang Februar durch die AGES erarbeiteten Empfehlung in Anlehnung an das deutsche Robert-Koch-Institut zur behördlichen Vorgangsweise war diese 15-Minuten Regel enthalten.

4.  Entscheidungsrelevanter Sachverhalt und rechtliche Beurteilung

 

Vorauszuschicken ist, dass die vom Land Tirol eingesetzte Unabhängige Expertenkommission zu dem Schluss gekommen ist, dass die erlassenen Verkehrsbeschränkungen und die Beendigung der Wintersaison von Seiten der Tourismuswirtschaft als schmerzhaft empfunden und die jeweiligen Maßnahmen gegenüber LH Günther P*** bezüglich ihrer Angemessenheit teilweise auch hinterfragt wurden. Dennoch war die Expertenkommission davon überzeugt, dass gegenüber Behörden und Behördenvertretern, insbesondere gegenüber den unmittelbar zur Entscheidung berufenen Bezirksverwaltungsbehörden, keine Versuche unternommen wurden, die zu treffenden Maßnahmen zu verzögern oder sonst zu beeinflussen. Diese Schlussfolgerung der Unabhängigen Expertenkommission deckt sich in Bezug auf Einflussnahmen von außen mit den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft Innsbruck.

Am 18.05.2020 wurden Anordnungen der Sicherstellung von Unterlagen bei der Bezirkshauptmannschaft (im Folgenden: BH) Landeck, „Organisationseinheit Gesundheit“, bei der BH Imst, „Organisationseinheit Gesundheitswesen“ und beim Amt der Tiroler Landesregierung, Landessanitätsdirektion, erlassen. Diese wurden im Zuge einer konzertierten Aktion unter Teilnahme der Sachberarbeiter*innen am 27.05.2020 jeweils vor Ort vollzogen. Weiters wurden an die betroffenen Behörden an diesem Tag Amtshilfeersuchen zur Übermittlung sämtlicher Protokolle der jeweiligen Bezirks- und Landeseinsatzleitung gerichtet.

Parallel dazu wurden die EPS-Web Protokolle sowohl der Landespolizeidirektion Tirol als auch des Bezirkspolizeikommandos Landeck für den Zeitraum ab 25.02.2020 bis einschließlich 17.03.2020, diverse Aufzeichnungen der jeweiligen Pressekonferenzen des Bundes und des Landes eingeholt und bei der Abteilung Landessanitätsdirektion Tirol die Sicherstellung sämtlicher E-Mails für den Zeitraum ab 25.01.2020 bis einschließlich 17.03.2020 angeordnet.

Am 03.08.2020 wurden wiederum unter Teilnahme der Sachbearbeiter*innen insgesamt sieben Sicherstellungsanordnungen vollzogen, welche die Sicherstellung persönlicher schriftlicher Unterlagen sowohl der Beschuldigten HR Dr. Markus M***, Mag. Siegmund G***, Mag. Bernd T*** und Werner K***, als auch Aktenvermerke, Protokolle, E‑Mails im bezughabenden Zeitraum, Unterlagen des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Landeck Dr. Karl E*** und des Mobiltelefons von BGM Werner K*** bezüglich des Chat-Verlaufs der sog. „Corona-Gruppe“ der Gemeinde Ischgl umfassten.

Zeitgleich wurde die Unabhängige Kommission zur Erstattung eines Expertenberichts „Management COVID 19-Pandemie in Tirol“ um Übermittlung sämtlicher Anhörungsprotokolle gebeten.

Am 25.09.2020 wurden bei der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des Landes sämtliche für den Zeitraum vom 05.03.2020 bis einschließlich 08.03.2020 an den Funktionspostkasten dieser Organisationseinheit, an den Abteilungsleiter und seine Stellvertreterin gesendeten sowie von diesen im genannten Zeitraum empfangenen E-Mails sichergestellt. Weiters wurden beim Amt der Tiroler Landesregierung die Auswertungen der im Rahmen des sog. „Gästeabreise-Managements“ am 13.03.2020 erfassten Personendaten und allenfalls darüberhinausgehender Gästedaten aus den jeweiligen Melderegistern sichergestellt.

Die 53 Protokolle der Anhörungen vor der vom Land Tirol eingesetzten Expertenkommission, der Bericht der Expertenkommission, die Protokolle der Task Force des BMGSPK, die persönlichen Aufzeichnungen des Amtsarztes der BH Landeck, die Presseaussendungen und die Lageberichte des Landes Tirols wurden ebenfalls beigeschafft.

Beginnend mit 09.10.2020 wurden insgesamt 22 Zeugen einvernommen. BGM Werner K*** wurde am 25.01.2021, Mag. Bernd T*** am 26.01.2021, BH HR Dr. Markus M*** und Mag. Siegmund G*** am 10.02.2021 als Beschuldigte durch die Sachbearbeiter*innen einvernommen. LAD HR Dr. Herbert F*** wurde am 08.04.2021 als Beschuldigter einvernommen.

Davon ausgehend ist der nachstehend dargelegte Sachverhalt entscheidungsrelevant:

 

4.1. Zum allgemeinen Ablauf und der Entwicklung

 

Bei den ersten bekannt gewordenen Verdachtsfällen nahmen die Amtsärzt*innen selbst die Abklärung in Form von Befragungen und gegebenenfalls Vornahme von Abstrichen vor, was jedoch auf Grund der geringen Personalausstattung bald nicht mehr zu bewältigen war.

Deswegen wurde dies ab etwa Anfang März 2020 durch die von den Bezirksverwaltungsbehörden gemäß § 27 EpG bestellten Epidemieärzt*innen als Mitglieder sogenannter „Screening Teams“ durchgeführt. Zunächst war vorgesehen, dass jedenfalls alle Erkrankten, aber auch Kategorie I - Kontaktpersonen bis zum Vorliegen der Testergebnisse in Krankenhäusern untergebracht werden und sie ihre Quarantäne dort verbringen sollten. Nach Beginn der Ausbreitung und Ansteigen der Verdachtsfälle war dies bereits nach kurzer Zeit mangels Kapazität nicht mehr möglich. Die Kontaktpersonennachverfolgung in Form der Befragung der Betroffenen (Erkrankte wie Verdachtsfälle) erfolgte ebenfalls zu Beginn durch Amtsärzt*innen persönlich und durch Angehörige der „Gesundheitsämter“, wurde sodann jedoch zu einem erheblichen Anteil von Polizeibeamt*innen übernommen, wofür auch entsprechende Befragungsformulare entwickelt wurden. Im Verlauf der Pandemie wurde für aus dem Ausland einlangende Hinweise auch eine eigene Stelle beim BMSGPK eingerichtet.

Verdachtsfälle wurden im Wesentlichen zunächst – vor Auftreten der ersten positiv getesteten Personen konnte es sich definitionsgemäß nur um „Reiserückkehrer“ aus Risikogebieten oder Kontaktpersonen von Erkrankten im Ausland, jeweils mit Symptomen, handeln – durch Disponierungen der Hotline „1450“ bekannt, die sodann über die Landeswarnzentrale (im Auftrag des Landeshauptmannes im Rahmen seiner Funktion als koordinierende Stelle gemäß § 43 Abs 5 EpG) an die Landessanitätsdirektion und die jeweils zuständigen Bezirkshauptmannschaften gemeldet wurden. Nach den ersten positiven Testungen wurden solche auch durch die Maßnahmen der Kontaktpersonennachverfolgung (Befragung von Erkrankten) in Erfahrung gebracht. In vergleichsweise wenigen Fällen wurden Erkrankungen direkt von Ärzt*innen oder Krankenhäusern, Behörden anderer Bundesländer oder ausländischen Behörden, hier vor allem über das EWRS[7], mitgeteilt. Mitteilungen über das EWRS gingen beim BMSGPK ein und wurden von dort an die Landessanitätsdirektion und von dieser an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde weitergeleitet. Auch Rückfragen wurden vorgenommen. Die Ergebnisse der Tests – deren Durchführung bis 05.02.2020 nur beim Institut für Virologie der Medizinischen Universität Wien, ab diesem Zeitpunkt auch an der Universitätsklinik Innsbruck möglich war – wurden über die Landeswarnzentrale sowohl an die Landessanitätsdirektion als auch an die betroffene Bezirksverwaltungsbehörde übermittelt. Insbesondere in der ersten Märzhälfte 2020 führten die Logistik der Testungen (Transport der Abstriche in die Universitätsklinik) sowie die Kapazität zur Durchführung derartiger Tests teilweise zu Verzögerungen.

Das erste Auftreten von COVID-19 in Tirol war die am 25.02.2020 erfolgte positive Testung einer Angestellten des „G*** Hotel E***“ in Innsbruck und ihres aus Italien kommenden Lebensgefährten, worauf das Hotel kurzfristig gesperrt und entgegen der bis dahin bestehenden „Vorläufigen Empfehlung“ des BMSGPK zur Kontaktpersonennachverfolgung zahlreiche Personen getestet wurden. Die beiden nächsten positiven Tests erfolgten am Nachmittag des 05.03.2020 in den Bezirken Kitzbühel und Landeck, wobei zu diesem Zeitpunkt bereits 422 Personen negativ getestet und die beiden genannten ersten Krankheitsfälle bereits als gesundet eingestuft worden waren.

Am 07.03.2020 wurden in ganz Tirol 548 Verdachtsfälle, davon 8 im Bezirk Landeck und 17 im Bezirk Imst gezählt. Die Zahl der kumuliert bis zum 09.03. gemeldeten Verdachtsfälle betrug landesweit 691, davon betrafen 35 den Bezirk Landeck und 19 den Bezirk Imst. An diesem Tag wies ganz Tirol 7 positive Fälle, davon 2 im Bezirk Landeck und keinen im Bezirk Imst, auf.

Die Zahl der positiv getesteten Personen im gesamten Bezirk Landeck stieg am 10.03. um 15 Personen auf 17, Tirol weit waren insgesamt bis zu diesem Zeitpunkt 25 Personen positiv getestet worden. Bis zu diesem Tag wurden 802 Verdachtsfälle, davon 54 im Bezirk Landeck und 19 im Bezirk Imst gezählt. Am 11.03.2020 standen bislang 965 Verdachtsfälle landesweit 79 Verdachtsfällen im Bezirk Landeck und 23 im Bezirk Imst gegenüber. Von 40 positiv getesteten Personen waren 25 dem Bezirk Landeck zuzurechnen. Die Zahl der insgesamt gemeldeten Verdachtsfälle stieg am 12.03.2020 erstmals über 1.000 an, und zwar auf 1.245, 142 davon betrafen den Bezirk Landeck, 45 den Bezirk Imst. Bis zu diesem Zeitpunkt waren insgesamt 79 Personen in ganz Tirol positiv getestet worden, davon 42 im Bezirk Landeck und 3 im Bezirk Imst.

Von den gesamt gemeldeten 1.541 Verdachtsfällen am 13.03.2021 betrafen 193 den Bezirk Landeck, 65 den Bezirk Imst. Insgesamt lagen bis zu diesem Tag 129 positive Testergebnisse vor, davon betrafen 69 den Bezirk Landeck und 3 den Bezirk Imst. In weiterer Folge stieg die Anzahl der Verdachtsfälle bis zum Morgen des 15.03.2020 auf 2.412 und jene der Erkrankten (genauer: der vorliegenden positiven Tests abzüglich der gesundeten Fälle) auf 243 landesweit an.

Obwohl die konkret im Rahmen der Pandemiebekämpfung zu treffenden Maßnahmen in erster Linie in die Kompetenz der Gesundheitsämter der Bezirkshauptmannschaften fielen, wird im Hinblick auf die in den Anzeigen und Sachverhaltsdarstellungen erhobenen Vorwürfe auch auf die Zuständigkeiten des Landes Tirol bezüglich der Landeseinsatzleitung, der Landessanitätsdirektion (im Folgenden: LSD) und der hier relevanten Presseaussendungen eingegangen. Sodann wird der hinsichtlich der Bezirkshauptmannschaften Imst und Landeck festgestellte Sachverhalt dargelegt.

 

4.2. Land Tirol

 

Das Tiroler Katastrophenmanagementgesetz (LGBl. Nr. 33/2006) sieht in § 16 Abs 1 lit. a) iVm § 4 die Einrichtung der Landeseinsatzleitung (im Folgenden: LEL) vor. Grundsätzlich ist die LEL für Naturkatastrophen konzipiert. Aus pragmatischen Gründen wurde in der konkreten Situation auf die Struktur der LEL zurückgegriffen.

Gemäß § 4 leg. cit. obliegt der Einsatzleitung – die im Bedarfsfall auch auf Bezirks- und Gemeindeebene zu bestellen ist – die Beratung und Unterstützung der Behörde bei der Vorbereitung und Durchführung der Abwehr und Bekämpfung von Katastrophen.

Die Landeseinsatzleitung setzt sich gemäß der im Verordnungswege vorgeschriebenen Geschäftsordnung (LGBl. Nr. 37/2008) aus dem Leiter der Landeseinsatzleitung, dem Führungsstab und weiteren Mitgliedern zusammen (§ 1). Der Führungsstab umfasst Sachbearbeiter*innen aus insgesamt sechs Sachgebieten, und zwar Personalwesen (S 1), Katastrophenlage (S 2), Einsatzkoordination (S 3), Versorgungswesen (S 4), Öffentlichkeitsarbeit (S 5) und Technik sowie Kommunikation (S 6). Darüber hinaus sind im Führungsstab auch die Fachgruppen Rechtsberater und Verbindungsoffizier vertreten (§ 2 Abs 1).

Die LEL unter Leitung des von Landeshauptmann Günther P*** darum ersuchten Landesamtsdirektors (im Folgenden: LAD) HR Dr. Herbert F*** wurde erstmals am 26.02.2020 nach den ersten positiven Testergebnissen in Tirol einberufen. In weiterer Folge fanden täglich – teilweise auch mehrmals täglich - Sitzungen statt, an denen neben dem vorgesehenen Führungsstab auch durchwegs Vertreter*innen verschiedener Abteilungen des Amtes der Tiroler Landesregierung, darunter auch der LSD, der Stadt Innsbruck und der BH Innsbruck, weiterer Institutionen wie beispielsweise des Roten Kreuzes oder der Berufsfeuerwehr Innsbruck und vereinzelt auch Mitglieder der Landesregierung, insbesondere der für Gesundheit zuständige Landesrat DI Dr. Bernhard T*** und Landeshauptmann Günther P*** teilnahmen. Aus den Resümeeprotokollen ergibt sich, dass nicht nur allgemein bedeutsame Umstände wie etwa die ersten positiven Testergebnisse und die Entwicklung der Epidemie besprochen, Informationen ausgetauscht und Abstimmungen vorgenommen wurden, sondern auch zahlreiche EWRS-Mitteilungen mit Bezug zu Ischgl und St. Anton am Arlberg ebenso wie der Verlauf des Ausbruchs in Ischgl und der diesbezügliche Fokus der Medienberichterstattung thematisiert wurden.

Maßgebliche und einschneidende Entscheidungen wie die „Beendigung der Wintersaison“, die Verordnung der Quarantäne für die Gemeinden des Paznaun und St. Anton am Arlberg und die „allgemeinen Verkehrsbeschränkungen“ wurden jedoch nicht von der LEL getroffen. Im Sinne der allgemein bekannten Stabsarbeit kommen der LEL genauso wie Einsatzleitungen auf Bundes- oder Bezirksebene keine behördlichen Funktionen zu, sondern ist sie ausschließlich beratend und koordinierend tätig.

Ab dem 27.02.2020 wurden von Seiten der LEL die eingemeldeten Zahlen und Ergebnisse mehrfach täglich in Lagedarstellungen zusammengefasst und aufbereitet, sodass auch der diesbezügliche Informationsstand für sämtliche Entscheidungsträger*innen gewährleistet war.

 

4.3. Die Landessanitätsdirektion

 

Die Landessanitätsdirektion gehört zur Gruppe Gesellschaft, Gesundheit und Soziales des Amtes der Tiroler Landesregierung und ist nach der Geschäftseinteilung des Amtes der Tiroler Landesregierung unter anderem für die fachlichen Angelegenheiten des Gesundheitswesens zuständig.

Im hier interessierenden Zusammenhang fungierte die LSD Tirol einerseits als Oberbehörde der Amtsärzt*innen oder Gesundheitsämter der Tiroler Bezirksverwaltungsbehörden und andererseits im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung für den Landeshauptmann von Tirol als nachgeordnete Dienststelle des BMSGPK.

Neben der Weiterleitung von Erlässen, Meldungen und Informationen an die Bezirksverwaltungsbehörden und der Ausübung der Fachaufsicht waren die Angehörigen der LSD Tirol und insbesondere Dr.in Anita L***-H*** in bemerkenswertem Ausmaß als beratende Ansprechpartner*innen sowohl für die Bezirksverwaltungsbehörden als auch die Oberbehörde und darüber hinaus für andere Dienststellen des Amtes der Tiroler Landesregierung, sonstige Verwaltungsstellen wie etwa die Schulverwaltung, die für die epidemiologische Aufarbeitung und Begleitung zuständige AGES (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH) und auch Systempartner wie Krankenhäuser oder Labore tätig und mit deren Vertreter*innen in ständigem Austausch. Die aus der vollständig vorliegenden E-Mail-Korrespondenz hervorgehende diesbezügliche Tätigkeit von Dr.in Anita L***-H*** war im in Rede stehenden Zeitraum zeitlich ausufernd und geradezu unbeschränkt,  fachlich höchst umfassend und umsichtig. So hat sie maßgeblich an der Entwicklung von Befragungsprotokollen für die Kontaktpersonennachverfolgung durch Polizeibeamt*innen mitgewirkt und in zahlreichen Fällen auch Nachfragen zu EWRS-Meldungen nicht nur über das BMSGPK veranlasst, sondern direkten Kontakt mit mitteilenden ausländischen Behörden und auch Gästen aufgenommen. Vielfach fragte sie auch wegen einzelner Fälle bei Amtsärzt*innen nach, wies auf relevante Umstände hin und hatte dergestalt auch maßgeblichen Anteil am Erkennen von Zusammenhängen bzw. von Übertragungsketten. Sie veranlasste bspw. bereits am 24.02.2020, dass im Rahmen der Verdachtsfalldefinition in Tirol auch die Lombardei, Venetien, Piemont, Emilia-Romagna und Latium als Risikogebiete zu gelten hatten, weil eine bevölkerungsbasierte Transmission in Oberitalien angenommen werden musste. 

Verantwortliche der LSD Tirol hatten zu jedem Zeitpunkt schon auf Grund der über sie laufenden Meldungswege, aber auch auf Grund der genannten Tätigkeit von Dr.in Anita L***-H*** umfassende Kenntnis von sämtlichen relevanten Umständen. Der „Hotspot“ Ischgl und darüber hinaus der allgemein zu verzeichnende Anstieg von Ansteckungen in Skigebieten wurde nach Auftreten der ersten Fälle erkannt und thematisiert.

Die gewonnenen Erkenntnisse wurden auch in die Sitzungen der LEL eingebracht und dort erörtert sowie anderen Entscheidungsträger*innen mitgeteilt. Weiters waren Vertreter*innen der LSD auch in die vom Land Tirol ab Ende Februar mehrmals täglich ausgegebenen Landespresseaussendungen eingebunden, weil ihnen die medizinische Belange betreffenden Aussendungen zur Durchsicht, Überprüfung und Freigabe übermittelt wurden (siehe dazu auch Punkt 4.4.).

Demgegenüber wurden im Bereich der LSD Tirol über Aufträge zur Kontaktpersonennachverfolgung bei Weiterleitung von Meldungen oder Nachfragen hinaus keine Entscheidungen über einzelne Maßnahmen der Bezirksverwaltungsbehörden oder des Landes Tirol getroffen. Abgesehen von der Weiterleitung entsprechender Weisungen des BMSGPK, wie bspw. jener zur Erlassung von Verordnungen zur Verhinderung des Zusammenströmens größerer Menschenmengen am 11.03.2020, erteilte die LSD auch keine Weisungen. Es konnten auch keine Hinweise auf Versuche sachfremder Beeinflussungen festgestellt werden.

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens haben sich daher keine tragfähigen Hinweise auf ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten ergeben.

 

4.4. Die Presseaussendungen des Landes Tirol mit Bezug zu Ischgl

 

In ihrem am 12.10.2020 veröffentlichten Bericht hielt die vom Land Tirol im Auftrag der Landesregierung vom 14.05.2020 eingesetzte Unabhängige Expertenkommission zum Management COVID-19-Pandemie Tirol fest, dass die Öffentlichkeitsarbeit des Landes in Bezug auf zwei Pressemitteilungen des Landes vom 05. und 08.03.2020 unwahr und daher zu beanstanden sei.

Schon vor der Veröffentlichung des Expertenberichts wurde im Rahmen des hier gegenständlichen Ermittlungsverfahrens zur beruhigenden Aufklärung des Sachverhalts am 25.09.2020 eine an die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit gerichtete Sicherstellungsanordnung zur Frage erlassen, ob die tatsächliche, den Verantwortlichen des Landes und auch der BH Landeck bekannte Lage im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie in Ischgl insoweit nicht transparent kommuniziert wurde, als Gäste nicht entsprechend informiert worden seien und Medienaussendungen den tatsächlichen Erkenntnisstand nicht korrekt wiedergegeben hätten.

Im Fokus standen folgende drei Presseaussendungen der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des Landes Tirol:

  1. „Coronavirus: Isländische Gäste im Tiroler Oberland dürften sich bei Rückflug im Flugzeug mit Coronavirus angesteckt haben“ vom 05.03.2020:

Diese Presseaussendung mit dem Titel „Coronavirus: Isländische Gäste im Tiroler Oberland dürften sich bei Rückflug im Flugzeug mit Coronavirus angesteckt haben“ wies folgenden Wortlaut auf: „14 Personen aus Island, die bereits am Wochenende wieder abreisten, verbrachten vergangene Woche ihren Skiurlaub im Tiroler Oberland. Nach ihrer Rückkehr nach Island wurden mehrere Personen positiv auf das Coronavirus getestet. Nach ersten Erhebungen und infolge einer schriftlichen Information vonseiten eines Betroffenen an den Beherbergungsbetrieb dürfte sich die Ansteckung erst im Flugzeug bei der Rückreise von München nach Reykjavik ereignet haben. „Unter dieser Annahme erscheint es aus medizinischer Sicht wenig wahrscheinlich, dass es in Tirol zu Ansteckungen gekommen ist“, so Landessanitätsdirektor Franz K***. Konkret befand sich beim Rückflug ein aus dem Italienurlaub kommender und am Coronavirus erkrankter Fluggast an Bord – die Fluggäste wurden vonseiten der Fluglinie darüber informiert. Derzeit finden weitere behördliche Abklärungen statt.

  1. „Erhebungen zu am Coronavirus erkrankten Norweger im Bezirk Landeck weiter im Gange“ vom 08.03.2020

Diese Medienmitteilung lautete auszugsweise wie folgt: Gestern Abend wurde bekannt, dass ein Norweger im Bezirk Landeck positiv auf eine Coronavirus-Erkrankung getestet wurde. Die gesundheitsbehördlichen Erhebungen dazu sind derzeit weiter im Gange. Fest steht, dass der 36-Jährige als Barkeeper im „K***“ in Ischgl gearbeitet hat. „Eine Übertragung des Coronavirus auf Gäste der Bar ist aus medizinischer Sicht eher unwahrscheinlich“, informiert Anita L***-H*** von der Landessanitätsdirektion Tirol. Im Sinne einer maximalen Transparenz und Aufklärung gibt es für alle Barbesucherinnen, die vom 15.2. bis 7.3. in der Bar waren und aktuell grippeähnliche Symptome aufweisen…

  1. „Coronavirus: Tiroler Hochschulen stellen auf Fernunterricht um“ vom 09.03.2020

Hinsichtlich dieser Presseaussendung galt es den Umstand zu überprüfen, warum zunächst in den Entwürfen ein Zusammenhang zwischen den erkrankten und positiv getesteten Erasmusstudent*innen mit den Fällen in Ischgl nicht ausgeschlossen werden konnte, dieser Hinweis in der veröffentlichten Version aber keinen Niederschlag gefunden hatte.

 

In der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit beim Amt der Tiroler Landesregierung, deren Vorstand seit Mai 2015 Mag. Florian K*** ist, arbeiten insgesamt 26 Personen und war diese Abteilung bereits ab Ende Jänner 2020 mit Medienmitteilungen im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie beschäftigt. Die Aufgabe der Kommunikationsabteilung des Landes wird vom Vorstand damit umschrieben, dass bei entsprechenden Vorkommnissen und gesicherten Informationen die bezughabende Medienarbeit ausschließlich von der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit übernommen wird. Die Presseaussendungen werden von der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit entworfen und anschließend von den zuständigen Fachabteilungen – im hier interessierenden Zusammenhang also von der LSD – geprüft und auch freigegeben, wobei es durchaus zu mehreren „Freigabeschlaufen“ kommen kann. Nach der Geschäftsverteilung der Tiroler Landesregierung ist der Landeshauptmann für die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

Die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit war bereits ab der Aufnahme der Tätigkeit der LEL am 26.02.2020 ständig durch einen oder mehrere Mitarbeiter*innen im Großen Saal des Landhauses vertreten. So war es auch möglich, dass einerseits die vor Ort anwesenden Mitarbeiter*innen erkennen konnten, dass es Informationsbedürfnisse der Öffentlichkeit geben könnte, die eine Presseaussendung notwendig machen würden, sie andererseits aber auch als Ansprechpersonen für den Einsatzstab oder Mitarbeiter*innen der Fachabteilungen verfügbar waren, um von diesen gewünschte Presseaussendungen – wie bspw. öffentliche Aufrufe – zu entwerfen.

Mag. Florian K*** teilte der LEL mit Mail vom 05.03.2020, 14:25 Uhr, mit, dass isländische Zeitungen bereits über die positiv getesteten Tourist*innen aus Ischgl berichten würden.

Der Tourismusverband (im Folgenden: TVB) Paznaun-Ischgl wurde in diesem Zusammenhang gegen 15:49 Uhr desselben Tages mit ersten Medienanfragen konfrontiert. Durch die in Ischgl eingerichtete „Corona-Gruppe“, die sich aus dem Obmann, seinem Stellvertreter und den Geschäftsführern des TVB, BGM Werner K***, den Geschäftsführern der Silvretta Seilbahnen AG und fallweise der Polizei sowie dem praktischen Arzt Dr. Andreas W*** zusammensetzte, wurde bereits am Nachmittag nach Rücksprache zwischen Mag. Dietmar W*** und Mag. Florian K*** festgelegt, dass sämtliche Kommunikation bzw. Medienarbeit vom Land übernommen werde. Diese Vorgehensweise wurde in weiterer Folge auch wiederholt bekräftigt und war auch mit dem Geschäftsführer der Tirol Werbung GmbH, Mag. Florian P***, abgesprochen.

Da sich im Laufe des Nachmittags bereits abzeichnete, dass mit Presseanfragen im Zusammenhang mit den in Island positiv getesteten Tourist*innen in Ischgl zu rechnen sein würde, bereitete die zu diesem Zeitpunkt in der LEL anwesende Stellvertreterin des Vorstandes der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, Bettina S*** BA MSc, eine erste Stellungnahme vor, um auf entsprechende Anfragen reagieren zu können. Der noch rudimentäre erste Entwurf einer Medieninformation von 14:42 Uhr umfasste die Information, dass zehn Personen aus Island, die als Teil einer Reisegruppe ihren einwöchigen Urlaub in Ischgl verbracht hätten, nach ihrer Rückkehr in Island positiv auf das Coronavirus getestet worden seien.

Von einer möglichen Ansteckung im Flugzeug ist in diesem ersten Entwurf, der den Titel „Coronavirus: Zehn positiv getestete Gäste aus Island verbrachten Urlaub in Ischgl“ trägt, nicht die Rede. Nach weiteren Entwürfen, der ersten Presseanfrage um 15:40 Uhr und der Übermittlung jener Mails, die seitens der isländischen Reisegruppe an die zwei betroffenen Hotels in Ischgl gesandt worden waren, übermittelte Bettina S*** BA MSc an Mag. Florian K***, BH HR Dr. Markus M*** und Florian T*** MSc MBA, Büroleiter des Landeshauptmannes, einen Entwurf mit der Bitte um Durchsicht, Rückmeldung und Freigabe.

Dieser Entwurf wurde mit „Coronavirus: Isländische Gäste im Tiroler Oberland dürften sich bei Rückreise mit Coronavirus angesteckt haben“ betitelt und beinhaltete 8 positiv getestete Personen. Weiters wurde festgehalten, dass „nach ersten Erhebungen und Gesprächen mit den betroffenen Personen es Grund zur Annahme gebe, dass sich die 8 Personen bei ihrer Rückreise im Flugzeug von München nach Reykjavik angesteckt hätten“.

Tatsächlich war in der ersten, am Morgen des 05.03.2020 eingelangten Mitteilung der isländischen Behörden über das sogenannte EWRS lediglich die Information enthalten, dass seit 28.02.2020 in mehreren Fällen COVID-19 diagnostiziert worden sei, und zwar bei 8 Personen, die aus Ischgl zurückgekehrt seien.

Um 16.11 Uhr teilte Mag. Dietmar W*** BH HR Dr. Markus M*** und auch der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit per E-Mail mit, dass der Entwurf intern abgestimmt worden sei. Er schrieb wörtlich: „Womöglich könnte man noch darauf hinweisen, dass die betreffenden Personen aus Island selber darauf hingewiesen haben, dass sie im Flugzeug bei der Heimreise angesteckt wurden. Ansonsten sei es für den TVB selbstverständlich auch ok“.

Um 16:13 Uhr leitete Dr.in Anita L***-H*** an den Funktionspostkasten der BH Landeck, Dr. Karl E***, Mag. Florian K*** und LAD HR Dr. Herbert F*** eine weitere, über Dr. Bernhard B*** des BMSGPK eingelangte Information der isländischen Behörden weiter, der entnommen werden konnte, dass insgesamt 14 Personen positiv getestet worden und entweder am 29.02.2020 oder am 01.03.2020 nach Island zurückgekehrt seien und dass bei einer Person die Symptome bereits am 26.02.2020 begonnen hätten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass Bettina S*** BA MSc dieses Mail auch erhalten hat.

Vielmehr wurde von ihr um 16:17 Uhr ein weiterer Entwurf einer Medienmitteilung an Mag. Florian K*** und Florian T*** MSc MBA mit der Bitte um Durchsicht, Rückmeldung und dem Hinweis, dass sie die Medienmitteilung dann noch an „K*** und M***“ schicken werde, gesendet. In dieser zweiten Medieninformation war immer noch von 8 Personen die Rede. Auch hier wurde darauf hingewiesen, dass nach ersten Erhebungen und Gesprächen mit den betroffenen Personen eine Ansteckung im Flugzeug im Raum stand.

Erstmals eingefügt in diesen Entwurf ist als wörtliches Zitat des Landessanitätsdirektors: „Die Personen haben sich im Flugzeug am Samstag angesteckt. Die Symptome sind am Montag aufgetreten. In der ansteckungsfähigen Zeit ist damit ein Kontakt in Tirol weitestgehend ausgeschlossen“.

Zeitgleich, nämlich um 16:17 Uhr, teilte BH HR Dr. Markus M*** LAD HR Dr. Herbert F***, Bettina S*** BA MSc und auch dem Geschäftsführer des TVB mit, dass die Presseaussendung aus seiner Sicht und in Abstimmung mit dem TVB in Ordnung sei. Er fügte in Klammer auch noch das wörtliche Zitat des Mag. Dietmar W*** ein, wonach man womöglich darauf hinweisen könnte, dass die betreffenden Personen aus Island selbst darauf hingewiesen hätten, dass sie im Flugzeug bei der Heimreise angesteckt worden seien.

Um 16.32 Uhr verschickte Bettina S*** BA MSc an Florian T*** MSc MBA und Mag. Florian K*** den finalen Entwurf der Medienmitteilung betreffend 8 positiv getesteten Personen mit der Bitte um Freigabe. Noch vor Veröffentlichung der Medienmitteilung ersuchte Florian T*** MSc MBA per Mail um 17.14 Uhr Mag. Florian K***, LAD HR Dr. Herbert F*** und Bettina S*** BA MSc unter Auszug einer Zeile der Mitteilung der isländischen Gesundheitsbehörden, nämlich jener, in der der Symptombeginn mit 26.02. festgehalten ist, um Durchsicht, weil diese Mitteilung ausschließen würde, dass die Ansteckung im Flieger erfolgt sei.

Die schließlich um 17:35 Uhr veröffentliche Medienmitteilung umfasste in Entsprechung der offiziellen Mitteilung der isländischen Behörden 14 Personen. Die weiteren Erkenntnisse aus dieser offiziellen Mitteilung, nämlich die Rückreise an zwei verschiedenen Tagen und der Umstand, dass bei einem Betroffenen bereits am 26.02. Symptome aufgetreten sein sollen, fanden in der Pressemitteilung jedoch keinen Niederschlag. Außerdem war entgegen der im Entwurf angeführten weitestgehenden Ausschließbarkeit eines „Kontaktes in Tirol“ nunmehr von „Ansteckungen in Tirol“ die Rede.

Festzuhalten ist demnach, dass der in der Presseaussendung enthaltene Hinweis auf eine mögliche Ansteckung im Flugzeug insofern unrichtig ist, als die vorliegenden Informationen nicht vollständig wiedergegeben wurden und mit diesen nicht in Einklang standen.

Die als Zeugin dazu vernommene Bettina S*** BA MSc gab unter Vorhalt dieser Feststellungen an, dass sie aus ihrer Erinnerung nicht mehr sagen könne, ob sie persönlich die offiziellen Informationen aus Island erhalten habe. Über Vorhalt des E-Mails von Florian T*** MSc MBA um 17:15 Uhr erklärte sie, dieses wenige Minuten vor der letzten Version der Presseaussendung erhalten zu haben. Sie glaube, es gar nicht gelesen zu haben. Sie habe in der Presseaussendung deswegen von 14 Personen gesprochen, weil diese Zahl in der LEL so genannt worden sei. Sie habe die Informationen, die in der LEL in Bezug auf die Anzahl der infizierten Personen kursierten, in der Medienmitteilung aktualisiert. Ihrer Meinung nach sei die Zahl, nämlich nunmehr 14 und nicht 8 Personen, jene Information gewesen, über die die Expert*innen in der LEL tatsächlich diskutiert hätten.

Bezüglich der Abänderung des wörtlichen Zitates des Landessanitätsdirektors könne sie eine zeitliche Einordnung aus ihrer Erinnerung nicht mehr vornehmen, es sei aber jedenfalls die Medienmitteilung in der finalen Form auch von HR Dr. Franz K*** freigegeben worden.

Bettina S*** BA MSc schloss anlässlich ihrer Einvernahme dezidiert aus, dass die Informationen aus Island bewusst nicht in die Medienmitteilung aufgenommen worden seien. Es gab aus ihrer Sicht auch keine Versuche des TVB oder sonstiger Stellen, Institutionen oder Personen, Presseaussendungen oder die Öffentlichkeitsarbeit etwa mit Rücksicht auf wirtschaftliche Folgen in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Auch Mag. Florian K*** erklärte, dass es keine Beeinflussungsversuche von Verantwortlichen des TVB Paznaun-Ischgl, eines anderen Tourismusverbandes oder gar eines Seilbahnunternehmens gegeben habe. Die Einbindung des TVB Paznaun-Ischgl in dieser konkreten Konstellation war aus seiner Sicht sehr sinnvoll und nicht ungewöhnlich. Es sei so gewesen, dass einige Informationen gerade in der Anfangszeit bezüglich der Gäste aus Island über den TVB an die zuständigen Behörden gelangt seien, dass also die Verantwortlichen des TVB über Mitgliedsbetriebe, wie etwa Hotels, Informationen früher gehabt hätten, als die zuständigen Behörden und diese sodann an die Behörden weitergeleitet hätten.

Der diesbezügliche Informationsaustausch war nach Ansicht von Mag. K*** aus fachlicher Sicht durchaus sinnvoll, weil auch der TVB Informationen hatte und diese dann in der Presseaussendung berücksichtigt werden konnten. Beeinflussungsversuche von Verantwortlichen des TVB Paznaun-Ischgl habe es jedenfalls nicht gegeben. Im Gegenteil seien von Seiten des TVB sämtliche Informationen, die dort vorlagen, auch an die Landeseinsatzleitung bzw. die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit übermittelt worden.

Auch Mag. Dietmar W*** stellte entschieden in Abrede, dass durch ihn oder den TVB Druck in Bezug auf die Medienmitteilungen ausgeübt worden sei. Vom TVB wurde darauf gedrängt, dass in der Pressemitteilung enthalten sein sollte, dass die betroffenen Personen aus Island selbst darauf hingewiesen hätten, dass sie sich im Flugzeug bei der Heimreise angesteckt hätten. Er habe keinen Einfluss darauf, welche Wortmeldung des Landessanitätsdirektors in einer Medienmitteilung zitiert werde, noch sei es seine Aufgabe, eine Presseaussendung des Landes zu kontrollieren.

KR Alfons P***, ein Hotelier, ehemaliger Obmann des TVB Paznaun-Ischgl und zeitweiliges Mitglied der Corona-Gruppe in Ischgl, hatte dazu ebenfalls keine Wahrnehmung.

Zu seinen bereits in Medienberichten thematisierten E-Mails vom 05.03.2020 an die Landeseinsatzleitung bzw. LAD HR Dr. Herbert F*** mit den Formulierungen „damit hätten wir Ischgl vorerst aus dem Schussfeld“ und „den Ball flach zu halten“ gab Bezirkshauptmann HR Dr. Markus M*** anlässlich seiner Einvernahme als Beschuldigter an, dass er mit diesen Formulierungen keineswegs gemeint oder darauf abgezielt habe, irgendetwas zu vertuschen oder zu verheimlichen. Vielmehr sei es einerseits damals bereits zu einer aus seiner Sicht völlig ungerechtfertigten Medienberichterstattung mit Fokus auf Ischgl gekommen, andererseits sei das E-Mail mit der Formulierung „den Ball flach zu halten“ nicht im Zusammenhang mit der Medienmitteilung zu Ischgl verschickt worden, sondern im Zusammenhang mit der Nennung des Ortes Pettneu durch die Tirol Werbung als einen Ort, in dem sich ein positiv Getesteter aufhielt.

BH HR Dr. Markus M*** schrieb wortwörtlich:

Lieber Herbert,

wir versuchen den Ball flach zu halten (es wurde nur berichtet im Tiroler Oberland, Bezirk Landeck) und die Tirol Werbung schreibt Untenstehendes (Mit Namen der Gemeinde) an alle TVB in Tirol, diese schreiben wieder sämtliche Beherbergungsbetriebe an!!!!!

Die Aufregung in Pettneu ist laut Bürgermeister groß.

Sollte die Tirolwerbung nicht nur den Text der Abt. Öff.Arbeit übernehmen?

Ist das im Sinne der LEL?

Gruß

Markus“

BH HR Dr. M*** führte in seiner Einvernahme überdies aus, dass es zum damaligen Zeitpunkt rege Diskussionen gegeben habe, was unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Vorgaben überhaupt veröffentlicht werden dürfe. So teilte die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit mit Mail vom 05.03.2020, 16:28 Uhr, auch mit, dass die betroffene Gemeinde im Bezirk Landeck nicht genannt werde, um die Persönlichkeitsrechte aller Beteiligten zu schützen.

Dass zu Beginn der Pandemie datenschutzrechtliche Bedenken in verschiedensten Konstellationen auftraten, bestätigt auch LAD HR Dr. Herbert F***, etwa im Zusammenhang mit Informationsweitergaben an niedergelassene Ärzt*innen oder Gemeinden.

In diesem Zusammenhang wird die Meinung der Unabhängigen Expertenkommission des Landes Tirol geteilt, dass eine ausschließliche Ansteckung im Flugzeug nicht den Tatsachen entsprechen kann. Der Medienmitteilung wurde ein privates E-Mail zugrunde gelegt. Der bereits vor Abreise mitgeteilte Symptombeginn und die Rückreise an zwei unterschiedlichen Tagen fanden in der Pressemeldung keinen Niederschlag.

Das wörtliche Zitat des Landessanitätsdirektors, wonach es unter Annahme der Ansteckung im Flugzeug wenig wahrscheinlich sei, dass diese Ansteckungen in Tirol erfolgt seien, erklärte HR Dr. Franz K*** anlässlich seiner Anhörung vor der Expertenkommission damit, dass er sich an der Faktenlage orientiert habe. Es habe nämlich in Ischgl zum damaligen Zeitpunkt keinen einzigen Verdachtsfall oder gar Erkrankten gegeben. Demgegenüber stehe aber ein nachgewiesener Erkrankungsfall beim Retourflug der Isländer*innen. Für ihn seien die Ansteckung im Flugzeug und die Ansteckungen der Gäste untereinander daher die wahrscheinlichere Variante gewesen. Auch der als Zeuge einvernommene Amtsarzt der BH Landeck, Dr. Karl E***, erachtete die Ansteckung im Flugzeug als durchaus plausible Möglichkeit, weshalb die Einschätzung der Expertenkommission in Bezug auf die medizinische Aussage in der Presseaussendung nicht in der dort ausgestellten Schärfe geteilt wird.

Die Expertenkommission kritisierte die Medienmitteilung vom 08.03.2020 vor allem deshalb, weil in dieser der positiv getestete Kellner des Apres-Ski Lokals „K***“ nicht als Kellner, sondern als Barkeeper mit augenscheinlich weniger direktem Gästekontakt qualifiziert wurde. Dabei wird allerdings übersehen, dass bereits in der Presseaussendung vom 07.03.2020 mitgeteilt wurde, dass der infizierte 36-Jährige in einer Bar in Ischgl arbeitete. Zusätzlich erfolgte am 08.03.2020 ein öffentlicher Aufruf an alle Personen, die sich vom 15.02.2020 bis 07.03.2020 in der Bar aufgehalten hatten, ihren Gesundheitszustand zu beobachten.

Warum der 36-jährige Angestellte des „K***“ als Barkeeper und nicht als Kellner bezeichnet wurde, konnte nicht aufgeklärt werden. Mag. Florian K*** erinnerte sich, dass auch in der LEL stets von einem Barkeeper die Rede gewesen sei. Er selbst habe erstmals anlässlich seiner Anhörung vor der Expertenkommission Kenntnis davon erlangt, dass Sören O*** kein Barkeeper, sondern Kellner im Lokal „K***“ gewesen sei. Er könne ausschließen, dass von ihm aus Eigenem oder auf Anweisung anderer Personen bewusst und mit Absicht „Barkeeper“ anstelle von „Kellner“ geschrieben wurde.

Kritik wurde auch an der medizinischen Einschätzung der Landessanitätsdirektion, wonach eine Ansteckung von Gästen eher unwahrscheinlich sei, geäußert. Diese medizinische Einschätzung ist jedoch unter Berücksichtigung der Ausführungen von Dr.in Anita L***-H*** anlässlich ihrer Befragung vertretbar.

Die Medizinerin wies auf die damals in Geltung stehende Kontaktpersonennachverfolgungsrichtlinie hin, der zufolge angenommen wurde, dass eine geringe Ansteckungswahrscheinlichkeit bei Personen bestehe, wenn sie unter 15 Minuten in zwei Metern Abstand Kontakt gehabt hätten. Davon sei die Landessanitätsdirektion ausgegangen. Sie selbst habe angenommen, dass sich der Kellner nicht länger als 15 Minuten in einem Abstand von unter 2 Metern bei den Gästen aufgehalten, sondern diese lediglich bedient habe.

Die Bezirksverwaltungsbehörde hat ihre Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung unabhängig von dieser Pressemeldung am 08.03.2020 gesetzt. Es wurden Abstriche vom gesamten Servicepersonal, welches teilweise Symptome zeigte, und vom gesamten Küchenpersonal, welches symptomlos war, gemacht. Es darf nicht vergessen werden, dass damals auch die Influenzawelle in Tirol ihren Höhepunkt erreicht hatte.

Die Expertenkommission kam insgesamt zum Schluss, dass die tatsachenwidrige Medienmitteilung vom 05.03.2020 und die Bezeichnung des Kellners als Barkeeper in der Medienmitteilung vom 08.03.2020 Indizien für das Bemühen seien, einen von der Realität abweichenden Sachverhalt zu konstruieren, um die Lage in Ischgl in einem milderen Licht erscheinen zu lassen.

Diese Schlussfolgerung kann nach den Ermittlungsergebnissen nicht geteilt werden: Zunächst ist festzuhalten, dass die Medienarbeit zu Beginn der Pandemie, insbesondere nach Auftreten der ersten positiv Getesteten, überaus herausfordernd war. Dabei bestand – nicht zuletzt auf Grund der sogleich einsetzenden Medienberichterstattung und der unverkennbaren Verunsicherung in der Bevölkerung – ein Spannungsverhältnis zwischen dem Bedürfnis auf möglichst rasche Information der Bevölkerung und dem Anspruch, alle Informationen auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen; all dies vor dem Hintergrund sich rasch ändernder Informationen, sodass nicht nur ein erheblicher Zeitdruck bestand, sondern auch die Wahl eines im Sinne vollständiger und nicht sogleich wieder überholter Information geeigneten Zeitpunktes überaus schwierig war. Wie dargestellt gingen insbesondere am Nachmittag des 05.03.2021 eine Vielzahl von Mitteilungen zu den in Island positiv getesteten Personen ein, wobei die Informationsbeschaffung durch Mitarbeiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit durch Anwesenheit bei der LEL erfolgte und wohl nur so sichergestellt werden konnte. Wenngleich wie ersichtlich in der Presseaussendung vom 05.03.2020 zum Zeitpunkt der Verlautbarung bereits verfügbare und für die Beurteilung durchaus relevante Umstände (Rückreise der sodann positiv getesteten Personen an zwei verschiedenen Tagen sowie Auftreten von Symptomen bei einem Betroffenen bereits am 26.02.) nicht genannt wurden und eine ausgehend davon durchaus angreifbare Beurteilung (Ansteckung im Flugzeug und unter dieser Annahme geringe Wahrscheinlichkeit von Ansteckungen in Tirol) wiedergegeben wurde, so ist doch festzuhalten, dass die Information der Ansteckung in einem Flugzeug von einer gerade zu Beginn wesentlichen Informationsquelle stammte und auch die erst kurz vor Verlautbarung der Presseaussendung eingelangte Information über 14 positiv getestete Personen in Island verwertet wurde. Angesichts dessen sowie unter Berücksichtigung der gerade am 05.03.2020 gegebenen besonderen Beanspruchung der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit und der unübersichtlichen Informationslage ist die Schilderung der Verfasserin Bettina S*** BA MSc, wonach sie sämtliche ihr bekannten Informationen verwertet habe, durchaus plausibel. Zudem bestehen – über die bloßen und pauschalen Behauptungen in Anzeigen und Medienberichten hinaus, wie dies auch im Bericht der Expertenkommission festgehalten wurde – keine Hinweise auf Beeinflussungen der Öffentlichkeitsarbeit.  

Letztlich hat weder diese noch eine andere Medienmitteilung die Vorgangsweise der für die Pandemiebekämpfung ausschließlich zuständigen Behörde in ihrer Arbeit und der von ihr in Zukunft zu treffenden Veranlassungen gegen die Ausbreitung des Virus beeinflusst, sodass insgesamt keine strafrechtliche Relevanz zu erkennen ist.

Beim kritisierten Inhalt der Pressemitteilung vom 08.03.2020, wonach eine Ansteckung der Gäste eher unwahrscheinlich sei, ist zu berücksichtigen, dass vor allem unter Berücksichtigung der in Geltung stehenden Kontaktpersonennachverfolgungsrichtlinie berechtigt davon ausgegangen werden konnte, dass es sich um eine mitarbeiterinterne Infektionskette handelte. Nach Vorliegen der weiteren positiven Testergebnisse des Personals des Lokals wurden von der Gesundheitsbehörde umgehend weitere Maßnahmen gesetzt, sodass ihre Arbeit in Bezug auf die Pandemiebekämpfung auch durch die zitierte Pressemitteilung nicht tangiert wurde.

Auch die Ermittlungen im Zusammenhang mit der Presseaussendung vom 09.03.2020 brachten keinen Hinweis auf Interventionen zu Tage.

In diesem Zusammenhang ist auch auf jene Vorwürfe einzugehen, wonach der TVB Paznaun-Ischgl bzw. das Land Tirol anreisende bzw. direkt anfragende Gäste nicht über das wahre Ausmaß der Epidemielage in Kenntnis gesetzt hätten. Mag. Dietmar W*** gab anlässlich seiner Einvernahme als Zeuge an, dass seitens des TVB im Zusammenhang mit Gästeanfragen während der gesamten Woche ab 09.03.2020 auf die Informationen der Tirol Werbung verwiesen worden sei. Er bzw. der TVB habe sich nicht veranlasst gesehen, entgegen den öffentlichen Bekanntmachungen des Landes bzw. der Tirol Werbung etwas Anderes zu sagen und habe man demnach gleichlautend informiert.

Festzuhalten ist überdies, dass sich ab der öffentlichen Bekanntmachung der Schließung des Lokals „K***“ zahlreiche bereits abgereiste Gäste, die in ihren Heimatländern positiv getestet worden waren, beim TVB bzw. dessen Mitgliedsbetrieben meldeten. Diese Mitteilungen bzw. Informationen wurden seitens des TVB umgehend der Polizeiinspektion Ischgl und auch der Bezirkshauptmannschaft Landeck zur Kenntnis gebracht, was wiederum gegen die in den Medien kolportierten Vorwürfe der Vertuschung und Verheimlichung spricht.

 

4.5. Bezirkshauptmannschaft Imst bzw. die Gemeinde Sölden

 

Aufgrund der in diversen Anzeigen erhobenen pauschalen Behauptungen wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens geprüft, ob unbekannte Verantwortliche der Bezirkshauptmannschaft Imst dadurch, dass sie grundsätzlich angezeigte Vorkehrungen und Maßnahmen nach Bekanntwerden der ersten Hinweise, Verdachts- und Erkrankungsfälle bis zur Verhängung der Quarantäne nicht sogleich getroffen hätten, Handlungen vorsätzlich oder auch fahrlässig unterlassen oder auch allenfalls begangen hätten, die geeignet gewesen wären, die Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit unter Menschen herbeizuführen.

Die erste konkrete Befassung der BH Imst mit COVID-19 erfolgte bereits am 29.01.2020 durch eine über das BMSGPK und die Landessanitätsdirektion weitergeleitete Mitteilung der bayerischen Behörden, der zufolge eine dort am Vortag positiv getestete Frau vom 24. bis 26.01.2020 trotz leichter Grippesymptomatik auf der D*** Hütte im Kühtai in einem Lager mit etwa 16 ihr unbekannten Personen genächtigt habe. Die Amtsärztin versuchte sogleich, Kontakt mit der Wirtin der D*** Hütte aufzunehmen, was erst am nächsten Tag gelang. Nach Mitteilung des Namens der positiv getesteten Frau wurde – zuvor war dies nicht möglich, weil mehrere Lager der genannten Größe bewirtschaftet werden – über Veranlassung der Amtsärztin von der Hüttenwirtin eine Liste der gleichzeitig mit der positiv getesteten Frau dort aufhältig gewesenen Personen erstellt, die alle in Deutschland wohnhaft waren und deshalb über die Landessanitätsdirektion den deutschen Behörden mitgeteilt wurden. Die Hüttenwirtin und das Personal wurden zur Beobachtung des Gesundheitszustandes samt Führung eines entsprechenden Tagebuches aufgefordert. Nachdem die positiv getestete Frau mitgeteilt hatte, dass sie ausschließlich mit der Hüttenwirtin allenfalls einen länger als 15 Minuten dauernden Kontakt bei der An- und Abmeldung gehabt habe, wurde diese – entsprechend den damals herangezogenen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts – als Kategorie I - Kontaktperson eingestuft und mit Bescheid vom 31.01.2020 abgesondert.

Gesundheitsbehördliche Erhebungen von einigem Umfang erforderte die am 09.03.2020 vom Betreiber eines Hotels in Ötz an die Leitstelle Tirol gemeldete Information, dass zwei bis zum 28.02.2020 dort aufhältige holländische Gäste in Holland positiv getestet worden seien. Obwohl diese Mitteilung erst um 21:58 Uhr bei der BH Imst einlangte, wurden noch am selben Abend die erforderlichen Erhebungen durchgeführt. Weil bei den festgestellten Kontaktpersonen die Inkubationszeit von 14 Tagen bereits abgelaufen war, wurden diese nur zur Beobachtung ihres Gesundheitszustandes aufgefordert und eine Desinfektion des von den positiv getesteten Personen bewohnten Appartements veranlasst. Trotz Fehlens eines Kontaktes von mehr als 15 Minuten Dauer wurde zudem die Testung eines Zimmermädchens, das relevante Symptome hatte, veranlasst. Das Ergebnis dieses Tests war negativ..

Am 10.03.2020 teilte ein deutscher Urlaubsgast der Gemeinde Sölden mit, dass er mit einer sechsköpfigen Reisegruppe bis 03.03.2020 in Sölden auf Urlaub gewesen und nach seiner Rückkehr nach M*** positiv getestet worden sei. Die Gemeinde Sölden leitete diese Information sofort an die LSD weiter, die ihrerseits unverzüglich die BH Imst verständigte. Die Kontaktpersonennachverfolgung wurde umgehend unternommen, wobei anhand der geltenden Kriterien wiederum keine Kategorie I - oder Kategorie II - Kontaktpersonen in Erfahrung gebracht werden konnten. Die Mitarbeiter*innen, die Reinigungsarbeiten in dem vom Gast genutzten Appartement durchführten, wurden als Kategorie III - Kontaktpersonen eingestuft.

Ebenfalls am 10.03.2020 leitete die LSD eine beim BMSGPK eingelangte Meldung, wonach sich ein positiv getesteter Gast vom 06.03.2020 bis 09.03.2020 in einem Hotel in Sölden aufgehalten hätte, an die BH Imst weiter. Der Name des betroffenen Gastes wurde seitens der deutschen Behörden knapp drei Stunden später mitgeteilt. Über die Hotelbetreiber wurden bis zum frühen Nachmittag des 11.03.2020 die Daten der Mitarbeiter*innen erhoben. Noch vor Bekanntgabe der Personaldaten war von der Bezirkshauptmannschaft telefonisch erhoben worden, dass keine der Mitarbeiter*innen einen engen Kontakt mit 15 Minuten übersteigender Dauer mit dem betroffenen Gast hatte. Weil somit nur Kategorie II - Personen vorlagen, wurde auf Grund des Bekanntwerdens der positiven Testung eines praktizierenden Allgemeinmediziners in einer anderen Gemeinde und der damit bestehenden Dringlichkeit die Kontaktpersonennachverfolgung erst am 13.03.2020 fortgesetzt und sodann drei Absonderungsbescheide erlassen und zwei Verkehrsbeschränkungen angeordnet.

Am Morgen des 11.03.2020 wurde das erste positive Testergebnis im Bezirk Imst bekannt, das einen Hotelbetreiber in Sautens betraf. Die Amtsärztin klärte sogleich Symptombeginn und Kontaktpersonen ab. Noch am selben Tag wurden entsprechend den Erhebungsergebnissen Absonderungsbescheide für den Hotelbetreiber, seine Ehegattin, eine Mitarbeiterin in der Küche und eine Frühstückskellnerin erlassen.

Am Nachmittag des 11.03.2020 wurde, wie bereits erwähnt, das positive Testergebnis eines praktischen Arztes, der im Bezirk Imst mit vier weiteren Ärzt*innen eine Gemeinschaftspraxis betreibt, bekannt. Auf Grund des Umstandes, dass der Arzt bis zuletzt selbst zahlreiche Patienten betreut, aber auch Kontakt zu den anderen Ärzt*innen hatte, wurde von der Gefahr einer Cluster-Bildung ausgegangen und daher die Erhebungen zu diesem Fall prioritär geführt. Nach Abschluss der Abklärungen wurden schließlich rund 150 Kategorie I - Kontaktpersonen und rund 30 Kategorie II - Kontaktpersonen eruiert und sämtlich mittels Bescheid abgesondert.

Hinsichtlich Sölden wurden keine gesonderten Verordnungen der Bezirkshauptmannschaft erlassen. Relevant war damit die mit 11.03.2020 von der Bezirkshauptmannschaft Imst zu GZ IM-SANR-11/59-2020 erfolgte Untersagung von Veranstaltungen mit über 500 Personen außerhalb und mit über 100 Personen innerhalb geschlossener Räume. Grundlage für diese Verordnung war der Erlass des BMSGPK vom 10.03.2020 zu GZ 2020-0.172.682.

Nach § 2 der entsprechenden Verordnung waren Restaurants (gastronomische Einrichtungen hauptsächlich zugelassen für die Verabreichung von Speisen) vom Geltungsbereich ausdrücklich ausgenommen.

Der erste positiv getestete Fall in Sölden selbst war ein 72-jähriger Gast aus Usbekistan, der sich in der Woche davor in Galtür aufgehalten hatte, wobei der Abstrich im Krankenhaus Zams vorgenommen und die BH Imst am 13.03.2020 von der BH Landeck informiert wurde. Nach Erhebung der Kontaktpersonen wurden sogleich Absonderungsbescheide für den Gast und seine Gattin erlassen.

Ebenfalls am 13.03.2020 wurde der BH Imst mitgeteilt, dass sich ein Barkeeper einer Schirmbar eines Hotels in Sölden im Krankenhaus Zams einem Test unterzogen hatte, weil er von Gästen, die sich vor ihrer Abreise bei der Schirmbar aufgehalten hatten, informiert worden war, dass sie nach ihrer Rückkehr nach Deutschland positiv getestet worden waren. Daraufhin erhob die BH noch am selben Tag insgesamt 132 Kontaktpersonen und erließ 53 Absonderungsbescheide. Nach den am 15.03.2020 erfolgten weiteren Erhebungen waren im betroffenen Hotel noch 37 Gäste anwesend, die alle zur Ausfüllung von Gästeausreiseblättern angehalten wurden. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass entgegen mehreren Medienberichten und Sachverhaltsdarstellungen die BH Imst bereits am 13.03.2020 vom (damals noch bloßen) Verdacht der Infektion eines Barkeepers in Kenntnis gesetzt wurde und sogleich und umfassend reagiert hat. Auf Grund des positiv getesteten Barkeepers wurden über Vorgabe der LSD alle Mitarbeiter*innen der Schirmbar und des Hotels unabhängig von einer etwaigen Kategorisierung getestet. Nachdem am 16.03.2020 positive Testergebnisse eines in Sölden tätigen Kellners und eines dort beschäftigten Schilehrers bekannt wurden und nach den ersten Erhebungen jeweils von zahlreichen Kategorie I - Kontaktpersonen ausgegangen wurde, wurde am Abend des 17.03.2020 von der Bezirks-Einsatzleitung nach Abstimmung mit dem Büro des Landeshauptmannes eine Quarantäne für Sölden beschlossen und kurz nach 21:00 Uhr die diesbezügliche Verordnung kundgemacht und unverzüglich – durch Sperre der einzigen Zufahrtsstraße – vollzogen. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich vier positiv getestete Personen in der Gemeinde Sölden auf und waren 481 Personen, davon 330 Gäste, als Kontaktpersonen der Kategorie I qualifiziert worden.

Schon am 13.03.2020 wurde mit Verordnung zu GZ IM-SANR-11/258-2020  die Schließung sämtlicher Tourismusbetriebe (mit Ablauf des 16.03.2020) sowie das Verbot der Beförderung mit Skibussen und Seilbahnanlagen (mit Ablauf des 15.03.2020) für den gesamten Bezirk erlassen, durch die die Entscheidung des Landeshauptmannes, dass die Wintersaison in ganz Tirol an diesem Wochenende beendet werde, umgesetzt wurde.

Auf Grund einer – am Nachmittag des 14.03.2020 beim BMSGPK eingelangten und von der sogleich informierten LSD am Nachmittag des 15.03.2020 an die BH Imst weitergeleiteten – EWRS-Meldung, wonach ein deutscher Urlauber positiv getestet worden sei, der sich als Mitglied einer sechsköpfigen Reisegruppe vom 04. bis 08.03.2020 in einem weiteren Hotel in Sölden aufgehalten habe, wurden von der BH Imst umgehend die Daten allfälliger Kontaktpersonen erhoben und auch die Gästedaten aller Gäste im betroffenen Zeitraum eingefordert.

Eine inhaltlich der diesbezüglichen Verordnung der BH Landeck entsprechende Anordnung der Quarantäne erfolgte für Sölden mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 17.03.2020 zu GZ IM-SANR-11/508-2020.

Insgesamt funktionierte bei sämtlichen im Bezirk Imst aufgetretenen Verdachts- und positiv getesteten Fällen der Informationsfluss und die Zusammenarbeit zwischen den involvierten inländischen und ausländischen Behörden reibungslos und wurden von Verantwortlichen der Bezirkshauptmannschaft Imst zeitnah und umfassend alle notwendigen Abklärungen, Vorkehrungen und Maßnahmen getroffen.

Im Bereich der BH Imst sind insgesamt keine Hinweise auf Versäumnisse oder strafrechtlich relevantes Fehlverhalten hervorgekommen. Festzuhalten ist, dass die Entwicklung der Krankheitsfälle im Zuständigkeitsbereich der BH Imst im Gegensatz zu jener im Zuständigkeitsbereich der BH Landeck vergleichsweise harmlos verlaufen ist. Am Morgen des 14.03.2020 zählte die BH Imst insgesamt vier positive Fälle. Auf einlangende Meldungen wurde sogleich, umgehend und unter Beachtung der Vorgaben reagiert. Dies gilt auch und insbesondere für den ein besonderes Gefährdungsspotential aufweisenden Fall des praktischen Arztes, bei welchem nachvollziehbar die Erhebungen gegenüber den weiteren Erhebungen in einem Hotel in Sölden, wo mit Grund lediglich vom Vorliegen von Kategorie II – Kontaktpersonen ausgegangen wurde, vorgezogen und binnen kurzer Zeit abgeschlossen waren. In diesem wie auch bei den nachfolgenden Verdachts- und Erkrankungsfällen eines Barkeepers, eines Kellners und eines Schilehrers wurde die besondere Brisanz der Vielzahl der möglichen Kontaktpersonen sogleich erkannt und dementsprechend umsichtig vorgegangen, was sich nicht zuletzt auch in der Entscheidung über die Verhängung einer Quarantäne über die Gemeinde Sölden bei vergleichsweise wenigen positiven Fällen anschaulich zeigt.

Die sich auf einen Bericht der Zeitung „Norderlesen“ stützende Behauptung von Versäumnissen von Behörden in Tirol in mehreren Medienberichten und Sachverhaltsdarstellungen, wonach eine Reisegruppe aus B*** am 06.03.2020 infiziert aus Sölden abgereist sei, kann nach den Ermittlungsergebnissen bereits im Ansatz nicht nachvollzogen werden. Der für diesen Bericht verantwortlich zeichnende Journalist teilte der Staatsanwaltschaft nach Rücksprache mit seinem Interviewpartner mit, dass von dessen Reisegruppe weder Hotel noch Gemeinde, Tourismusverband oder BH informiert worden seien. Auch das zuständige Gesundheitsamt B*** habe über ausdrückliche Nachfrage mitgeteilt, dass die österreichischen Behörden nicht informiert worden seien, weil der Ort der tatsächlichen Infektion nicht festgestellt werden habe können.

Die in Medien kolportierten und in Sachverhaltsdarstellungen wiedergegebenen Behauptungen über verzögerte Reaktionen oder „Vertuschungen“ auch im Zusammenhang mit dem Barkeeper der Schirmbar sind ebenfalls nicht nachvollziehbar. Wie bereits dargestellt, erfuhr die BH Imst erst am 13.03.2020 von diesem Verdachtsfall. Der Barkeeper hatte sich ohne vorherige Kontaktaufnahme mit der BH eigenständig testen lassen. Nach Bekanntwerden des Verdachtsfalls und des positiven Testergebnisses wurden umgehend alle notwendigen Maßnahmen getroffen.

Es sind daher keine Hinweise auf verzögerte Reaktionen oder „Vertuschungen“ hervorgekommen, weshalb in Bezug auf Verantwortliche und den Bereich der BH Imst bereits ein Anfangsverdacht durch die vorliegenden Ermittlungsergebnisse nicht begründet werden konnte.  

 

4.6. Bezirkshauptmannschaft Landeck bzw. die Gemeinden Ischgl und St. Anton am Arlberg

 

 

Auch hinsichtlich der BH Landeck wurde zunächst ein Ermittlungsverfahren wegen der im Zusammenhang mit der BH Imst bereits dargestellten Verdachtsmomente gegen unbekannte Täter bzw. unbekannte Verantwortliche wegen des Verdachts nach § 178, 179 StGB geführt. Sodann kristallisierte sich heraus, dass die durch die Ermittlungen zu Tage getretenen Umstände im Zusammenhang mit der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Landeck zu LA-KAT-COVID-EPI/57/3-2020 vom 12.03.2020, mit der für die Bewohner[k1]  der Gemeinde Ischgl sowie für die in dieser Gemeinde aufhältigen Personen die Beförderung mit Seilbahnanlagen und mit der Abwicklung des Skibusverkehrs dienenden Kursen des Kraftfahrlinienverkehrs sowie weiters der Besuch sämtlicher im Gemeindegebiet befindlichen Gastgewerbebetriebe, die rein der Unterhaltung dienende Aktivitäten darboten, verboten wurde, weiter aufklärungsbedürftig waren. Die Auswertung der sichergestellten Unterlagen zeigte die Existenz mehrerer – sich durch den Zeitpunkt des Inkraft-Tretens unterscheidender – Ausfertigungen der gegenständlichen Verordnung. Darüber hinaus stellte sich die Frage, warum die für Verantwortliche der Bezirkshauptmannschaft Landeck erkennbare Kundmachung durch die Gemeinde Ischgl erst am 14.03.2020 und somit zwei Tage nach Zustellung der Verordnung erfolgte. Dies auch unter Berücksichtigung noch näher zu hinterfragender Eintragungen im „Einsatz-Tagebuch des COVID-19 - Krisenstabes“ der Bezirkshauptmannschaft Landeck.

Diese Umstände begründeten einen Anfangsverdacht nach §§ 178, 179 StGB gegen die in diese Vorkommnisse involvierten Werner K*** (Bürgermeister von Ischgl), HR Dr. Markus M*** (Bezirkshauptmann von Landeck) und Mag. Siegmund G*** (stellvertretender Bezirkshauptmann von Landeck).

Neben dieser, in weiterer Folge als „SkigebietsschließungsVo“ bezeichneten, Verordnung ergaben sich auch in Bezug auf die am 13.03.2020 verordnete Quarantäne Verdachtsmomente dahingehend, dass Verantwortliche der BH Landeck auf die angekündigte Quarantäne zu spät bzw. nicht hinreichend reagiert hätten. Dieser Anfangsverdacht richtete sich einerseits gegen BH HR Dr. Markus M*** und seinen an einer, die beabsichtigte Quarantäne betreffenden Besprechung am Vormittag des 13.03.2020 teilnehmenden und mehrere mündliche Anordnungen treffenden Stellvertreter Mag. Siegmund G***.

Des Weiteren bestand ein Anfangsverdacht wegen §§ 178, 179 StGB auch gegen den Referenten der Bezirkshauptmannschaft Landeck, Mag. Bernd T***, der am Abend des 13.03.2020 Verantwortlichen des Bezirkspolizeikommandos Landeck eine Geltung der „Quarantänebestimmungen“ erst ab dem Folgetag, nämlich ab 14.03.2020, 07:00 Uhr, mitgeteilt haben soll.

 

4.6.1.  Die Maßnahmen nach Bekanntwerden der positiv getesteten Isländer*innen und die Sonntagsöffnung des „K***“

 

a) „Die Isländer*innen“

 

Am 04.03.2020 kurz vor Mitternacht übermittelte Island über den europaweiten Kommunikationskanal EWRS an Österreich (BMSGPK) eine Nachricht mit dem Wortlaut „Dear Colleagues. I would like to pay your attention to two COVID-19 clusters in Iceland originating from Northern Italy and Austria. Since the 28th of February we have diagnosed: 1) 18 Icelandic individuals from skiing areas in Italy, Trentino, 17 in Selva and 1 in Madonna. All with mild symptoms. 2) 8 Icelandic Individuals from the skiing area in Austria, Ischgl. All with mild symptoms. More cases are expectet in the next days to come.“. Diese Information wurde bereits am 05.03.2020, um 00:32 Uhr, vom BMSGPK an die Landeseinsatzleitung Tirol weitergeleitet. Um 08:02 Uhr ersuchte die LSD Tirol das BMSGPK um weiterführende Informationen, insbesondere um Mitteilung, wann, wie lange und in welchen Beherbergungsbetrieben die acht positiv getesteten isländischen Staatsangehörigen in Ischgl gewesen seien, welche Kontakte sie anlässlich ihres Aufenthaltes und in welcher Dauer gehabt hätten und ob allenfalls Verbindungen zu bis dato bekannten Risikogebieten, insbesondere Italien, festgestellt worden seien. Um 15:58 Uhr wurden die ergänzenden Informationen aus Island an die LSD weitergeleitet. Demnach habe bei 14 positiv getesteten Personen ein Zusammenhang mit einem Schiurlaub in Ischgl bestanden und seien zwei Personen am 21.02.2020 angereist und am 01.03.2020 über München abgereist, die ab 26.02.2020 beziehungsweise 03.03.2020 erste Symptome entwickelt hätten. Weitere 12 Personen seien am 29.02.2020 und 01.03.2020 nach Island zurückgekehrt und hätten, bis auf einen Fall, ab 02.03.2020 beziehungsweise 03.03.2020 erste Symptome entwickelt. Darüber hinaus waren zwar keine Namen der positiv getesteten Personen, aber die Beherbergungsbetriebe, in welchen diese ihren Aufenthalt verbracht hatten, angeführt.

Unabhängig davon hatte ein isländischer Gast am Abend des 03.03.2020 und am Abend des 04.03.2020 zwei Beherbergungsbetrieben in Ischgl mitgeteilt, dass insgesamt fünf bei ihnen aufhältig gewesene Gäste positiv auf Corona getestet worden seien. Auf Nachfrage gab er an, dass die Reisegruppe am Samstag (somit dem 29.02.2020) mit dem Flugzeug von München nach Island geflogen sei, die ersten Symptome am Sonntag beziehungsweise am Montag (also am 01.03.2020 und am 02.03.2020) aufgetreten seien und dass sich im Flugzeug eine aus einem italienischen Schigebiet kommende, infizierte Person befunden habe („We were notified by the airline on Sunday that there was an infected person on the plane (he was not in our group and we do not know him). This man came from a ski resort in ltaly.“). Diese Korrespondenz wurde von beiden Beherbungsbetrieben am Nachmittag des 05.03.2020 an den TVB Paznaun-Ischgl, von diesem kurz darauf an die Polizeiinspektion Ischgl und über diese sogleich an die BH Landeck und die Landeswarnzentrale Tirol weitergeleitet.

Weiters wurde dem TVB Paznaun-Ischgl unabhängig davon am Vormittag des 05.03.2020 von einem Gast per E-Mail ein Zeitungsartikel übermittelt, demzufolge eine Urlaubergruppe von acht Personen nach vorherigem Aufenthalt in Ischgl positiv auf Corona getestet worden sei. Kurz darauf meldete sich über Anfrage des Geschäftsführers des TVB, Mag. Dietmar W*** auch die isländische Gesundheitsdirektion telefonisch und teilte über entsprechendes Ersuchen dem TVB Paznaun-Ischgl am 05.03.2020, um 17:51 Uhr, per E-Mail mit, dass 14 Fälle in Island kürzlich in Ischgl gewesen seien, wobei diese zwischen 21.02.2020 und 26.02.2020 nach Ischgl angereist seien. Der Großteil der Betroffenen habe erst nach der Rückkehr nach Island Symptome entwickelt. Sie seien in fünf unterschiedlichen Hotels untergebracht gewesen. Die Namen der Betroffenen und der Hotels würden den österreichischen Behörden übermittelt. Bereits auf Grund der ersten Mitteilungen wurde zu Mittag eine Sitzung der Verantwortlichen des TVB mit Entscheidungsträgern der Gemeinde Ischgl sowie der örtlichen Polizei abgehalten und von letzterer der Einsatzstab der Landespolizeidirektion Tirol und die BH Landeck informiert. Der TVB erhob sodann über das elektronische Gästemelderegister die Hotels, in denen im angegebenen Zeitraum isländische Gäste abgestiegen waren, wodurch 14 Hotels ermittelt wurden.

BH HR Dr. M*** war zu diesem Zeitpunkt durch die LEL von der Mitteilung der isländischen Behörden und der entsprechenden Rückfrage um konkrete Informationen in Kenntnis und ordnete gegen 14:00 Uhr die Erhebung aller Gästedaten von isländischen Staatsangehörigen vom 10.02.2020 bis zum 05.03.2020 durch die Polizeiinspektion Ischgl an. Den Umstand, dass er diese Erhebungen in Auftrag gegeben hatte, teilte er wiederum der LEL mit. Um 15:00 Uhr wurden die bereits erwähnten Mitteilungen an zwei Beherbergungsbetriebe bekannt, woraufhin BH HR Dr. M*** die prioritäre Behandlung der Meldedaten der beiden Hotels anordnete. Nach Einlangen der Mitteilung der isländischen Behörden mit Nennung der weiteren konkreten Beherbergungsbetriebe in Ischgl  beauftragte die BH Landeck die Polizeiinspektion Ischgl mit der Einholung und Übermittlung der Meldedaten der fünf angeführten Hotels.

Sodann wurden – mangels Kenntnis der Namen der positiv getesteten Gäste – die Daten der erhobenen 90 isländischen Gäste, die sich zwischen 10.02.2020 bis 05.03.2020 in Ischgl aufgehalten hatten, mit den Patientendaten des ortsansässigen Arztes Dr. Andreas W*** verglichen und überprüft, ob etwaige für COVID-19 typische Symptome bei der Behandlung vorlagen. Dabei wurde festgestellt, dass nur zwei isländische Personen in Behandlung waren, jedoch nicht in Zusammenhang mit für COVID-19 typischen Symptomen. Auf Nachfrage durch den Arzt Dr. Andreas W*** teilten sie mit, dass sie keine Symptome hätten und nicht getestet worden seien.

Wie die österreichische Botschaft in Kopenhagen ebenfalls am späten Nachmittag des 05.03.2020 (unter anderem auch dem Büro des Landeshauptmannes) mitteilte, stufte die isländische Gesundheitsbehörde Ischgl als „High Risk Area“ ein und riet von nicht notwendigen Reisen dorthin ab.

Am frühen Abend des 05.03.2020 wurden die Daten der von der Polizeiinspektion Ischgl erhobenen isländischen Gäste an den Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Landeck übermittelt. Am frühen Nachmittag des 06.03.2020 langten bei diesem auch die von den isländischen Behörden übermittelten Namen der Betroffenen ein, welche der Polizeiinspektion Ischgl weitergeleitet wurden. Durch die sodann am Nachmittag durchgeführte Abklärung der möglichen Kontaktpersonen in den betroffenen Hotels wurde nur ein Zimmermädchen bekannt, das seit einer Woche an leichtem Husten und Halsweh litt. Der davon verständigte Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Landeck ordnete an, dass dieses Zimmermädchen in seinem Personalzimmer verbleiben und nicht arbeiten solle. Sie sei als Verdachtsfall zu behandeln und eine Testung zu veranlassen.

Ebenfalls am Nachmittag des 06.03.2020 (17:49 Uhr) teilte die von der Polizeiinspektion Ischgl bereits am Vortag um weitere Informationen ersuchte isländische Reiseleiterin mit, dass mittlerweile 15 Personen der 51‑köpfigen Reisegruppe positiv getestet worden seien; eine Gemeinsamkeit in Ischgl sei gewesen, dass 12 Personen der Reisegruppe, von denen nunmehr 10 als infiziert bestätigt worden seien, am Abend des 27.02.2020 gemeinsam im Lokal „K***“ zu Abend gegessen hätten.

Auch die LEL beschäftigte sich seit Bekanntwerden der Verdachtsfälle im Zusammenhang mit isländischen Tourist*innen, die aus Ischgl zurückgekehrt waren und in Island positiv auf das Corona-Virus getestet wurden, laufend mit dieser Thematik. Anlässlich der Sitzung am 05.03.2020, ab 10:12 Uhr, informierte HR Dr. Franz K*** über die Mitteilung aus Island und strich hervor, dass bislang die für eine weitere Beurteilung notwendigen Informationen fehlen würden. In einer weiteren Sitzung am selben Tag gegen 18:40 Uhr erklärte HR Dr. Franz K*** den weiteren Mitgliedern der LEL, dass die Namen der betroffenen Gäste immer noch nicht bekannt seien. Zwischenzeitig seien jedoch die Rückreisedaten am 29.02.2020 und 01.03.2020 über München bekannt und dass sich im Flugzeug eine erkrankte Person aufgehalten habe. Allfällige Kontaktpersonen in Tirol seien überschaubar. Theoretisch sei es möglich, dass eine erkrankte Person im Flugzeug 11 andere Personen anstecke. Laut Mitteilung des Vertreters der LPD Tirol in der LEL wurden 90 mögliche Kontaktpersonen[8] vom TVB Ischgl gemeldet. Mag. Florian K*** informierte die LEL, dass Ischgl in isländischen Medien als Krisengebiet genannt werde. Seitens des Landes Tirol sei bereits eine Medienmitteilung hinausgegeben worden und wurde in dieser auch auf die noch weiter notwendigen Abklärungen hingewiesen. Darüber hinaus setzte Mag. Florian K*** die LEL davon in Kenntnis, dass in den zukünftigen Medienmitteilungen auch die betroffene Gemeinde namentlich genannt werden würde.

Dass seitens der LEL über alle verfügbaren Kanäle versucht wurde, nähere Daten aus Island zu erhalten, zeigt auch der Umstand, dass der Büroleiter des Landeshauptmannes, Florian T*** MSc MBA, von Seiten des Stabes der LEL gebeten wurde, auch auf politischer Ebene zu versuchen, weitere Informationen und Details bezüglich der positiv getesteten Isländer*innen zu erhalten. Er wurde auch ersucht die Dringlichkeit der Informationsbeschaffung auf Bundesebene zu deponieren und die Priorisierung der Informationsbeschaffung zu gewährleisten.

Neben Florian T*** MSc MBA urgierte insbesondere auch LAD HR Dr. Herbert F*** beim Leiter der Abteilung staatliches Krisen- und Katastrophenmanagement und Koordination zivile Sicherheit im Innenministerium, MR Mag. Robert S***, mehrfach weitere Daten aus Island, und forderte dieser selbst weitere Datenübermittlungen aus Island über das Gesundheitsministerium an.

Am 06.03.2020 forderte LH Günther P*** anlässlich der Sitzung der LEL, dass die Fälle in Ischgl dringend abzuklären seien. Dass die Datenübermittlung aus Island nur sehr schleppend erfolgte, erschließt sich auch aus dem Protokoll der Stabssitzung der LEL vom 06.03.2020, 10.30 Uhr. LAD HR Dr. Herbert F*** erklärte, dass man ohne weitere Daten aus Island nicht von allen Personen Bewegungsprofile erstellen könne. Dies würde die Kapazitäten sprengen. Am Abend des 06.03.2020 teilte Landessanitätsdirektor HR Dr. Franz K*** im Zuge der Stabssitzung der Landeseinsatzleitung mit, dass der zuständige Amtsarzt alle Hotels, die Isländer*innen beherbergt hätten, abgeklärt habe. Lediglich eine Angestellte weise Symptome auf und sei bereits getestet worden.

Wenn im Rahmen der Anzeigen oder medial in Bezug auf die Kontakterhebungen in den Ischgler Hotels wiederholt auf das konträre Vorgehen betreffend das Hotel E***, welches vermeintlich geschlossen worden sein soll, hingewiesen wurde, ist dem einerseits ein E-Mail des Landessanitätsdirektors an das Gesundheitsministerium entgegen zu halten, wonach HR Dr. Franz K*** am 27.02.2020 dem Ministerium bestätigte, dass in Bezug auf das Hotel E*** auch die gesunden engen Kontaktpersonen in dieser speziellen Situation ausnahmsweise getestet wurden. Andererseits ergibt sich aus einer Mitteilung der Landeswarnzentrale vom 25.02.2020 um 22:16 Uhr, dass Dr.in Anita L***-H*** der LWZ mitgeteilt habe, dass die Aktion im G*** Hotel E*** um 21:45 Uhr beendet worden und das Hotel seit diesem Zeitpunkt wieder offiziell geöffnet sei. Die medial kolportierte Schließung des Hotels E*** in Innsbruck entspricht daher nicht den Tatsachen.

Darüber hinaus wäre eine Schließung der Hotels von den Vorgaben des § 20 Abs. 3 EpG, nicht gedeckt gewesen. Eine Betriebsschließung ist nämlich erst dann zu verfügen, wenn ganz außerordentliche Gefahren diese nötig erscheinen lassen. Amtsarzt Dr. Karl E*** zog die Schließung der Hotels gar nicht in Erwägung. Ein derartiges Vorgehen wäre aus seiner Sicht unvertretbar gewesen. Es mache keinen Sinn, einen Ort, an dem sich eine infizierte Person aufgehalten habe, ohne weitere Informationen einfach mit der Begründung, dass es hier ein Infektionsgeschehen gegeben habe, zu schließen. Unerlässlich für eine derartige Entscheidung sei das Contact-Tracing, das jedoch an den isländischen Behörden gescheitert sei. Es wäre notwendig, die betroffene Person zu fragen, wo sie sich aufgehalten hatte, mit wem sie in Kontakt gestanden sei, wie lange dieser Kontakt erfolgt sei, etc. Es sei überdies zum damaligen Zeitpunkt auch nicht bekannt gewesen, wann die Ansteckungen erfolgt seien.

Nachdem die infizierten Isländer*innen bereits außer Landes waren und aus den Kontakterhebungen in den betroffenen Hotels lediglich ein Verdachtsfall, der in weiterer Folge negativ getestet wurde, resultierte, stellte sich für die Verantwortlichen der BH Landeck die Frage, wie ohne direkte Kontaktaufnahme mit den isländischen Infizierten ein allfälliger Verdachtsfall bzw. weitere Kontaktpersonen eruierbar wären. Dr. Karl E*** war der Überzeugung, dass, sollte es in Ischgl tatsächlich weitere Krankheitsfälle geben, diese auch auffindbar sein müssten. Er wies daher in Absprache mit BH HR Dr. Markus M*** den vor Ort ansässigen praktischen Arzt Dr. Andreas W***, der selbst nicht als Epidemiearzt bestellt worden war, unter Außerachtlassung der strengen Falldefinition des Gesundheitsministeriums an, bei allen Patient*innen mit COVID-typischen Symptomen einen PCR-Abstrich durchzuführen. Demnach wurde nicht auf den klar definierten Indexfall, sondern ausschließlich auf das Auftreten von Symptomen abgestellt. Diese Vorgehensweise hielt Dr. Karl E*** für geeignet, allfällige positive Fälle, insbesondere unter den Mitarbeiter*innen von Tourismusbetrieben, rasch feststellen zu können.

Durch die von der strengen Falldefinition abweichende Vorgehensweise konnte schließlich der erste positive Fall in Ischgl festgestellt werden, nämlich Sören O***. Sören O*** wurde nicht deshalb getestet, weil bereits bekannte Hinweise auf das „K***“ vorlagen, sondern ausschließlich aufgrund seiner Symptome

Sören O***, der als Kellner im Lokal „K***“ arbeitete, litt zunächst an milden Kopfschmerzen, ab dem 06.03.2020 hatte er dann starke Kopfschmerzen, aber keinen Husten. Er wurde am 06.03.2020 von seinem Vorgesetzten nach Hause geschickt und am 07.03.2020 in der Früh durch den Gemeindearzt der Gemeinde Ischgl, Dr. Andreas W***, getestet, obschon er nicht unter die damals geltende Verdachtsfalldefinition fiel. Nur die Entscheidung von Dr. Karl E***, von der strengen Verdachtsfalldefinition abweichend vorzugehen, ermöglichte es, den ersten positiven Fall in Ischgl selbst überhaupt festzustellen. 

Zusammengefasst ist daher festzuhalten, dass durch die Verantwortlichen der BH Landeck den entsprechenden Hinweisen aus Island umgehend und umfassend nachgegangen wurde. Man hatte versucht, Kontaktpersonen zu identifizieren, was wegen der bereits erfolgten Abreise der in Island positiv getesteten Gäste erheblich erschwert war. Um allfällige Kontaktpersonen zu erheben, wurden die Verantwortlichen aller  Hotels, die isländische Gäste beherbergt hatten, von Beamten der Polizeiinspektion Ischgl nach Abstimmung mit der Bezirkshauptmannschaft dazu befragt, ob Mitarbeiter*innen oder allenfalls auch Gäste Krankheitssymptome aufweisen würden. Darüber hinaus wurden mit Blick auf allenfalls mögliche Übertragungen über Oberflächen alle in Frage kommenden Reinigungskräfte als mögliche Kontaktpersonen befragt. Die derart identifizierte und Symptome aufweisende Kontaktperson Cornelia R*** (Zimmermädchen in einem betroffenen Hotel) wurde abgesondert und ihre Testung veranlasst, welche ein negatives Ergebnis erbrachte.

b) Die Sonntagsöffnung des „K***“

 

Während die Unabhängige Expertenkommission des Landes Tirol zum Schluss kam, die Verantwortlichen der Bezirkshauptmannschaft Landeck hätten die Verdachtslage und die Testergebnisse betreffend Mitarbeiter*innen und Gäste des Apres-Ski Lokals „K***“ falsch als abgrenzbares Ereignis eingeschätzt und hätte das Lokal „K***“ jedenfalls bereits am 08.03.2020 geschlossen werden müssen, kann diese Einschätzung der Beurteilung im Strafverfahren nicht zu Grunde gelegt werden.

Am 08.03.2020 stand zunächst lediglich fest, dass ein Kellner des Lokals „K***“, nämlich Sören O***, positiv getestet worden war. Bereits am Abend des 07.03.2020 gegen 20:00 Uhr - unmittelbar nach Bekanntwerden des positiven Testergebnisses des Sören O*** - wurden seitens der PI Ischgl insgesamt 19 Absonderungen ausgesprochen.

Am Morgen des 08.03.2020 besprach Dr. Karl E*** mit Verantwortlichen der PI Ischgl vor Ort die bereits erfolgten Absonderungen und führte nach Vorliegen der durch die PI Ischgl bereits am Vorabend abgehandelten Kontakterhebungen eine Kategorisierung der betroffenen Mitarbeiter*innen durch. Da alle 11 Personen, die gemeinsam mit dem positiv Getesteten im Service gearbeitet hatten, Symptome aufwiesen, wurden sie als Kontaktpersonen der Kategorie I eingestuft. Die Mitarbeiter*innen aus dem Service wiesen aber nicht die zum damaligen Zeitpunkt bekannten COVID-Symptome, wie Husten oder Geschmacksverlust auf, sondern klagten über Kopfschmerzen und verschlossene Nebenhöhlen.

Demgegenüber waren jene 8 Personen, die in der Küche arbeiteten, symptomfrei. Trotzdem wurden auch sie – neben den Mitarbeiter*innen im Service – einer COVID-Testung unterzogen und bis zum Vorliegen der Testergebnisse abgesondert. Festzuhalten ist daher, dass auch bezüglich der Mitarbeiter*innen in der Küche von der grundsätzlich vorgesehenen Falldefinition abgegangen wurde, indem auch diese symptomlosen Mitarbeiter*innen einer Testung unterzogen wurden. Es wurden daher sogar im Grunde genommen Gesunde aufgrund einer Einzelentscheidung der Behörde getestet.

In diesem Zusammenhang ist nochmals auf das ursprünglich vorgesehen gewesene Prozedere zu verweisen: Ein PCR-Test war nach dem verbindlichen Erlass des BMSGPK vom 28.02.2020 zu GZ 2020-0.138.290 grundsätzlich nur bei Erfüllung der Falldefinitionen (Aufenthalt in einem Risikogebiet oder Kontakt mit einem Infizierten oder Reiserückkehrer) und bei Vorliegen von Symptomen vorgesehen.

Als Beispiel für die weitgehenden Bemühungen von Dr.in Anita L***-H*** mehr und zuverlässige Informationen für eine mögliche Eingrenzung und Beurteilung des Infektionsgeschehens zu erlangen und mögliche Infektionsketten feststellen zu können, ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass sie nach Bekanntwerden des positiv getesteten Barkeepers am 08.03.2020, um 08.45 Uhr, die Isländer*innen kontaktierte und nachfragte nach, ob diese im „K***“ gewesen seien. Die entsprechende Bestätigung seitens der Isländer*innen wurde schon am 08.03.2020, um 9.42 Uhr, an Dr. Karl E*** weitergeleitet.

Neben den bereits am 07.03.2020 abgesonderten 19 Mitarbeiter*innen wurden am 08.03.2020 weitere fünf Kontaktpersonen, unter anderem 2 Gäste des Lokals, einer Testung unterzogen und ebenfalls abgesondert. Insgesamt wurden aufgrund der positiven Testung des Sören O*** 24 PCR-Abstriche durchgeführt. Nach telefonischer Rücksprache mit Dr.in Anita L***-H*** entschied Dr. Karl E*** am Vormittag des 08.03.2020, dass nach einer Auswechslung des gesamten Personals und einer durchzuführenden Desinfektion sämtlicher Oberflächen das Lokal am 08.03.2020, mit Ausnahme des Küchenbetriebs - erst nach Vorliegen der weiteren Testergebnisse sollte darüber entschieden werden, ob der Küchenbetrieb wieder aufgenommen werden könne - aufgesperrt werden könne. Zu diesem Zeitpunkt war zwar bereits bekannt, dass sich auch die infizierten Isländer*innen in der Bar aufgehalten hatten, für Ischgl selbst aber lag lediglich ein positives Testergebnis vor.

Nachdem sich Dr. Karl E*** vor Ort ein Bild von der Situation gemacht hatte, konnte er insbesondere feststellen, dass die Mitarbeiter*innen in der Küche im Hinblick auf die konkreten örtlichen Gegebenheiten eigentlich nicht unter die Kategorisierung K I fielen. Dessen ungeachtet wurden aus Vorsichtsgründen sämtliche Mitarbeiter*innen der Küche auch als K I-Personen kategorisiert und abgesondert. Zum damaligen Zeitpunkt wurde es für möglich gehalten, dass eine Schmierinfektion ein relevanter Übertragungsweg sein könnte, was im Hinblick darauf, dass auch erst am 20.01.2020 klar war, dass COVID-19 von Mensch zu Mensch übertragbar ist, durchaus nachvollziehbar ist. Dr.in Anita L***-H*** erklärte anlässlich ihrer Anhörung, dass das „K***“ per se ja nicht ansteckend gewesen sei. Man sei von einer internen Infektionskette unter den Mitarbeiter*innen ausgegangen. Außerdem sei damals jedenfalls auch der bekannte Höhepunkt der Influenzawelle in eine Beurteilung miteinzubeziehen gewesen, weswegen die Wiedereröffnung nicht zu beanstanden gewesen sei. Auch Prof. Dr. Günter W*** sieht das Aufsperren des „K***“ als fachlich richtige Vorgehensweise an.

Noch am 08.03.2020 wurde gegen 12.57 Uhr eine Presseaussendung herausgegeben, dass Personen, die das Lokal „K***“ ab 15.02.2020 besucht haben, ihren Gesundheitszustand beobachten sollen.

Dr. Karl E*** erklärte anlässlich seiner Zeugeneinvernahme, dass er selbstverständlich auch über eine Betriebsschließung nachgedacht hatte. Da eine Betriebsschließung gemäß § 20 Abs. 3 EpG erst dann zu verfügen ist, wenn ganz außerordentliche Gefahren sie nötig erscheinen lassen, wurde davon abgesehen. Der Umstand, dass bereits auch weitere Gäste  des „K***“ positiv auf Corona getestet worden waren, war zum Zeitpunkt der  Entscheidung des Amtsarztes über die  Wiedereröffnung des Lokals auch unter Berücksichtigung der E-Mails der isländischen Gäste keineswegs gesichert.  

Am Abend des 08.03.2020 fragte Dr.in Anita L***-H*** in der Klinik Innsbruck nach, ob die drei positiv getesteten Erasmusstudent*innen aus Innsbruck ebenfalls im „K***“ gewesen seien. Ein Besuch in diesem Lokal wurde noch am selben Abend bestätigt. Vor dieser konkreten Mitteilung über den Lokalbesuch war lediglich bekannt, dass diese drei positiv getesteten Norweger*innen sich bei zwei anderen in der Heimat positiv getesteten Norweger*innen angesteckt hätten und alle gemeinsam am 28.02.2020 in Ischgl und dann am Donnerstag noch im Kühtai Schi fahren gewesen seien.

Um 20:58 Uhr des 08.03.2020 - demnach lange nach der Entscheidung von Dr. Karl E*** bezüglich der Wiedereröffnung - langte bei Dr.in Anita L***-H*** ein E-Mail über das EWRS ein, wonach 4 Dän*innen in Ischgl positiv getestet worden seien. Noch am 04.03.2020 war Österreich von Dänemark als Gebiet mit geringem Risiko eingestuft worden.

Ausgehend von dem am Vormittag des 08.03.2020 bekannten Sachverhalt ist die Einschätzung des Amtsarztes, dass eine Gefahr der Verbreitung zwar von den Mitarbeiter*innen, aber nicht vom Lokal selbst ausgehen könnte und die von § 20 Abs 3 EpG als unerlässliche Voraussetzung für eine Betriebsschließung geforderten „ganz außerordentlichen Gefahren“ nicht vorlagen und demnach eine Schließung des Betriebes unverhältnismäßig gewesen wäre, ohne weiteres nachvollziehbar und plausibel und damit strafrechtlich nicht zu beanstanden. Es gab nämlich nur eine tatsächlich positiv getestete Person, Symptome bei ihren Arbeitskolleg*innen und den Aufenthalt der später in Island positiv getesteten Gäste im „K***“. Selbst bei diesen standen Krankheitsbeginn und Infektiosität nicht eindeutig fest. Die getroffenen Veranlassungen (Absonderung und Austausch des gesamten Servicepersonals, Wischdesinfektion, Schließung des Küchenbetriebs) waren aufgrund der damals noch keineswegs gesicherten Erkenntnisse über die Übertragungswege des Virus (Tröpfchen- und Schmiereninfektion sowie Bedeutung von „Superspreader-Events“ für die Ausbreitung) nicht zu bestanden und daher ausreichend.

Vor allem im Rahmen der hier anzustellenden ex-ante Betrachtung wäre eine Betriebsschließung ein zu massiver Eingriff in die Grundrechte des Betriebsinhabers gewesen, die, wie in § 20 Abs 3 EpG normiert, nur als sog „ultima-ratio“ zur Verfügung steht. Voraussetzung ist, dass der epidemiologischen Situation ansonsten mit gelinderen Mitteln nicht beizukommen ist. Lediglich ein zum Entscheidungszeitpunkt positiv getesteter Mitarbeiter konnte die Anordnung einer derart eingriffsintensiven Maßnahme nicht tragen.[9]

 

4.6.2. Schließung aller Apres-Ski-Lokale und Beendigung des Schibetriebs in Ischgl bereits am 09.03.2020?

 

Im Bericht der Unabhängigen Expertenkommission des Landes Tirol betreffend Management COVID-19-Pandemie in Tirol wird unter dem Punkt „5.4. Handlungsnotwendigkeit am 9.3.“ zusammengefasst festgehalten, dass die Verantwortlichen der Bezirkshauptmannschaft Landeck spätestens am 09.03.2020 ausreichend Informationen gehabt hätten, um die Notwendigkeit einer Verordnung erkennen zu können, mit der der Skibetrieb durch die Untersagung der Nutzung von Seilbahnen und Skibussen beendet wird. Sowohl dem Land, als auch der BH Landeck seien bis 09.03.2020 die vollständigen über EWRS gesendeten Informationen aus Island bereits seit ca. 3 Tagen vorgelegen. Demnach seien 14 Personen mit Reisegeschichte Ischgl als COVID-Fälle bestätigt. Auch Dänemark hätte über EWRS am 08.03.2020 berichtet, dass 4 heimkehrende Personen mit Exposition im Paznaun infiziert seien. Darüber hinaus hätte Dänemark am 09.03.2020 eine Reisewarnung hins. aller Reisen in die Region Ischgl herausgegeben. Am 09.03.2020 hätte Norwegen über 10 bestätigte Fälle berichtet, die aus Ischgl gekommen seien. Finnland habe an diesem Tag von 6 Fällen berichtet, die die dortige Gesundheitsbehörde mit Sicherheit Ischgl zuordnen würde.

Es sei daher im Laufe von Montag, 09.03.2020, offenkundig geworden, dass eine weitere Ausbreitung der Infektion nur durch sofortige, einschneidende Maßnahmen unterbunden werden hätte können. Der Skibetrieb hätte beendet, die Benützung von Beförderungsmitteln untersagt, sowie das Betreten von Gastgewerbebetrieben, die rein der Unterhaltung dienende Aktivitäten darbieten, verboten werden müssen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum über die verspätete Sperre des „K***“ hinaus, trotz ständig steigender Infektionszahlen noch einen Tag mit der Sperre der übrigen Apres-Ski Lokale und mehrere Tage mit der Einstellung des Skibetriebes durch das Verbot der Benützung von Seilbahnen und Skibussen zugewartet worden sei. Durch die Sperre bzw. Beendigung des Skibetriebes am 09.03.2020, mit späterer Wirkung am 10.03.2020, wäre auch der wünschenswerte Gleichklang mit der Beendigung der Skisaison in Italien mit 10.3.2020 aufgrund des Dekrets vom 09.03.2020 hergestellt gewesen und die Gefahr eines „Ausweichtourismus“ vermieden worden. „Im Hinblick auf die von der BH Landeck gewählte Vorgangsweise der kleinen Schritte könne nicht davon ausgegangen werden, die Handlungen der Behörde seien in der Lage gewesen, die Infektionskette nachhaltig zu unterbrechen.“

Diese Einschätzung wird seitens der Staatsanwaltschaft Innsbruck nach Gesamtschau der Ermittlungsergebnisse nicht geteilt.

Am 09.03.2020 um 08:00 Uhr verzeichnete das ganze Bundesland Tirol insgesamt 690 Verdachtsfälle, 7 positiv getestete Personen, 2 Personen, die bereits genesen waren, sowie 634 negativ getestete Personen. Die Zahl der Verdachtsfälle stieg bis 15:30 Uhr auf 746, die Zahl der positiv Getesteten stieg um 16 Personen auf insgesamt 23.

Im Bezirk Landeck schienen am Morgen des 09.03.2020 35 Verdachtsfälle und 2 positiv Getestete auf. Die Anzahl der Verdachtsfälle stieg bis 10.03.2020 auf 54 und jene der positiv Getesteten auf 17, wobei lediglich eine positiv getestete Person nicht dem Cluster unter den Mitarbeiter*innen des „K***“ zuzuordnen war. In ganz Tirol wurden per 10.03.2020 802 Verdachtsfälle registriert. Insgesamt erfolgten bis zu diesem Zeitpunkt 25 positive Testungen.

Anlässlich der Stabssitzung der LEL am 09.03.2020 mit Beginn um 10:08 Uhr wurde bereits festgehalten, dass bezüglich der Abstriche ein System der Priorisierung geschaffen werden müsse. Eine Abstimmung zwischen der Landessanitätsdirektion und der Virologie sei dringend erforderlich, um Proben, die weitreichende Auswirkungen haben könnten, wie beispielsweise jene aus Ischgl, vorzuziehen.  

Damals wurden Proben grundsätzlich durch die Epidemieärzt*innen entnommen, gesammelt und im Nachtlauf der Virologie in der Universitätsklinik in Innsbruck ausgewertet. Daher war es auch notwendig, sich strikt an die geltenden Falldefinitionen zu halten, weil andernfalls sofort alle Kapazitäten überfordert gewesen wären.

Im Rahmen der Stabssitzung der LEL war klar, dass in Ischgl der Fokus auf dem Lokal „K***“ lag. Auch die Information, wonach die drei in Innsbruck positiv getesteten Norweger*innen das „K***“ besucht hätten, wurde besprochen. Das gesamte Personal,  nämlich 11 Servicekräfte und 8 Personen aus der Küche, befand sich in Quarantäne. Auch zwei Personen aus der Unterkunft des positiv getesteten Kellners waren in Quarantäne.

Auch LH Günther P*** nahm an dieser Stabssitzung teil. Er forderte den Stab auf abzuklären, welche Maßnahmen in Ischgl zu ergreifen sein würden. Insbesondere sollte bezüglich des Lokals „K***“ nochmals ein Aufruf gestartet werden. Außerdem sollte überlegt werden, das Lokal für 14 Tage zu schließen. Landessanitätsdirektor HR Dr. Franz K*** erklärte dazu, dass eine Schließung des Barbetriebes grundsätzlich nicht notwendig sei. Es sei das Personal infiziert und nicht die Lokalität selbst; nach gründlichem Desinfizieren stehe einem geregelten Betrieb an sich nichts entgegen.

Dr.in Anita L***-H*** teilte anlässlich dieser Sitzung mit, dass die Proben des weiteren Personals des „K***“ im „10-Uhr-Lauf“ auf der Virologie getestet werden würden. Es sei zu erwarten, dass einige dieser Proben positiv sein würden. Das Barpersonal weise teilweise schon seit 3 Wochen Symptome auf, was eine Übertragung auf die Tourist*innen und sohin auch die Infektionskette erklären würde. Im Zuge dieser Sitzung wurde auch bekannt, dass Norwegen Tirol als Risikogebiet eingestuft habe.

Auch der Krisenstab COVID-19 der BH Landeck hielt am 09.03.2020 um 08:30 Uhr eine Sitzung ab. Neben BH HR Dr. Markus M***, Mag. Sigmund G***, Dr. Karl E*** nahmen auch die beiden Journaldienstbeamten Thomas S*** und Mag. Eva L*** teil. Zunächst erstattete der Amtsarzt Dr. Karl E*** einen Statusbericht. Danach wurde besprochen, dass die Absonderungsbescheide bezüglich der Mitarbeiter*innen des Lokals „K***“ bereits am 08.03.2020 gegen 14:33 Uhr abgefertigt worden waren, die die PI Ischgl noch am 08.03.2020 bis 17:09 Uhr zugestellt hatte.  

Bereits am Morgen des 09.03.2020 gegen 08:00 Uhr langte beim TVB ein E-Mail eines deutschen Gastes ein, der mitteilte, dass er seit Samstag wegen Coronaverdachtes in häuslicher Quarantäne war. Bekannte aus H*** seien aus Ischgl kommend positiv getestet worden. Im Laufe des Vormittages kamen beim TVB weitere E-Mails von Gästen an, die umgehend an die Bezirkshauptmannschaft weitergeleitet wurden.

Dr. Karl E*** wurden diese E-Mails ebenfalls zur Kenntnis gebracht. Da es sich lediglich um private E-Mails handelte, die zu wenig Informationen enthielten und die Abstrichergebnisse bezüglich der Mitarbeiter*innen im „K***“ zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorlagen, reagierte er vorerst auf diese E-Mails nicht. Er erklärte gegenüber BH HR Dr. Markus M*** allerdings, dass nach Vorliegen der Testergebnisse der Mitarbeiter*innen des „K***“ allenfalls entsprechende Konsequenzen zu ziehen sein würden. Dieser Vorgehensweise wurde von BH HR Dr. Markus M*** zugestimmt, weil sich die BH Landeck und ganz besonders Dr. Karl E*** auf den Bezirk konzentrieren mussten, ob es hier ein Ausbruchsgeschehen gab und wie sich dieses entwickelte.

Seitens des TVB wurden sämtliche E-Mails, die im Zusammenhang mit Corona-Infektionen eingingen, entweder an die PI Ischgl oder an die Bezirkshauptmannschaft weitergeleitet.

Die schließlich am 09.03.2020 gegen 14:30 Uhr eingetroffenen Testergebnisse der 24 Tests, die in 16 Fällen ein positives Ergebnis auswiesen, überraschten Dr. Karl E***. Er hatte nicht damit gerechnet, dass tatsächlich so viele Abstriche positiv sein würden. Damals wurde die Ansteckungsfähigkeit des Virus noch diskutiert und mit jener des Grippevirus verglichen. Dr. Karl E*** führte anlässlich seiner Aussage als Zeuge aus, dass es bei einem Grippevirus keine 13 weiteren positiven Fälle unter den Angestellten gegeben hätte. Diese Infektiosität des Virus habe ihn wirklich überrascht und auch zu einer Neubewertung der Situation geführt. Ausgehend von dieser Zahl war auch festzustellen, dass unter dem symptomlosen Küchenpersonal ebenfalls infizierte Personen waren.

Auch Mag. Günther Z*** schätzte nach Bekanntwerden der positiven Ergebnisse der Mitarbeiter*innnen des „K***“ die Situation anders ein bzw. änderte sich seine Betrachtungsweise dadurch. Er gab an, dass man darauf gehofft habe bzw. daran gedacht habe, dass die Testergebnisse vielleicht genauso ausfallen würden wie in Innsbruck. Dort seien im Zusammenhang mit dem Hotel E*** auch zahlreiche Tests durchgeführt worden, die allesamt ein negatives Ergebnis erbrachten. Er habe gehofft, dass nur der Barkeeper positiv sei, dass bei seinen getesteten Kolleg*innen aber vielleicht nur ein oder zwei positive Ergebnisse sein würden. Für ihn sei nach Bekanntwerden der Testergebnisse aber festgestanden, dass das Infektionsgeschehen in einer Bar wohl anders als in einer Hotelrezeption zu beurteilen war.

Noch am 09.03.2020 erklärte Dänemark Ischgl zur sogenannten „Red Area“ und riet von allen nicht notwendigen Reisen nach Tirol ab.

Noch vor der Bekanntgabe der positiven Testergebnisse langte erstmals gegen 14:25 Uhr eine E-Mailanfrage aus Deutschland betreffend Gäste aus Ischgl bei der Landessanitätsdirektion ein.

Am Abend des 09.03.2020, gegen 22:30 Uhr, teilten drei Belgier*innen der Landessanitätsdirektion mit, dass sie positiv getestet worden seien und in Ischgl ihren Urlaub verbracht hätten. Auch dänische Urlaubsgäste gaben nach 22:00 Uhr bekannt, dass sie krank wären und zwischen 29.02.2020 und 07.03.2020 in Ischgl geurlaubt hätten.

Norwegen übermittelte bereits in der Nacht davor eine Nachricht über EWRS, dass zumindest 10 norwegische positiv auf COVID-19 getestete Personen eine Reisegeschichte zu Ischgl aufwiesen. Diese EWRS-Mitteilung wurde am 09.03.2020, um 5:45 Uhr, an Drin Anita L***-H*** übermittelt.

Am selben Tag stiegen die Verdachtsfallmeldungen im Zusammenhang mit dem „K***“ an. Um 15:48 Uhr wurde die Landeseinsatzleitung von Florian T*** MSc MBA darüber informiert, dass Norwegen und Dänemark Tirol als Risikogebiet eingestuft hatten. Kurze Zeit später um 16:00 Uhr folgte Schweden.

Aufgrund einer Neubeurteilung durch Amtsarzt Dr. Karl E*** entschied dieser, dass das Lokal „K***“ zu sperren war. Die entsprechende Kontaktaufnahme mit dem Betreiber erfolgte um 15:50 Uhr. Ab diesem Tag blieb das Lokal geschlossen.   

 Amtsarzt Dr. Karl E*** hat damit sofort durch seine Arbeitsweise auf das Ansteigen der Fallzahlen reagiert. Er entwickelte einen Arbeitsbehelf in Form einer Excel-Liste, der ihm gegenüber den vorgesehenen Registern einen rascheren und umfassenderen Überblick über die Entwicklung und den Stand der Abarbeitung ermöglichte. Auf den ihm vorgelegten Befragungsprotokollen vermerkte er die getroffenen Entscheidungen über notwendige Veranlassungen handschriftlich. Die Protokolle wurden sodann in der genannten Excel-Liste erfasst und zur Erlassung von Bescheiden an die entsprechende Stelle der Bezirkshauptmannschaft weitergeleitet. Die Bescheide wurden über die örtlich zuständige Polizei zugestellt, wobei auch eine Überwachung der Auflagen angeordnet und regelmäßig darüber berichtet wurde.

Am 09.03.2020 fand um 16:00 Uhr eine weitere Stabssitzung der LEL statt. Dabei wurden insbesondere die neuen positiv getesteten Fälle diskutiert. Auch die Einstufung durch Schweden, Dänemark und Norwegen von Tirol als Risikogebiet wurde erörtert. LAD HR Dr. Herbert F*** erklärte, dass Ischgl jetzt selbst Handlungen setzen müsse. Es würden bereits Gespräche mit dem Bezirkshauptmann und dem Tourismusverband stattfinden. Landessanitätsdirektor HR Dr. Franz K*** regte als weitere Maßnahmen für Ischgl an, Gondeln nur mehr halb zu befüllen sowie auf Hygienemaßnahmen und Vermeidung von Körperkontakten besonders hinzuweisen. LAD HR Dr. Herbert F*** brachte die Beschränkungen gemäß § 24 EpG ins Spiel. Dr.in Anita L***-H*** bestand darauf, den Behörden mitzuteilen, dass es sich beim „K***“ um jenen Ort handelte, an welchem sich die Infizierten mit hoher Wahrscheinlichkeit angesteckt hatten.

Die Bezirkshauptmannschaft ihrerseits informierte die Gemeinde Ischgl und den Tourismusverband sowie die Polizeiinspektion Ischgl gegen 16:30 Uhr über die Schließung des Apres-Ski Lokals „K***“. Weiters wurden diese aufgefordert, Menschenansammlungen zu verhindern, wie bspw. durch die Absage der Nightshow. Um 18:55 Uhr wurde der Bescheid vom 09.03.2020, LA-KAT-COVID-EPI/37/1-2020, durch welchen das Restaurant und das Apres-Ski Lokal „K***“ bis zumindest 15.03.2020 geschlossen wurden, abgefertigt. Die Zustellung erfolgte durch die PI Ischgl um 21:20 Uhr persönlich an den Geschäftsführer Peter Z***.

Mit Mail vom 09.03.2020 um 19:10 Uhr schlug LAD HR Dr. Herbert F*** BH HR Dr. Markus M*** in Abstimmung mit Landessanitätsdirektor HR Dr. Franz K*** einige flankierende Maßnahmen in Sachen Corona für die Gemeinde Ischgl vor. Es sollte angedacht werden, die Seilbahnen und andere geschlossene Transportmittel nur noch zu einem Drittel der normalen Kapazität zu füllen, allenfalls im Hinblick auf die besonders große Skifahrerzahl in Ischgl auch zur Hälfte. Es sollten keine Veranstaltungen mehr stattfinden und größere Menschenansammlungen vermieden werden. Auch Körperkontakte sollten minimiert und Händedesinfektion und Hygienemaßnahmen forciert werden. Weiters sollten Informationsmaterial und Verhaltensregeln für Einheimische und Gäste zur Verfügung stehen. Von einer Schließung der Apres-Ski Lokale ist in diesem Mail nicht die Rede. BH HR Dr. Markus M*** antwortete LAD HR Dr. F*** noch am selben Abend und erklärte, dass man sich darüber morgen beraten würde. Das betreffende E-Mail wurde von BH HR Dr. Markus M*** zeitgleich an Mag. Siegmund G*** und Dr. Karl E*** weitergeleitet.

Im Lauf des 09.03.2020 zeigte sich auch, dass sich die Verdachtsfallmitteilungen verändert hatten und Amtsarzt Dr. Karl E*** keine ausgefüllten Verdachtsbögen bzw. Erhebungsbögen mehr erhielt. Dies führte dazu, dass seitens der BH alles noch einmal nachgefragt und abgearbeitet werden musste und so einen vermeidbaren Mehraufwand verursachte. BH HR Dr. M*** versuchte, dieses Problem über die Landeseinsatzleitung zu lösen.

Am 10.03.2020 um 7:11 Uhr ersuchte LAD HR Dr. Herbert F*** BH HR Dr. Markus M*** in Zusammenhang mit Ischgl noch nichts zu verfügen. Über Anordnung von LH Günther P***, der dies zunächst mit dem Bund abstimmen wollte, sollte alles über das Land laufen. Während der gesamten Pandemie wurden und werden sämtliche Maßnahmen mit dem Bund abgestimmt, weil die Pandemiebekämpfung eine Materie der mittelbaren Bundesverwaltung ist. Die Abstimmung mit dem Bund selbst erfolgte und erfolgt im Zuge der morgendlichen Sitzung des Staatlichen Krisen- und Katastrophenmanagements (SKKM)[10].

Daraus ist ersichtlich, dass seitens der Bezirkshauptmannschaft und auch seitens des Landes bereits weitere Einschränkungen zur Eindämmung des Epidemiegeschehens geplant waren.

Am 09.03.2020 waren insgesamt 17 Personen im Bezirk Landeck infiziert. Der Bezirk Landeck hat 44.177 Einwohner. Die Gemeinde Ischgl selbst hat 1.562 Einwohner und 12.000 Gästebetten. In der Woche vom 07.03.2002 bis 13.03.2020 befanden sich noch rund 8.000 bis 10.000 Gäste in Ischgl. Das gesamte Paznaun hat 22.000 Gästebetten.

Aufgrund der dargestellten EWRS-Meldungen aus dem Ausland und der bereits positiv Getesteten im Umfeld des Lokals „K***“ war den Verantwortlichen klar, dass das Virus in Ischgl vor allem in Bezug auf das Lokal „K***“ grassierte. Aus den zum damaligen Zeitpunkt gesichert vorliegenden Erkenntnissen war aus epidemiologischer Sicht eine Beendigung der Wintersaison nicht zu rechtfertigen.

Hervorzustreichen ist in diesem Zusammenhang, dass jene positiven Fälle, die die Expertenkommission ihrer Einschätzung zugrunde legte, bereits abgereiste Gäste, die in ihren Heimatländern positiv getestet wurden, waren, die selbstredend keine Infektionsgefahr in Ischgl mehr darstellten. Die von der Expertenkommission ins Treffen geführten 6 finnischen Gäste konnten von der Staatsanwaltschaft trotz Sicherstellung sämtlicher E-Mails der Landessanitätsdirektion nicht verifiziert werden.

Amtsarzt Dr. Karl E*** führte anlässlich seiner Einvernahme als Zeuge aus, dass er eine Skigebietsschließung am Dienstag bzw. Mittwoch für keine gute Idee gehalten hätte, weil es dadurch zu Menschenansammlungen im Ort und in den Hotels gekommen wäre. Er vertrat weiterhin die Meinung, dass dosiert vorzugehen war, um Panik zu vermeiden. Bereits anlässlich seiner Anhörung durch die Expertenkommission erläuterte Dr. E*** unter Verweis auf die damals bereits bekannte Problematik im Zusammenhang mit Kreuzfahrtschiffen ausführlich, dass man es seiner Meinung „rechtlich nicht durchgestanden hätte, wenn man einfach alles sperrt mit so wenig Fällen“.

Am Nachmittag des 09.03.2020 wussten sowohl die Verantwortlichen der BH Landeck als auch jene des Landes von den weiteren positiv getesteten Mitarbeiter*innen des „K***“. Infektionen, die keinen Zusammenhang mit dem „K***“ aufwiesen, waren zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt.

Da daher das Infektionsgeschehen durchaus nachvollziehbar nur mit dem Lokal „K***“ und nicht mit dem gesamten Ort Ischgl in Verbindung gebracht wurde, das Lokal „K***“ auch bereits geschlossen war und  weitere Maßnahmen geplant wurden, kann aus der – bloß mit ständig steigenden Infektionszahlen, den genannten EWRS-Meldungen und der erfolgten Beendigung der Skisaison in Italien begründeten - Beurteilung der Expertenkommission keine strafrechtliche Verantwortlichkeit abgeleitet werden.

Die Einschätzung der BH Landeck und der Landessanitätsdirektion, wonach es sich beim „K***“ um eine lokal begrenzte Ausbreitungszelle handelte, wurde auch von anderen Expert*innen geteilt. Im Sitzungsprotokoll der Coronavirus-Taskforce des Gesundheitsministeriums wurde am 09.03.2020 festgehalten, dass es einen Coronavirusherd in Ischgl gebe und es dort offenbar zu zahlreichen Übertragungen in einer Diskothek auch an Personen aus dem Ausland gekommen sei.

Dass sich der Kenntnisstand bezüglich der Eigenarten des neuartigen Corona-Virus rasant weiterentwickelte, zeigen auch die Aussagen des Virologen Dr. Christian D***, der in seinem bekannten  Podcast „Update Coronaviurs“ am 09.03.2020 ausdrücklich von einem Lockdown abriet. Am 10.03.2020 erklärte er, dass teilweise festgestellt worden sei, dass das Virus bereits im Rachen und nicht erst in der Lunge repliziere. Erst am 28.05.2020 erklärte er, dass anfänglich überhaupt nicht bewiesen war, ob das Virus dem Phänomen des Superspreading, demnach eine Überdispension in Übertragungsereignissen, unterliege. Auch bezüglich der vermuteten Replizierung im Rachenraum sowie dazu, dass Menschen schon vor Infektionsbeginn infektiös sind, lagen erst zu diesem Zeitpunkt valide Erkenntnisse vor.

Der wiederholte Verweis der Unabhängigen Expertenkommission auf die am 10.03.2020 erfolgte Schließung der Schigebiete in Italien ändert an der Beurteilung des Sachverhaltes in strafrechtlicher Hinsicht nichts. Der ins Treffen geführte „Ausweichtourismus“ ist nicht feststellbar.

Darüber hinaus lässt sich die damalige epidemiologische Situation in Italien mit jener in Österreich oder gar in Tirol nicht vergleichen. Nach den ersten beiden positiven Fällen am 28.01.2020 in Rom zählte Italien am 09.03.2020 insgesamt 9.172 positiv Getestete. Die tägliche Steigerungsrate betrug zwischen 18% und 53%. Hauptbetroffene Region war die an Südtirol angrenzende Lombardei. Die Infektionszahlen und auch die Todesfälle stiegen rasant an. Da die Abriegelung von elf norditalienischen Gemeinden ab 23.02.2020 den Anstieg der Fallzahlen nicht stoppen konnte und in immer mehr Provinzen Infektionen festgestellt wurden, schränkte die italienische Regierung am 08.03.2020 die Bewegungsfreiheit von rund 16 Millionen Italiener*innen drastisch ein, indem sie die Lombardei und 14 andere Gebiete im Norden Italiens weitgehend abriegelte und Ausgangsbeschränkungen erließ.

Gleichzeitig wurden für ganz Italien die Schließung von Kinos, Theatern und Museen sowie ein Verbot von Demonstrationen und vielen anderen Veranstaltungen verfügt. Am 09.03.2020 wurden die für die Lombardei geltenden Einschränkungen per 10.03.2020 auf ganz Italien ausgeweitet.

Die Unabhängige Expertenkommission begründete die Notwendigkeit der Skigebietsschließung ausschließlich mit den von ihr festgestellten Infektionszahlen. Sie anerkennt zwar den hohen Arbeitseinsatz der Verantwortlichen der Bezirkshauptmannschaft Landeck, übersieht in ihrer Beurteilung jedoch, dass für die Verantwortlichen der Bezirkshauptmannschaft Landeck eine präzedenzlose Situation vorlag. Die Meinungen und Einschätzungen der medizinischen Expert*innen waren damals – so wie auch heute in Teilbereichen – nicht nur in Bezug auf die Gefährlichkeit, die Infektiosität, die Inkubationszeit, die Fallsterblichkeit, die Übertragbarkeit (Tröpfchen, Aeorosole oder Oberflächen) und die Ansteckungsrate, sondern auch in Bezug auf die zu setzenden Maßnahmen (zB Erreichen der Herdenimmunität versus Beschränkungen oder ausschließlicher Schutz der Risikogruppe) keineswegs einheitlich, sondern gingen weit auseinander.

Die Bedeutung der ebenfalls oftmals ins Treffen geführten „Reisewarnungen“ für Tirol durch die isländischen, finnischen, dänischen und schwedischen Behörden ist schon unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Robert-Koch-Institut in Deutschland zu einer derartigen Warnung bis zur Verhängung der Quarantäne keinen Anlass gesehen hat, erheblich zu relativieren. Dass die Einschätzung sowohl der epidemiologischen Lage als auch der erforderlichen Maßnahmen keineswegs einheitlich war, erhellt etwa auch daraus, dass in Bayern am 15.03.2020 – und somit lange nach den umfangreichen Maßnahmen in Italien und Österreich, die ebenso wie die in Ischgl aufgetretenen Fälle auch in Deutschland bereits breit diskutiert wurden – noch Kommunalwahlen durchgeführt wurden. Die von Reiserückkehrer*innen aus Ischgl hauptbetroffene Bundesrepublik Deutschland sah im Einklang mit der Beurteilung durch das Robert-Koch-Institut erst nach diesem Wochenende erste verpflichtende Einschränkungen vor. Das Steigen der Fallzahlen in Tirol, die EWRS-Mitteilungen über positiv getestete Reiserückkehrer*innen und die Entwicklung in Italien stellen zwar wichtige Parameter für die Einschätzung der Lage dar, lassen aber keine zwingenden Schlüsse auf die erforderlichen Maßnahmen zu.

Das von der Bezirkshauptmannschaft Landeck ab dem 09.03.2020 gewählte stufenweise Vorgehen in der Pandemiebekämpfung kann daher nicht als unvertretbar qualifiziert werden und sind bei der hier zur Anwendung zu gelangenden ex-ante Betrachtung einerseits „der erhebliche Zeitdruck und andererseits die damals noch vorliegenden Unsicherheitsgegebenheiten“ (VfGH V 363/2020) jedenfalls mit zu berücksichtigen.

 

4.6.3. Die Schließung der Apres-Ski Lokale und die Halbierung der Beförderungskapazität durch die Verordnung LA-KAT-COVID-EPI/57/1-2020 vom 10.03.2020 sowie die Untersagung von Veranstaltungen mit einer 500 Personen im Außen- und 100 Personen im Innenbereich übersteigenden Teilnehmeranzahl durch die Verordnung LA-KAT-COVID-EPI/57/2-2020 vom 11.03.2020.

 

a) Die Verordnung LA-KAT-COVID-EPI/57/1-2020 vom 10.03.2020

 

Am 10.03.2020 wurden erstmals Überprüfungen an Grenzübergängen zu Italien durchgeführt. Die Bezirkshauptmannschaft Landeck hatte die Grenzübertrittsstelle in Nauders zu besetzen. Am gleichen Tag wurde überdies bekannt, dass sich ein Mitarbeiter eines Hotels in Pfunds ebenfalls im „K***“ angesteckt haben dürfte. Da es sich auch hierbei um einen Kellner handelte, wurden die Kontaktpersonen sofort ermittelt. Eine spätere Testung ergab, dass alle diese Kontaktpersonen negativ getestet wurden – im Gegensatz zu den Mitarbeiter*innen des Lokals „K***“.

Unter dem Eindruck der am 10.03.2020 erfolgten Schließung der Skigebiete in Südtirol wurde anlässlich der Morgenbesprechung im Büro des Landeshauptmannes die Frage aufgeworfen, wie für den Fall der Fälle eine Abreise aller Tourist*innen aus Tirol zu bewerkstelligen sei, wobei zunächst im Vordergrund stand, festzustellen, wie viele Tourist*innen aktuell in Tirol waren. Diese Vorarbeiten betrafen die Fragen, wie viele Gäste selbständig angereist, auf Busunternehmen oder Flüge für eine etwaige Rückreise angewiesen waren und ob eine medizinische und auch sonstige Versorgung aller Tourist*innen gewährleistet wäre.

Aus diesem Grunde richtete LAD HR Dr. Herbert F*** um 08:08 Uhr unter Verweis auf einen Aktenvermerk von Florian T*** MSc MBA ein E-Mail an seine Stellvertreterin und weitere Mitarbeiter*innen des Landes mit dem Ersuchen, darüber nachzudenken, ob speziell für die Skigebiete besondere Maßnahmen wie etwa Verkehrsbeschränkungen anzudenken wären. Derzeit gehe man davon aus, dass man täglich 18.000 Personen in Ischgl auf der Piste habe. Weiters teilte er mit, dass eine Zahlenreihe zu den Tourist*innen [gemeint: Erhebungen zu den sich tatsächlich im gesamten Land aufhaltenden Tourist*innen] und die Recherche, wie diese nunmehr (auch organisiert) heimreisen könnten, von Dr. Kurt B***, einem Mitarbeiter im Büro des Landeshauptmannes, übernommen und eingebracht werde.

Aus dem angesprochenen Aktenvermerk des Florian T*** MSc MBA, den dieser am 10.03.2020 um 07:16 Uhr an den Landesamtsdirektor weiterleitete, ergibt sich unter Punkt 3 die Frage, wie viele Gäste im Land seien, woher sie kommen würden, weiters ist wortwörtlich festgehalten „Konzept: Wie bringen wir die Leute außer Landes? Wie lange und wie viele Gäste können wir versorgen?“ Auch ließ er anfragen, welche Empfehlungen Skigebieten und dem Tourismus zu geben seien.

Dazu befragt erklärte Dr. Kurt B***, dass unter Berücksichtigung des Zeitpunktes diese Recherchen keine Vorarbeit zum später im Rahmen der Quarantäneverhängung initiierten Abreisemanagement gewesen seien. Die Entscheidung, die Wintersaison in ganz Tirol zu beenden, fiel erst im Laufe des 12.03.2020.

Bereits in der Morgensitzung des SKKM am 10.03.2020 meldete Tirol einen signifikanten Zuwachs bei den Infektionszahlen, die man hauptsächlich auf Ischgl zurückführte.

Im Rahmen der Stabssitzung der Landeseinsatzleitung wurden einerseits die weitere Vorgehensweise in Ischgl, andererseits der Umgang mit den 200.000 Gästen in ganz Tirol besprochen. Nach einer entsprechenden Recherche kämen etwa 56% der Gäste aus Deutschland, 85% der Gäste seien mit dem PKW angereist, der Rest verteile sich auf den Zug und Flugverkehr. Darüber hinaus sei noch zu klären, ob es akkordierte Empfehlungen im Zusammenhang mit der Tourismus-Thematik geben werde.

Nachdem am 10.03.2020 auch Finnland von nicht notwendigen Reisen nach Tirol abgeraten hatte, die Verdachtsfälle im Bezirk Landeck weiter stiegen sowie aufgrund weiter einlangender Mitteilungen aus dem Ausland, wonach sich Urlauber in Ischgl infiziert hätten, berieten die Verantwortlichen der BH Landeck darüber, wie Menschenansammlungen in Ischgl vermeidbar wären. Der Fokus der Diskussionen richtete sich auf den Skibetrieb, die Skibusse und auch auf die Lokale, insbesondere auf jene, die Apres-Ski anboten. Apres-Ski Lokale sind keine eigene Kategorie im gewerbebehördlichen Sinn. Die meisten Betreiber dieser Lokale verfügen über Konzessionen für Restaurants oder Ähnliches.  Daher mussten sich die Verantwortlichen diesbezüglich treffende, verhältnismäßige aber auch zielgerichtete Formulierungen überlegen.

Schließlich entschied man sich dafür, die Apres-Ski Lokale zu schließen und die Beförderungskapazität in den Gondeln und Skibussen auf die Hälfte zu reduzieren. Die zunächst angedachte Regelung, die Auslastungskapazitäten auf ein Drittel einzuschränken, wurde verworfen, weil zu befürchten war, dass sich die Stehzeiten vor den Liften verlängern würden und wiederum zu Menschenansammlungen geführt hätten.

Nachdem BH HR Dr. Markus M*** der LEL die angedachten Maßnahmen mitgeteilt hatte, nahm er gegen Mittag Kontakt mit Mag. Günther Z***, dem Geschäftsführer der Silvretta Seilbahn AG, auf. BH HR Dr. M*** teilte ihm mit, dass auch die Seilbahnen betreffende Maßnahmen zu ergreifen sein würden um das Infektionsgeschehen einzudämmen. Er fragte an, ob es technisch durchführbar sei, die Beförderungskapazität mit den 3 Zubringerbahnen auf die Idalp um die Hälfte zu reduzieren. Mag. Günther Z*** führte einerseits ins Treffen, dass die Halbierung der Beförderungskapazität auf Schweizer Seite des Skigebietes nicht mitvollzogen werden könnte, andererseits erklärte er BH HR Dr. M*** aber auch, dass die Halbierung der Beförderungskapazität bzw. die Befüllung der Kabinen nur zur Hälfte technisch durchaus umsetzbar sei und auch gemacht werden würde. Durch dieses Gespräch sollte abgeklärt werden, was realistischerweise innerhalb kurzer Zeit von Seiten der Seilbahnen umsetzbar war. BH HR Dr. M*** erachtete die Einbindung der Bergbahnen auch deswegen für richtig, um eine schnelle Umsetzung der Maßnahmen bewerkstelligen zu können. Noch am Abend des 10.03.2020 traf die Silvretta Seilbahn AG alle Vorbereitungen, wie beispielsweise Hinweisschilder, Mitarbeiterinformationen etc., um diese Vorgaben der Behörde zu erfüllen.

Zu erwähnen ist auch, dass zum damaligen Zeitpunkt epidemiologisch nicht wirklich geklärt war, ob eine Ansteckung in einer Gondel eher unwahrscheinlich war oder nicht. Dafür spielten sowohl die Aufenthaltsdauer als auch eine hinreichende Durchlüftung eine wesentliche Rolle.

Am 10.03.2020 um 15:49 Uhr übermittelte ein Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft Landeck an BH HR Dr. M*** eine Liste aller 14 Apres-Ski Betriebe in Ischgl, die neben Mag. G*** auch an die PI Ischgl und den TVB weitergeleitet wurde.

Zur Untermauerung der Verhältnismäßigkeit der in Aussicht genommenen „Schließung“ der Apres-Ski Lokale – tatsächlich ordnete die BH Landeck Verkehrsbeschränkungen im Sinne des § 24 EPG an – legte HR Dr. Franz K*** medizinische Argumente dar, die für die Anordnung dieser Maßnahme sprechen würden, und zwar: „Ungeordnete größere Menschenansammlungen auf engem Raum, alkoholbedingt eher enthemmter zwischenmenschlicher Umgang im geschlossenen Bereich längerer Zeitraum, Hygienestandards (Händehygiene, Husten- bzw. Nies-Etikette) praktisch kaum umsetzbar“.

Um 16:39 Uhr übermittelte Mag. G*** den Entwurf einer entsprechenden Verordnung an den Bezirkshauptmann. Mit E-Mail um 17:24 Uhr informierte BH HR Dr. M*** Mag. Dietmar W*** über die Notwendigkeit der durch die Verordnung anzuordnenden Maßnahmen. Um 18:07 Uhr wurde die entsprechende Verordnung unterfertigt und um 18:15 Uhr an die Gemeinde und alle davon betroffenen Betriebe abgefertigt. Dabei wurde angeordnet, dass anstelle von „betriebenen Apres-Ski Lokalen“ alle gewerbebehördlich bewilligten Apres-Ski Lokale zu schließen seien, die Verordnung unverzüglich kundzumachen war und mit Kundmachung in Kraft treten sollte. Im Hinblick auf die Uhrzeit der Abfertigung wurde diese Verordnung am nächsten Tag (11.03.2020) morgens von der Gemeinde Ischgl kundgemacht.

Dazu hielten BH HR Dr. M*** und Mag. G*** in ihren Tagesprotokollen jeweils fest, dass am Nachmittag über Auftrag des Landes die Verordnung insbesondere entsprechend den Vorgaben des Landesamtsdirektors mehrfach umformuliert worden war.

Der Verordnung ging tatsächlich eine rege Diskussion voraus, nicht jedoch zum Thema, ob die Apres-Ski Lokale zu schließen seien, sondern ausschließlich zur Frage, auf welcher gesetzlichen Grundlage die Schließung erfolgen sollte.

Eine Lösung wäre gewesen, wenn die Lokalbetreiber von sich aus geschlossen hätten. Alternativ wurde darüber diskutiert, ob die Schließung auf § 20 EpG gestützt werden könnte. Dies wäre jedoch nur möglich, wenn außergewöhnliche Umstände eine derartige Schließung rechtfertigen. Eine Schließung nach § 20 EpG hätte auch Kostenersatz nach sich gezogen. Letztlich kam man überein, die Schließung der Apres-Ski Lokale als Verkehrsbeschränkung gestützt auf § 24 EpG zu erlassen.

Bereits zuvor wurde über das BPK an die Bezirkshauptmannschaft Landeck mitgeteilt, dass Ischgl alle Events bis zum 15.04.2020 auf der Idalp sowie auch Galtür die Veranstaltung „Nordic Nightrace“ vom 02.04. bis 14.04.2020 abgesagt hatten.

Am 10.03.2020 um 21:23 Uhr übermittelte Dr. Bernhard B***, Abteilungsleiter der Abteilung für übertragbare Krankheiten, Seuchenbekämpfung und Krisenmanagement im Gesundheitsministerium, ein E-Mail von Dr. Franz A***, Leiter der AGES, an Dr.in Anita L***-H***, zu dem er wörtlich festhielt, dass „die Skiorte schön langsam zu Hotspots werden….“. Dieses E-Mail wurde am Morgen des 11.03.2020 um 07:40 Uhr an Dr. Karl E*** weitergeleitet. Ebenso leitete Dr.in L***-H*** auch die bei ihr eingelangten Anfragen aus Deutschland bzw. die bekannten EWRS-Meldungen an Dr. Karl E*** weiter. Dänemark teilte an diesem Abend (10.03.2020) mit, dass insgesamt 262 Fälle registriert worden waren. Unter diesen seien zumindest 82 Personen, die sich in Österreich infiziert hätten, die meisten in Ischgl, manche in St. Anton.

Aufgrund der Verordnung, mit welcher der Betrieb der Apres-Ski Lokale ab sofort einzustellen war, fand eine – von der PI Ischgl angesetzte – Sitzung am 11.03.2020 um 08:00 Uhr mit den Obmännern des TVB, dem Seilbahnvorstand Mag. Günther Z***, Wilhelm S*** als Busunternehmer und dem Vizebürgermeister Emil Z*** auf der PI Ischgl statt, über die seitens der PI ein Aktenvermerk erstellt wurde. Zunächst ergibt sich aus diesem Aktenvermerk, dass seitens der Silvretta-Seilbahn AG und des Verkehrsbetriebes „Paznauntal“ die im Bescheid angeführten Maßnahmen bereits umgesetzt wurden. So führte der als Auskunftsperson angehörte Wilhelm S*** aus, dass er die Buskapazitäten in den betreffenden Tagen aufgestockt bzw. nahezu verdoppelt habe.

Bezüglich der Einstellung der gewerbebehördlich bewilligten Apres-Ski Lokale wurde in dieser Sitzung thematisiert, ob Lokale allenfalls mit einer anderen Konzession aufsperren dürften,  dass sich die Menschen dann in den kleinen Bars sammeln könnten sowie, ob die geplante Verordnung betreffend Veranstaltungsbeschränkungen auch Restaurants treffen würde. Die entsprechenden Fragen zur Verordnung wurden an die Bezirkshauptmannschaft übermittelt. Außerdem wies die PI auf die Gefährdung durch das Zusammenströmen größerer Menschenansammlungen in Diskotheken und Nachtlokalen hin.

Am 11.03.2020 um 11:30 Uhr teilte die PI Ischgl dem Tourismusverband und dem Bürgermeister der Gemeinde Ischgl mit, dass die in der Verordnung angeführte Definition „Apres-Ski“ so auszulegen sei, dass die Gästebewirtung in den betroffenen Lokalitäten ab 16:00 Uhr einem Apres-Ski entspreche.

Es sei nicht relevant, welche zusätzlichen Konzessionen das Lokal besitze. Die betroffenen Lokale seien daher spätestens um 16:00 Uhr zu schließen.

Anlässlich der am Abend des 11.03.2020 durch die PI Ischgl durchgeführten Kontrollen wurde festgestellt, dass sich alle Apres-Ski Lokale mit zwei Ausnahmen, nämlich der „S***-Bar“ und dem Hotel „A***“, die Gäste vor der Türe, also im Freien, bewirteten, an die Verordnung hielten.

Gegen die Betreiberin der S***-Bar wurde ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet. Diese berief sich anlässlich ihrer Anhörung vor der Expertenkommission darauf, dass sie lediglich im Freien Getränke ausgeschenkt und kein Apres-Ski angeboten habe.

Betreffend das Hotel „A***“ deponierte der Betreiber auf Hinweistafeln, dass nur das Restaurant betrieben werde. Er berief sich durch ein anwaltliches Schreiben an die BH Landeck überdies darauf, keinen Apres-Ski Betrieb zu führen. Gegen ihn wurde kein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet.

Wenngleich die durch die PI Ischgl angefertigten Lichtbilder Menschen auf den Straßen Ischgls und vor allem gut besuchte Terrassen von Restaurants – Restaurants und Cafes waren von der gegenständlichen Verordnung nicht umfasst - zeigen, ist davon auszugehen, dass die hier in Rede stehende Verordnung der BH Landeck umgesetzt und vollzogen wurde. BH HR Dr. M*** führte aus, dass für ihn wichtig gewesen sei, dass sich die Gäste im Freien und nicht in den Apres-Ski Lokalen aufhalten. Nach Rücksprache mit Dr. E*** sei er zur Überzeugung gelangt, dass die Ansteckungsgefahr im Freien sehr viel geringer sei. Im Freien war mit Ausnahme der Personenbeschränkung (Veranstaltung mit mehr als 500 Personen im Außenbereich) nichts untersagt. Er habe deswegen auch keine Veranlassung gesehen, weitere konkrete Aufträge an die Polizei zu erteilen.

Auch dieses Vorgehen der Behörde ist in strafrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt ging die Wissenschaft davon aus, dass die Gefahr einer Infektion im Freien weitaus geringer ist, als in einem geschlossenen Raum. Das bereits im Vorfeld andiskutierte Problem, dass sich die Menschenansammlungen aufgrund der geschlossenen Apres-Ski Betriebe auf andere Gastronomiebetriebe verlagern würden, trat in gewissen Bereichen auch ein.

 

b) Die Verordnung LA-KAT-COVID-EPI/57/2-2020 vom 11.3.2020

 

Am 11.03.2020 wurde durch die BH Landeck auch jene im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung bundesweit in Geltung zu setzende Verordnung erlassen, die das Zusammenströmen größerer Menschenmengen verhindern sollte. Grundlage für diese Verordnung war der Erlass des BMSGPK vom 10.03.2020 zu 2020-0.172.682. Die BH Landeck erlangte davon durch ein E-Mail der PI Ischgl vom 11.03.2020 um 07:43 Uhr Kenntnis. Um 12:23 Uhr übermittelte das Amt der Tiroler Landesregierung an alle Bezirkshauptmannschaften eine entsprechende Musterverordnung und wies nachdrücklich – insbesondere aufgrund der Informationen aus der LEL – darauf hin, dass diese Verordnung umgehend zu erlassen sei. Laut dem angeschlossenen Muster sollte die zu erlassende Verordnung mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft treten. BH HR Dr. M*** leitete dieses Mail sodann gegen 13:00 Uhr an Mag. G*** zur Ausarbeitung der Verordnung weiter. Die entsprechende Verordnung wurde schließlich um 13:52 Uhr unterfertigt, abgefertigt und per 11.03.2020 an der Amtstafel der Bezirkshauptmannschaft kundgemacht.

In den Gastbetrieben der Silvretta Seilbahn AG wurden bereits im Laufe des 11.03.2020 entsprechende Veranlassungen getroffen, um die Kapazitäten in den am Berg betriebenen Gasthäusern auf die vorgeschriebenen 100 Personen zu beschränken. Dies obwohl Restaurants (gastronomische Einrichtungen hauptsächlich zugelassen für die Verabreichung von Speisen) gemäß § 2 der entsprechenden Verordnung vom Geltungsbereich ausdrücklich ausgenommen waren.

Die tatsächliche Umsetzung dieser Verordnung vor Ort war ebenfalls Gegenstand der durch die PI Ischgl durchgeführten Kontrollen. Auf die Ausführungen im Zusammenhang mit der Überprüfung der Apres-Ski-Lokale wird verwiesen.

Zu diesem Zeitpunkt war in St. Anton am Arlberg weder der Betrieb von Apres-Ski Lokalen verboten noch eine Halbierung der Beförderungskapazitäten angeordnet.

In St. Anton wurden am 05.03.2020 die ersten Absonderungsbescheide erlassen, die eine vierköpfige Student*innengruppe betrafen, von der drei Personen am 02.03.2020 von Bologna nach Innsbruck und anschließend nach Pettneu am Arlberg angereist waren und ein Student aus München kam. Der erste am 05.03.2020 positiv getestete und sodann in die Klinik Innsbruck transferierte Mann wies bereits am 03.03.2020 Symptome auf, sodass anzunehmen ist, dass die Erkrankung aus dem damaligen Epidemiegebiet Italien importiert wurde. Auch eine norwegische Person, die in Norwegen Kontakt zu einem Erkrankten hatte, wurde aufgrund einer Mitteilung der dortigen Behörden in St. Anton unter Quarantäne gestellt. Keine dieser Personen wies einen bekannten Zusammenhang zu Ischgl auf.

Der erste Fall in St. Anton am Arlberg war ein – laut Angaben seiner Gattin bereits seit Tagen auf Grund von Krankheit nicht mehr im Betrieb tätiger – Wirt einer Skihütte, der am 10.03.2020 positiv getestet wurde und zu diesem Zeitpunkt bereits auf der Intensivstation des Krankenhauses Zams behandelt werden musste. Die sodann mit Erhebungen im Lokal („S***hütte“) betraute Polizeiinspektion St. Anton am Arlberg stellte am 11.03.2020 fest, dass das Lokal bereits geschlossen war. Weitere Lokale schlossen an diesem und am folgenden Tag. In St. Anton wurden bis zum 12.03.2020 23 Personen und bis zum Folgetag insgesamt 36 Personen positiv getestet.

Ab 12.03.2020 galt in St. Anton lediglich die oben zitierte Verordnung, die Veranstaltungen mit mehr als 500 Personen im Außen- und mehr als 100 Personen im Innenbereich untersagte. Die entsprechende Verordnung der BH Landeck, die ein Inkrafttreten mit Ablauf des Tages der Kundmachung vorsah, wurde am 11.03.2020 an der Amtstafel der Gemeinde St. Anton kundgemacht. Bezüglich der an diesem Tag (11.03.2020) von der PI St. Anton festgestellten Menschenansammlung im Freien, die eine nicht exakt feststellbare Anzahl von Personen umfasste, lag an diesem Tag keine gesetzliche Grundlage für ein weiteres Einschreiten der Polizei vor.

Als sich am nächsten Tag ein ähnliches Bild zeigte, wurden von Seiten des Betreibers des Lokals „B***-C***“ bereits entsprechende Schritte zur Auflösung der Menschenansammlung gesetzt, weswegen ein Einschreiten der Polizei wiederum nicht notwendig war. Ein Verwaltungsstrafverfahren wurde gegen die Betreiber nicht eingeleitet, weil zu diesem Zeitpunkt keine Schließung der Apres-Ski Lokale für St. Anton angeordnet war. In diesem Zusammenhang stellte sich für die PI St. Anton die Frage, ob das Zusammenströmen der Menschen beim „B***-C***“ unter die Definition einer Veranstaltung im Freien oder im Innenbereich falle. Die BH Landeck teilte nach einer entsprechenden Anfrage mit, dass es sich aufgrund der auf drei Seiten baulich geschlossenen Umrandung des Lokals um einen Innenraum handelte, was sich aus den vorgelegten Lichtbildern nicht eindeutig nachvollziehen lässt.

Damit ist auch hinsichtlich der Anzeige betreffend das „B***-C***“ kein strafrechtlich relevantes Verhalten festzustellen.

 

4.6.4. Die Schließung des Schigebiets in Ischgl durch die Verordnung LA-KAT-COVID.EPI/57/3-2020 vom 12.3.2020

 

Dieser Verordnung ging Folgendes voraus:

Am Mittwoch, 11.03.2020, wurde zunächst die Erkrankung eines Wirtes aus St. Anton bekannt. Auch eine Mitarbeiterin der Silvretta Seilbahnen AG, die im Restaurant A*** arbeitete, wies ab 10.03.2020 Symptome auf und wurde unverzüglich nach Hause geschickt. Nachdem die beiden Vorstände der Silvretta Seilbahnen AG am Morgen des 11.03.2020 davon in Kenntnis gesetzt worden waren, ordneten sie die sofortige Schließung des A*** an und ersuchten alle Mitarbeiter*innen, nach Hause zu gehen. Einige dieser Mitarbeiter*innen wollten sich testen lassen, was jedoch aufgrund ihrer Symptomlosigkeit nicht möglich war.

Um 13:59 Uhr teilte Dr. Karl E*** BH HR Dr. Markus M*** seine medizinische Einschätzung mit. Diese lautete wie folgt:

„Aufgrund meiner seit Freitag erhobenen Daten, positiven Rachenabstricheergebnissen, Erkrankten sowie Rückmeldungen vom Ausland über erkrankte heimreisende Gäste an SARS-CoV-2 ist jedenfalls im Raum hinteres Paznauntal, aber auch zunehmend im Bereich St. Anton eine hohe Infektionsrate besonders unter den Mitarbeitern in Gastgewerbebetrieben anzunehmen. Weiters kommen jedes Wochenende internationale Gäste, ohne jegliche Kontrollmöglichkeiten über deren Gesundheitszustand, sodass auch zu erwarten ist, dass Neuerkrankungen wieder eingetragen werden. Mir ist auch aufgefallen, dass sich zunehmend die Screeningabläufe für Abstriche verselbstständigen und auch bei Personen Abstriche entnommen werden, die gar nicht in die Falldefinition passen. Leider hatten wir auch da positive Labormeldungen, was meine Meinung bestärkt. Wahrscheinlich ist es deshalb bei einer derartigen hohen Infektionsrate nur mehr mit drastischen Maßnahmen, ähnlich wie in Südtirol, möglich die Situation in den Griff zu bekommen.“ 

Am Nachmittag des 11.03.2020 um 15:45 Uhr fand zwischen BH HR Dr. M*** und LH P*** eine Besprechung im Büro des Landeshauptmannes statt. Wer neben dem Landes- und dem Bezirkshauptmann noch an dieser Sitzung bzw. Besprechung teilgenommen hat, lässt sich nicht mehr feststellen.

Thema dieser Besprechung war, wie von BH HR Dr. M*** in seinen Notizen und im Protokoll des Krisenstabes vermerkt wurde, dass er zunächst die Situation in Ischgl darlegte. Sodann wurde ihm von LH Günther P*** mitgeteilt, dass bis Freitag 13.03.2020 das Skigebiet geschlossen werden soll. Freitag sollte der letzte Skitag sein, am Samstag und Sonntag hätte die Abreise der Gäste erfolgen sollen, am Montag dann die Schließung der Hotels. Dazu hätte die BH Landeck verkehrsbeschränkende Maßnahmen erlassen sollen, um die Zu- und Abreise, insbesondere natürlich die Zureise nach Ischgl, zu untersagen.

Damals war – entsprechend der Erinnerung von BH HR Dr. M*** – mit Sicherheit nur von Ischgl die Rede. BH HR Dr. M*** war die Problematik bewusst, dass es sich hier um massive Grundrechtseingriffe handelte, die eine eindeutige Rechtsgrundlage erfordern. Solche grundrechtsintensiven Maßnahmen erfordern eine eindeutige Rechtsgrundlage. Aufgrund des EpG war es keinesfalls möglich, für Gemeinden Maßnahmen zu erlassen, in denen es keine Fälle gab.

BH HR Dr. M*** gab anlässlich seiner Einvernahme an, dass auch besprochen worden sei, dass man die Gäste nicht einfach abreisen lassen sollte. Man würde eine Art von Management oder Konzept entwickeln müssen, damit man erforderlichenfalls die Heimatländer dieser Gäste verständigen könne. In dieser Sitzung habe es dann den Auftrag an LAD HR Dr. F*** gegeben, ein solches Konzept zu entwickeln. BH HR Dr. M*** konnte aber nicht ausschließen, dass auch darüber gesprochen worden sei, dass man auf die Gästemeldedaten zurückgreifen könne.

Ab Mittwochabend (11.03.2020) bzw. ab Donnerstag (12.03.2020) beschäftigten sich die Verantwortlichen der BH Landeck damit, wie die anlässlich der Sitzung mit dem Landeshauptmann besprochene „touristische Entleerung“ verordnungsmäßig bewerkstelligt werden könnte. Einerseits war die Frage zu klären, wie die aus Ischgl abreisenden Gäste allenfalls zu erfassen wären, um im Bedarfsfalle ihre Heimatländer benachrichtigen zu können. Andererseits wurde darüber diskutiert, durch welche verordnungsmäßigen Vorgaben sichergestellt werden könnte, dass keine neuen Gäste mehr ins Tal einreisen. Die Verantwortlichen mussten auch die Frage klären, unter welchen Voraussetzungen allenfalls infizierte Gäste aus medizinischer Sicht abreisen könnten.

Erst um 16:55 Uhr wurde bekannt, dass sich 6 Niederländer in St. Anton infiziert haben dürften.

In einer Pressekonferenz am selben Abend (11.03.2020, 18:00 Uhr) verkündete LH Günther P***, dass es immer mehr Infizierte in Ischgl geben würde. Um den Schutz von Bevölkerung, Mitarbeiter*innen und Gästen zu gewährleisten, werde ab Samstag, dem 14.03.2020, für die nächsten zwei Wochen der Skibetrieb in Ischgl untersagt. Die Maßnahme werde von der Behörde im Rahmen des Epidemiegesetzes durchgesetzt und sei mit Ischgl abgesprochen.

Tatsächlich traf diese Entscheidung die Verantwortlichen, insbesondere die Geschäftsführer des Tourismusverbandes, praktisch unvorbereitet. Sowohl Mag. Dietmar W*** als auch Mag. Günther Z*** wurden eine halbe Stunde vor der entsprechenden Pressekonferenz darüber in Kenntnis gesetzt, dass diese Maßnahme nunmehr verkündet werde. Dass es in diesem Zusammenhang keine Interventionen oder Ähnliches gegeben hatte bzw. solche versucht wurden, ergibt sich auch aus einem E-Mail des TVB vom selben Abend. Zunächst teilte der TVB mit Mail von 18:55 Uhr den Vermieter*innen mit, dass entsprechend der Pressekonferenz der Tiroler Landesregierung verordnet werde, dass der Skibetrieb in Ischgl ab kommenden Samstag, dem 14.03.2020, für zwei Wochen untersagt sei.

Um 20:19 Uhr teilte der TVB den Vermieter*innen bzw. seinen Mitgliedsbetrieben mit, dass dieser Schritt, nämlich die Schließung des Skigebiets, nicht absehbar gewesen sei und auch nicht mit ihnen abgestimmt worden wäre. Es sei weder mit den Vertretern des TVB, den Seilbahnen noch mit weiteren wesentlichen Repräsentant*innen vor Ort gesprochen worden. Obwohl man in ständigem Austausch mit dem Land Tirol und dem Landeshauptmann gestanden sei, sei der TVB erst kurz vor der Pressekonferenz über dieses Vorhaben in Kenntnis gesetzt worden.

Das Ansinnen des TVB sei es gewesen, die Umsetzung und die Auswirkungen dieser komplexen Entscheidungen mit den Behörden zu planen und Maßnahmen vor allem auch im Sinne der Rechtssicherheit für die Betriebe zu organisieren. Nun sei es aber nach dieser Verlautbarung völlig offen, wie es jetzt weitergehen würde.

Die Bezirkshauptmannschaft Landeck übermittelte bereits um 18:32 Uhr des 11.03.2020 einen ersten Entwurf einer entsprechenden Verordnung an LAD HR Dr. Herbert F***. Der Entwurf sah ein Inkrafttreten der Verordnung am 14.03.2020 vor und teilte BH HR Dr. M*** mit, dass die Verordnung am Donnerstag versendet werden würde. LAD HR Dr. F*** antwortete, dass er dem ihm übermittelten Entwurf zustimme.

Am Abend des 11.03.2020 übermittelte eine Mitarbeiterin der BH Landeck an BH HR Dr. M*** eine aktualisierte Liste, aus der sich ergab, dass bei 169 Verdachtsfällen 30 positiv Getestete einen Bezug zu Ischgl aufwiesen. 4 erkrankte Personen seien nicht in Ischgl, Kappl, See, Galtür oder Pfunds zu verorten.

Am 11.03.2020 um 22:23 Uhr schrieb Dr.in Anita L***-H*** an HR Dr. Franz K***, aber auch an den Landesamtsdirektor, dass in St. Anton, Ischgl und Kappl die Saison „niedergefahren“ werden müsse.

Am 12.03.2020 um 08:00 Uhr wies der Lagebericht Tirol für Landeck 142 Verdachtsfälle und 42 positiv Getestete auf. Um 14:00 Uhr waren es bei 170 Verdachtsfällen 43 positive.

Am 12.03.2020 um 8:43 Uhr ersuchte der Landesamtsdirektor zwei Mitarbeiter des Landes Tirol um rechtliche Abklärungen. In diesem Mail wies er darauf hin, dass in Ischgl wohl das Saisonende sichergestellt werden müsse, da die Zahlen eine deutliche Sprache sprechen würden.

Anlässlich der Stabssitzung der LEL wurde am 12.03.2020 im Protokoll festgehalten, dass die AGES festgestellt habe, dass das Oberland ein lokaler Cluster für Coronavirus-Infektionen sei. Man müsse davon ausgehen, dass auch Personen, welche keinen Auslandskontakt oder Kontakt mit Infizierten hatten, sich anstecken könnten. Mit Stand 12.03. gab es in ganz Tirol 79 positive Fälle. Insgesamt gab es laut Landessanitätsdirektor HR Dr. Franz K*** an diesem Tag 1292 Verdachtsfälle, wobei noch 225 Proben offen seien. Im Zusammenhang mit der Clusterfeststellung für das Oberland wurde von Landesamtsdirektor-Stellvertreterin Mag.a Barbara S*** festgehalten, dass der Amtsarzt der BH Landeck darüber informiert werden müsse, um die Verdachtsfalldefinition auszuweiten.

Das Land Tirol berichtete dem SKKM, dass die Maßnahmen in Bezug auf Ischgl verschärft worden seien und davon auszugehen sei, dass der Tourismus eingestellt werde.

Um 10:31 Uhr übermittelte Mag. G*** BH HR Dr. M*** die zweite Fassung der Verordnung des Verbotes der Personenbeförderung und des Unterhaltungsgastgewerbes.

Nun wurde anstelle von Apres-Ski-ähnlichen Aktivitäten festgehalten, dass Gastgewerbebetriebe, die rein der Unterhaltung dienen, zu schließen seien. Die Verordnung sollte mit 14.03.2020 12:00 Uhr in Kraft treten und unverzüglich kundgemacht werden.

Diese Änderung der Definition der zu schließenden Gastgewerbebetriebe fußte auf einer Besprechung zwischen Mag. G*** und Mag. T***.

Um 10:56 Uhr erhielt BH HR Dr. M*** einen Anruf aus Innsbruck, wobei sein Gesprächspartner entweder der Landesamtsdirektor oder der Landeshauptmann war. In diesem Telefonat wurde festgelegt, dass die betreffende Verordnung mit 14 Tagen zu befristen sei. Eine genaue Festlegung auf seinen Gesprächspartner war BH HR Dr. M*** nicht möglich.

Die als Zeugen einvernommenen Mitarbeiter des Büros des Landeshauptmannes (Dr. Stephan W***, Florian T*** MSc MBA und Dr. Kurt B***) gaben an, sich an derartige Telefonate mit BH HR Dr. M*** nicht erinnern zu können. Florian T*** MSc MBA meinte, dass er sich nicht vorstellen könne, dass es von Seiten des Büros des Landeshauptmannes ein „OK“ für die Erlassung von Verordnungen gegeben hätte. Er sei der Meinung, dass dies eigentlich eine Aufgabenverteilung zwischen den einzelnen Stäben sei. Demnach müsste die Abstimmung seiner Erinnerung nach zwischen dem Leiter des Landeseinsatzstabes und der BH Landeck stattgefunden haben.

Florian T*** MSc MBA erklärte weiters, dass es seiner Erinnerung nach bezüglich der „Ischgl-Problematik“ für ihn nach dem 11.03.2020 keine weiteren Diskussionen gegeben hätte bzw. das Ganze für ihn eigentlich kein Thema mehr gewesen sei. Dr. Stephan W*** führte aus, dass er seiner Erinnerung nach in der Woche vom 07.03.2020 bis 13.03.2020 keinen persönlichen Kontakt mit BH HR Dr. M***, Mag. G*** oder Mag. T*** gehabt hätte.

Dr. Kurt B*** gab an, dass das Büro des Landeshauptmannes grundsätzlich nicht operativ tätig sei. Deshalb habe er selbst auch keine Verordnungen oder Ähnliches ausgearbeitet. Man sei im Büro des Landeshauptmannes lediglich darüber informiert worden, was geplant und gemacht worden sei. Man habe gewusst, was im Verordnungswege erlassen werde, in die Ausarbeitung derartiger Rechtsakte sei das Büro des Landeshauptmannes jedoch nicht involviert gewesen. Er führte auch aus, dass er Kontakt mit BH HR Dr. M*** im Zusammenhang mit der Ausarbeitung jener Verordnung hatte, durch die bezirks- bzw. in weiterer Folge landesweit das Ende der Wintersaison sichergestellt werden sollte. Darüber hinausgehende Abstimmungen bzw. Gespräche mit BH HR Dr. M*** im Zusammenhang mit anderen Verordnungen seien ihm nicht erinnerlich. Er könne selbstverständlich nicht ausschließen, dass es auch noch andere Abstimmungen gegeben habe.

Am 12.03.2020 um 12:19 Uhr informierte BGM Werner K*** BH HR Dr. M*** darüber, dass die Verantwortlichen in Ischgl entschieden hätten, die Wintersaison mit 13.03. zu beenden.

Davon unterrichtete BH HR Dr. M*** 6 Minuten später telefonisch die Verantwortlichen in Innsbruck. Mit wem konkret er dieses Telefonat führte, lässt sich nicht feststellen. Er hält in diesem Zusammenhang in seinen handschriftlichen Notizen und auch im Protokoll des Krisenstabes das folgende fest: „HLH: Ohne zeitliche Beschränkung, mit Tag Kundmachung“.

Diese Information gab BH HR Dr. M*** an Mag. G*** weiter, der den bisherigen Verordnungsentwurf, in welchem ein Inkrafttreten mit 14.03.2020, 12:00 Uhr, angeführt war auch entsprechend abänderte. Gemäß dem abgefertigten Verordnungstext sollte diese nunmehr am Tag der Kundmachung in Kraft treten. Die Endfassung wurde um 12:37 Uhr fertiggestellt und um 14:33 Uhr abgefertigt.

Im Unterschied zu den Entwürfen entfiel bei der abgefertigten Verordnung im Rahmen der Zustellverfügung bezüglich der Gemeinde Ischgl das Wort „unverzüglich“. Die bisherigen Entwürfe sahen eine Zustellung an die Gemeinde Ischgl mit dem Ersuchen um unverzügliche Kundmachung vor. Die schließlich abgefertigte Verordnung wurde der Gemeinde Ischgl mit dem Ersuchen um Kundmachung übermittelt. Mag. G*** gab diesbezüglich an, dass die Abänderung der Formulierung betreffend die Kundmachung keinen spezifischen Hintergrund hatte. Er geht davon aus, dass nach Abänderung der Bestimmung über das Inkrafttreten auch diese Formulierung mit geändert worden sei.

Tatsächlich durch Anschlag kundgemacht wurde diese Verordnung durch die Gemeinde Ischgl am 14.03.2020.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Tiroler Landesrecht keine klaren gesetzlichen Vorgaben betreffend die Kundmachung von Verordnungen durch die Gemeinden, wie zB in Kärnten das Gesetz über das Kundmachungswesen, kennt.

Mag. G*** gab an, dass die Tiroler Gemeindeordnung die Gemeinden verpflichte, an sie abgefertigte Verordnungen an der Amtstafel kundzumachen. Er nimmt dabei augenscheinlich auf § 60 TirGemO Bezug, wobei diese Ansicht seitens der Staatsanwaltschaft nicht geteilt wird. In diesem Punkt wird auch der Meinung der Unabhängigen Expertenkommission nicht beigetreten, weil diese Bestimmung lediglich Kundmachungen von Rechtsakten der Gemeinde selbst betrifft, spricht sie doch von Verordnungen der Gemeindeorgane und Rechtsakten, die der aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedürfen. Die Kundmachung von Verordnungen anderer (übergeordneter) Behörden ist damit nicht davon umfasst.

Im bezughabenden ELAK (elektronischer Akt) der Bezirkshauptmannschaft Landeck ist nachfolgender Vermerk enthalten: „Laut Mitteilung BGM K*** (Ischgl) wird die gegenständliche Verordnung am 14.3.2020, 8:00 Uhr an der Amtstafel der Gemeinde Ischgl kundgemacht.“ Die entsprechende Bemerkung wird bei einem Export des ELAK nicht übernommen. Wer diesen Vermerk in den ELAK aufgenommen und wann dieser Vermerk erfasst wurde, war nicht klärbar.

Am 13.03.2020 waren die Skilifte in Ischgl unverändert in Betrieb. An diesem Tag besuchten 5.760 Personen, demnach lediglich die Hälfte der Besucher des Vortages, das Skigebiet in Ischgl. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die drei von Ischgl ausgehenden Zubringerseilbahnen eine Förderleistung von über 9.000 Personen pro Stunde bei voller Kapazitätsleistung erbringen. An diesem Tag wurden insgesamt 456 Tageskarten an den 18 stationären Kassen und von rund 100 Hotels, die ebenfalls Tickets vertreiben können, verkauft. In dieser Zahl sind 66 Nachmittagskarten enthalten. Gleichzeitig wurden insgesamt im Zuge der von der Silvretta-Seilbahn AG initiierten Umtauschaktion 1.639 Freikarten ausgestellt.

Die Vorstände der Silvretta Seilbahnen AG teilten per Mail gegen 16:00 Uhr des 12.03.2020 sowohl dem Amt der Tiroler Landesregierung als auch der Obersten Seilbahnbehörde in Wien mit, dass der Fahrgastbetrieb am 14.03.2020 eingestellt werde, weil die Verantwortlichen das frühzeitige Saisonende in Ischgl beschlossen hätten.

Ebenfalls um 16:00 Uhr ersuchte Anton M***, Bürgermeister von Galtür und Obmann des Planungsverbandes Paznaun, BH HR Dr. M*** im Hinblick darauf, dass seitens der Gremien beschlossen worden war, den Skibetrieb auch in Galtür, Kappl und See per 13.03.2020, 17:00 Uhr zu beenden, um eine entsprechende Verordnung.

Warum und auf welcher Grundlage die Bestimmung über das Inkrafttreten in Abkehr zu den bisherigen Entwürfen, die ein Inkrafttreten erst am 14.03.2020 vorsahen, abgeändert wurde, konnte im Zuge des Ermittlungsverfahrens nicht geklärt werden.

BH HR Dr. Markus M***, Mag. Siegbert G*** und Dr. Karl E*** gaben anlässlich ihrer Anhörungen vor der Unabhängigen Expertenkommission des Landes an, dass ihrer Meinung nach der Skibetrieb in Ischgl bereits am 13.03.2020 nicht mehr stattgefunden habe. Im Rahmen seiner Einvernahme als Beschuldigter erklärte BH HR Dr. M*** seine Angaben betreffend das Datum 13.03.2020 jedoch mit einem Irrtum.

Der Plan sei gewesen, das Tal am Wochenende leer zu fahren. Dafür seien bereits ab Mittwoch (11.03.2020) Vorbereitungen getroffen worden und habe man beabsichtigt, eine Gästeanreise am Samstag zu verhindern.

Mag. G*** ging davon aus, dass am Freitag kein Skibetrieb mehr stattfinden werde und bestätigte den von BH HR Dr. M*** geschilderten Plan, wonach das Tal am Wochenende leer gefahren werden sollte.

Auch anlässlich seiner Einvernahme als Beschuldigter führte er diesbezüglich aus, dass er nie daran gezweifelt habe, dass die Verordnung am Nachmittag des 12.03.2020 kundgemacht worden sei und demnach die Seilbahnen am 13.03.2020 keinen Skibetrieb mehr gehabt hätten.

Dem widersprechend gab BGM Werner K*** bereits anlässlich seiner Anhörung vor der Unabhängigen Expertenkommission an, dass er mit der Bezirkshauptmannschaft Rücksprache gehalten habe. Er wisse nicht mehr, ob er mit BH HR Dr. M*** oder Mag. G*** gesprochen habe. Er habe deswegen rückgefragt, weil die Verordnung bereits am Nachmittag des 12.03.2020 bei der Gemeinde eingelangt sei, dies jedoch entgegen der Aussage des Landeshauptmannes bzw. dessen Aussagen in der Pressemitteilung bedeutet hätte, dass der Skibetrieb bereits am 13.03.2020 einzustellen gewesen wäre. Er habe sich daher bei der BH rückversichert, ob nunmehr eine tatsächliche Änderung der Situation vorliege oder nicht.

Durch ein Schreiben seines Verteidigers, welches er im Zuge seiner Einvernahme vor der Staatsanwaltschaft jedoch als nicht autorisiert qualifizierte, ließ BGM Werner K*** in diesem Ermittlungsverfahren wissen, dass die Kundmachung der hier relevanten Verordnung deswegen nicht am 12.03.2020 erfolgt sei, weil ihm seitens eines Vorstandes der Silvretta Seilbahnen AG mitgeteilt worden sei, man habe bereits mit der BH Rücksprache gehalten und sei mitgeteilt worden, dass die Verordnung zu keiner Änderung der bisherigen Sachlage bezüglich der von LH Günther P*** angekündigten Schließung per 14.03.2020 führen würde.

Anlässlich seiner Einvernahme als Beschuldigter erklärte BGM Werner K*** seinen bisherigen Angaben widersprechend, dass er am 12.03.2020 um 12:19 Uhr – und somit vor Abfertigung der Verordnung durch die Bezirkshauptmannschaft - mit BH HR Dr. Markus M*** bezüglich der Beendigung der Wintersaison in Ischgl telefoniert und bereits im Zuge dieses Gesprächs nachgefragt habe, wann die noch gar nicht vorliegende Verordnung betreffend Schließung des Skigebiets nun in Kraft treten werde.

Abgesehen davon, dass eine derartige Anfrage bei einer noch nicht abgefertigten Verordnung überhaupt keinen Sinn machte, kann sich BH HR Dr. M*** an ein derartiges Gespräch nicht erinnern. Er war sich jedoch sicher, dass er um 12:19 Uhr mit dem Bürgermeister nicht über die zu diesem Zeitpunkt noch nicht erlassene Verordnung gesprochen habe.

Der Darstellung von BGM Werner K*** ebenfalls widersprechend wird in dem von Amtsleiter Albert S*** mit 12.03.2020 datierten Aktenvermerk festgehalten, dass BGM K*** mit Mag. G*** telefoniert habe und mitgeteilt worden sei, dass die Verordnung erst am 14.03.2020 morgens kundgemacht werden solle, da der Landeshauptmann als letzten Skitag den 13.03.2020 festgelegt habe.

Als Zeuge befragt gab Albert S***, der Amtsleiter der Gemeinde Ischgl, an, dass er BGM Werner K*** nach Einlangen der Verordnung deswegen angerufen habe, weil für ihn in Bezug auf das Inkrafttreten eine Änderung zur Ankündigung des Landeshauptmannes vom Vorabend erkennbar gewesen sei. Ihm sei dann durch den Bürgermeister mitgeteilt worden, dass dieser bereits mit der BH Rücksprache gehalten habe und keine Änderung eingetreten sei. Er wisse jedoch nicht mehr, ob ihm BGM Werner K*** tatsächlich mitgeteilt habe, mit wem konkret er Rücksprache gehalten habe. Albert S*** schließe nicht aus, dass er deswegen Mag. G*** in dem Aktenvermerk angeführt habe, weil die bezughabende Verordnung ja von ihm stammte.

Auch Mag. Günther Z*** gab als Zeuge einvernommen an, er habe mit BH HR Dr. M*** betreffend die Verordnung, die ihm zum Zeitpunkt des Telefonats bereits vorgelegen sei, telefoniert und sei auch ihm mitgeteilt worden, dass es zu keiner Änderung der Sachlage – nämlich Schließung per 14.03.2020 - gekommen sei.

Ein solches Telefonat ist BH HR Dr. M*** nicht in Erinnerung und wurde von ihm – anders als zahlreiche andere Gespräche – auch nicht notiert. Er konnte ein solches aber auch nicht ausschließen. Ergänzend brachte er dazu vor, dass er Mag. Z*** eine derartige Auskunft gar nicht erteilen hätte können, weil er zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung gar nicht wissen hätte können, ob die Gemeinde die Verordnung allenfalls schon kundgemacht habe.

BH HR Dr. M*** erklärte anlässlich seiner Einvernahme als Beschuldigter wiederholt, dass für ihn stets der „Rote Faden“ gewesen sei, dass der 13.03.2020 der letzte Skitag sei und dass das Tal dann in weiterer Folge am 14.03.2020 langsam „leergefahren“ werde. Er habe sich bezüglich der Daten anlässlich seiner Anhörung durch die Unabhängige Expertenkommission geirrt, indem er bei seinen Angaben zur Skigebietsschließung den Freitag (13.03.2020) und den Samstag (14.03.2020) verwechselt habe.

Es habe keine Abänderung der Einschätzung der epidemiologischen Lage und der zur Pandemiebekämpfung notwendigen Maßnahmen im Vergleich zur Besprechung am Mittwochabend beim Landeshauptmann gegeben.

Angesichts des festgestellten Eintrages im ELAK ist gesichert davon auszugehen, dass BGM Werner K*** telefonisch mit einem nicht mehr feststellbaren Verantwortlichen der BH Landeck entweder vereinbarte oder diesem lediglich mitteilte, dass die SkigebietsschließungsVO erst am 14.03.2020 kundgemacht werden würde. BH HR Dr. M*** gab diesbezüglich an, dass er diesen Eintrag sicher nicht geschrieben habe. Er verstehe vom ELAK nichts, könne keinen ELAK anlegen und auch keine Eintragungen im ELAK vornehmen.

Zu prüfen war daher, ob insbesondere unter Berücksichtigung der steigenden Infektionszahlen, des bereits zitierten E-Mails von Dr.in Anita L***-H*** am Abend des 11.03 um 22.23 Uhr und dem Ersuchen des LAD HR Dr. Herbert F*** am Morgen des 12.03. die Schließung des Skigebietes von Ischgl entgegen der Ankündigung am 11.03.2020 bereits für den 13.03.2020, und nicht erst für den 14.03.2020, durch die Abänderung der Bestimmung bezüglich Inkrafttreten bewirkt werden hätte sollen.

Die als Zeugen einvernommenen Mitarbeiter des Büros des Landeshauptmannes geben an, dass für sie keine Hinweise vorgelegen hätten, dass man in Ischgl nunmehr rascher reagieren müsse, als dies ursprünglich vereinbart gewesen sei. Dr. Stephan W*** kann sich nicht daran erinnern, dass sich die Beurteilung der Situation in Ischgl von Mittwoch, dem 11.03.2020, gegen 16.00 Uhr, bis Donnerstag dem 12.03.2020, 12.00 Uhr, derart massiv verschlechtert hätte, dass ein noch rascheres Handeln notwendig gewesen wäre.

Florian T*** MSc MBA sagte aus, dass es für ihn nach der Entscheidung vom Abend des 11.03.2020, wonach der Skibetrieb per 14.03.2020 beendet werde, keine Diskussionen betreffend Ischgl mehr gegeben habe. Dr. Kurt B*** hat keine Erinnerung daran, dass im Büro des Landeshauptmannes gegen die Mittagszeit des 12.03.2020 darüber diskutiert bzw. gesprochen worden sei, dass man in Ischgl nun sofort den Skibetrieb einstellen müsse.

LH Günther P*** erklärte, dass er am 12.03.2020 den gesamten Tag damit beschäftigt gewesen sei, die Beendigung der Wintersaison in ganz Tirol vorzubereiten.

Auch LAD HR Dr. Herbert F*** kann sich die Änderung bezüglich des Inkrafttretens in der Verordnung betreffend die Skigebietsschließung nicht erklären. Er könne nicht sagen, was der Grund für die Abänderung der Inkrafttretens-Bestimmung gewesen sei.

Aus den bei LAD HR Dr. Herbert F*** sichergestellten Unterlagen lassen sich auch keine weiteren Erkenntnisse ableiten. Vielmehr befindet sich in den Unterlagen von LAD HR Dr. F*** der Entwurf der Verordnung, die noch das Inkrafttretensdatum mit 14.03.2020 beinhaltet. Auf diesem sind weitere handschriftliche Vermerke feststellbar, wie die 14-tägige Befristung und ein Vermerk „HBMG“.

In den bei LAD HR Dr. Herbert F*** sichergestellten Unterlagen wurde ein bislang nicht bekanntes E-Mail von Bettina S*** BA MSc gefunden. Darin wurde festgehalten, dass der Skibetrieb ab Samstag in Ischgl untersagt sei. Dieses Mail wurde am 12.03.2020 um 12:04 Uhr verschickt. Daraus kann man erschließen, dass zu diesem Zeitpunkt jedenfalls sie davon ausgegangen ist, dass die Skilifte in Ischgl am 13.03.2020 noch in Betrieb sein würden.

Weiters hält LAD HR Dr. F*** in seinen handschriftlichen Aufzeichnungen fest, dass er über das Saisonende in Ischgl informiert worden sei (HBH M***, Bürgermeister K*** Ischgl 13. März, Saisonende, Verordnung ist draußen und Tag der Kundmachung „unbefristet“).

Aufgrund dieser Mitschrift ist davon auszugehen, dass die Änderung der Verordnung vom 12.03.2020 tatsächlich Gesprächsthema zwischen LAD HR Dr. Herbert F*** und BH HR Dr. Markus M*** war. Doch gab LAD HR Dr. Herbert F*** dazu befragt an, dass er sich an die zeitlichen Abfolgen – auch unter Vorhalt der handschriftlichen Aufzeichnungen von BH HR Dr. Markus M*** – nicht erinnern könne. Er hätte, wenn tatsächlich zunächst eine 14-tägige Befristung vorgesehen gewesen und diese dann entfallen wäre, sicher mit dem Landeshauptmann Rücksprache gehalten. Er könne sich an die gesamte Thematik mit der SkigebietsschließungsVO nicht erinnern.

Über Vorhalt seiner Aufzeichnungen geht er davon aus, dass BH HR Dr. M*** ihm telefonisch die Vorbereitungen bereits mitgeteilt haben dürfte. Bei diesem Vermerk handle es sich sicher um eine Notiz, die er zwischen Tür und Angel mitgeschrieben habe.

Befragt, ob es zwischen dem Mittwochabend, also nach der Pressekonferenz des Landeshauptmannes, und Donnerstag gegen Mittag, als die Abänderung der bisherigen Bestimmungen bezüglich des Inkrafttretens vorgegeben wurde, eine gravierende Änderung in Bezug auf die Gefahreneinschätzung zu lschgl gegeben hätte, die eine sofortige Schließung der Skigebiete erforderlich gemacht hätte, erklärte LAD HR Dr. Herbert F***, dass sich die Zahlen in lschgl schon dynamisch entwickelt hätten. Er habe jedoch keine Wahrnehmungen dazu gemacht, dass sich die Lage in lschgl derart dramatisch verändert hätte, dass von der mit dem Landeshauptmann vereinbarten Vorgehensweise abgegangen werden hätte sollen.

Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass nicht festgestellt werden kann, von wem konkret und aufgrund welcher, der Bezirkshauptmannschaft offenbar auch gar nicht kommunizierter Überlegungen die Abänderung des ursprünglichen Entwurfs veranlasst wurde.

Gegen BH HR Dr. Markus M*** war der Verdacht zu prüfen, ob er dadurch, dass er trotz zuvor beauftragter und durchgeführter Änderung der Inkrafttretensbestimmung von „14.03.2020, 12:00 Uhr“ auf „am Tag der Kundmachung“ bei der am Nachmittag des 12.03.2020 an die Gemeinde Ischgl mit dem Ersuchen um Kundmachung sowie der Silvretta Seilbahnen AG zur Kenntnisnahme übermittelten SkigebietsschließungVO sowohl dem Bürgermeister von Ischgl als auch Verantwortlichen der Silvretta-Seilbahn AG mitteilte, dass die darin angeordneten Maßnahmen in Entsprechung der Ankündigung von LH Günther P*** erst ab 14.03. gelten sollten, den Skibetrieb auch noch am 13.03.2020 samt damit allenfalls verbundener Herbeiführung der Gefahr der Verbreitung von COVID-19 herbeigeführt hat und dafür verantwortlich ist.

Das lässt sich nicht mit der für eine Anklageerhebung notwendigen Sicherheit feststellen. Es kann nicht festgestellt werden, dass BH HR Dr. Markus M*** BGM Werner K*** nach Abfertigung der Verordnung tatsächlich mitgeteilt hat, dass die Verordnung erst ab 14.03.2020 in Geltung sein werde. Feststellbar ist nur, dass BGM Werner K*** BH HR Dr. Markus M*** um 12:19 Uhr des 12.03.2020 – demnach Stunden vor der tatsächlichen Abfertigung der Verordnung - telefonisch davon in Kenntnis gesetzt hat, dass die Verantwortlichen in Ischgl das Saisonende per 13.03.2020 beschlossen hatten.

Ungeklärt geblieben ist weiters, wer für den Eintrag im ELAK verantwortlich ist und wann dieser Eintrag erfolgte. Ausgehend von den Beweisergebnissen ist es auch möglich, dass BGM Werner K*** im Hinblick auf die Pressekonferenz des Landeshauptmannes seinerseits der BH lediglich mitteilte, dass die Verordnung erst am 14.03. kundgemacht werde.

Auch das von Mag. Günther Z*** angeführte Telefonat mit BH HR Dr. Markus M*** kann nicht mit der notwendigen Sicherheit festgestellt werden, weil weder er selbst noch der zweite Vorstand der Silvretta-Seilbahn AG ein derartiges Telefonat anlässlich ihrer Anhörung vor der Expertenkommission erwähnt haben. Dieses wurde erstmals in einer – von ihm anschließend aber als „nicht autorisiert“ qualifizierten - Stellungnahme von BGM Werner K*** ins Treffen geführt. Auch der Einwand von BH HR Dr. M***, wonach er eine derartige Auskunft nicht erteilen könne, weil er nicht wissen könne, ob die Gemeinde die Verordnung bereits kundgemacht habe oder nicht, ist nicht von der Hand zu weisen.

Aber selbst wenn man davon ausginge, dass BH HR Dr. Markus M*** BGM Werner K*** und Mag. Günther Z*** mitgeteilt habe, dass die abgefertigte Verordnung keine Änderung vom bereits öffentlich angekündigten Vorgehen, nämlich Beendigung der Skisaison in Ischgl am 14.03.2020 darstelle, trifft ihn diesbezüglich keine strafrechtlich relevante Verantwortlichkeit, und zwar aufgrund nachfolgender Sachverhaltsannahmen bzw. Erwägungen:

Zunächst hat sich die epidemiologische Lage im Vergleich zum Abend des 11.03.2020, an dem die Besprechung zwischen LH Günther P*** und BH HR Dr. Markus M*** stattgefunden hatte, nicht derart drastisch verschlechtert, dass daraus zwingend eine unverzügliche Reaktion in Form einer um einen Tag früheren Schließung des Skigebiets ableitbar ist.

Nach den Aussagen des Landeshauptmannes bei der Pressekonferenz am Abend des 11.03.2020 war Zweck und Intention der von ihm angekündigten vorläufige Beendigung der Wintersaison in Ischgl die Verhinderung der Anreise neuer Gäste am Wochenende. Dass allein schon diese Ankündigung sich auf das Verhalten der Gäste vor Ort und Tagestouristen auch durchaus auswirkte, zeigt sich an den Zutrittszahlen zum Skigebiet über Ischgl. Hielten sich am 12.03.2020 noch 10.543 Gäste im Skigebiet auf, waren es am 13.03.2020 nur noch 5.760.

Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang auch der im Ermittlungsverfahren mehrfach vorgebrachte Einwand, dass die Schließung eines einzelnen Lokals wie dem „K***“, aber auch die bloße Einstellung des Skibetriebs bei weiterem Betrieb sowohl der anderen Lokale und Hotels in Ischgl als auch benachbarter Skigebiete ein Zusammenströmen von Menschenmengen nicht verhindern, sondern lediglich an andere Orte verlagern würde, ebenso beachtlich und berechtigt. Gleiches gilt für die von den Beteiligten vorgenommene Einschätzung, dass beim Skifahren, also einer sportlichen Betätigung im Freien, unter Berücksichtigung der bereits geltenden Kapazitätsbeschränkungen im Bus- und Seilbahnverkehr eine vergleichsweise geringe Infektionsgefahr besteht.

Die Ansteckungsgefahr beim Skifahren kann mit jener in geschlossenen Räumen jedenfalls nicht gleichgesetzt werden. Im Zusammenhang mit geöffneten Skigebieten konnten auch in weiterer Folge von der AGES keine Infektionen festgestellt werden. Weiters wurde eine frühere Schließung des Skigebiets, nämlich am 13.03.2020, nie öffentlich kommuniziert. Noch zu Mittag des 12.03.2020 wurde der 13.03.2020 als letzter Skitag von einer Mitarbeiterin der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit mitgeteilt.

Die Entscheidung, das Skigebiet in Ischgl und in weiterer Folge alle Skigebiete in Tirol zu schließen, war – wie die vom Bund am 13.03.2020 geforderte Quarantäne – eine klare politische Entscheidung, die aufgrund der Informationen aus den Stäben und nach politischer Abstimmung auf Bundesebene, getroffen wurde.

Zusammenfassend ist aufgrund dieser Umstände ein objektiv sorgfaltswidriges Verhalten des BH HR Dr. Markus M*** im Sinne des oben angeführten Anfangsverdachtes nicht festzustellen.

Daher ist ein strafrechtlich relevantes Verhalten von Bezirkshauptmann HR Dr. Markus M***, seines Stellvertreters Mag. Siegmund G*** und auch des Bürgermeisters von Ischgl Werner K*** im Zusammenhang mit der SkigebietsschließungsVO zu verneinen.

4.6.5. Die Verordnung vom 13.03.2020 LA-KAT-COVID-EPI/57/9-2020 betreffend das Verbot der Zu- und Abfahrt in das Paznaun und St. Anton am Arlberg

 

Im Zusammenhang mit dieser Verordnung zur Verhängung der Quarantäne über das Paznaun und St. Anton am Arlberg war der zeitliche Ablauf zu klären. Aufgrund der zunächst bekannt gewordenen Umstände ergab sich ein durch weitere Ermittlungen zu klärender Anfangsverdacht nach §§ 178, 179 StGB wegen allenfalls nicht rechtzeitiger oder unzulänglicher Veranlassungen durch die an der Umsetzung beteiligten BH HR Dr. Markus M***, seinen Stellvertreter Mag. Siegmund G*** und den weiteren Referenten Mag. Bernd T***. Ausgehend von den weiteren Ermittlungsergebnissen bestand auch gegen den mit der Durchführung beauftragten und umfangreiche konzeptuelle Vorarbeiten leistenden operativen Leiter der Landeseinsatzleitung Tirol, LAD HR Dr. Herbert F***, ein Anfangsverdacht nach §§ 178, 179 StGB wegen allenfalls unterlassener Koordination mit Verantwortlichen der BH Landeck.

Die Ermittlungsergebnisse zu Genese, Umsetzung und Ablauf der mit dieser Verordnung angeordneten Maßnahme können wie folgt zusammengefasst werden:

Am Abend des 12.03.2020 ließ LH Günther P*** im Rahmen einer Presseaussendung das Ende der Wintersaison für ganz Tirol für das Wochenende 14./15.03.2020 verlautbaren. Am 13.03.2020 wurde für 10:30 Uhr zu diesem Thema eine Pressekonferenz des Landeshauptmannes angesetzt.

LAD HR Dr. Herbert F*** teilte diese Entscheidung dem Bund im Rahmen der morgendlichen SKKM-Sitzung mit. General Franz L***, der Stabsleiter des SKKM, ersuchte das Land Tirol im Anschluss an die allgemeine Besprechung, die aus Ischgl und St. Anton, also den damals bereits im Fokus stehenden Hot-Spot-Gebieten, abreisenden Gäste zu erfassen. Eine Quarantäne oder Sperre der genannten Gebiete war nicht Thema, weil zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen wurde, dass die Tourist*innen über das gesamte Wochenende verteilt geordnet abreisen würden.

Der Stab der SKKM selbst kann – wie auch die LEL auf Landesebene – keine Pandemiebekämpfungsmaßnahmen setzen. Seine Aufgabe ist es, die von den zuständigen Ministerien und zentralen Behörden in ihrem jeweiligen Kompetenzbereich getroffenen Entscheidungen hinsichtlich der praktischen bundesweiten Umsetzung zu koordinieren.

Noch mit Mail vom 13.03.2020, 10:19 Uhr, teilte das BPK Landeck dem Einsatzstab der LPD Tirol mit, dass aus sicherheitsbehördlicher Sicht für die morgige Abreise aus dem Paznaun und St. Anton keine besonderen Maßnahmen geplant seien. Nach Rücksprache mit der BH seien auch keine zusätzlichen Maßnahmen vorgesehen.

Unmittelbar nach der Lagebesprechung mit dem SKKM bzw. allenfalls zeitgleich fand eine Videokonferenz zwischen allen Landeshauptleuten und Mitgliedern der Bundesregierung statt, in der LH Günther P*** über das Ende der Wintersaison in Tirol am Wochenende informierte. Unmittelbar vor dem Ende dieser Videokonferenz erklärte Bundeskanzler Sebastian K*** LH Günther P***, dass er ihn nochmals telefonisch kontaktieren werde.

Im Zuge dieses zuvor angekündigten Telefonats setzte Bundeskanzler Sebastian K*** LH Günther P*** davon in Kenntnis, dass er gemeinsam mit dem Gesundheits- und dem Innenminister beschlossen habe, dass in den sog. Hot-Spots im Paznaun und St. Anton weitreichendere Maßnahmen als im restlichen Land zu treffen wären, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Nach entsprechenden Informationen aus den Stäben sollte über diese Gebiete eine Quarantäne verhängt werden. Mit dieser Entscheidung war LH Günther P*** ausdrücklich einverstanden.

LH Günther P*** teilte diese politische Entscheidung umgehend LAD HR Dr. Herbert F*** mit, dem in weiterer Folge die Aufgabe zuteil wurde, mit den Stäben auf Landes- und Bundesebene die entsprechenden Vorarbeiten zu leisten, um diese politisch beschlossene Maßnahme auch umzusetzen.

In die weitere Abwicklung waren weder LH Günther P*** noch Bundeskanzler Sebastian K*** involviert. Die Umsetzung der (auch) von ihnen getroffenen politischen Entscheidung war Aufgabe der operativen Ebenen.

Das Gespräch mit dem Bundeskanzler fand unmittelbar vor der von LH Günther P*** für 10:30 Uhr anberaumten Pressekonferenz statt. Anlässlich dieses Telefonats wurde kein konkreter Zeitpunkt, ab wann die Quarantäne in Geltung sein sollte, besprochen. Für LAD HR Dr. F*** war der Arbeitsauftrag klar, auch wenn nach seinen Worten die großen „W´s“, also „Wer, Wo und Wie“ noch offen waren. LH Günther P*** informierte LAD HR Dr. Herbert F*** auch noch darüber, dass bezüglich dieser Maßnahme die Kommunikation vom Bund ausgehen werde.

Bei der Auftragserteilung an LAD HR Dr. Herbert F*** wurde ein In-Kraft-Treten der Quarantäne um 14:00 Uhr nicht thematisiert. Auch LH Günther P*** erklärte, dass es sich mit seiner Erinnerung decke, dass es kein Thema gewesen sei, dass die Quarantäne bereits ab 14:00 Uhr gelten sollte.

Nachdem LAD HR Dr. F*** den Auftrag erhalten hatte, die Eckpunkte für eine Quarantäne auszuarbeiten, wurden die zu setzenden Maßnahmen in der Stabssitzung der LEL diskutiert und entsprechende Vorarbeiten geleistet. Unter anderem wurde hinterfragt, ob eine Quarantäneentscheidung auch Galtür mit umfassen sollte oder eine Green-Card-Lösung anzudenken sei.

Weiters war die Frage zu klären, wen diese Quarantäne treffen sollte. Insbesondere war abzuklären, ob die Quarantäne auch ausländische Gäste umfassen sollte, wenn ja, ob deren Versorgung auch sichergestellt werden könne. Auch die Problematik der ausländischen Saisonarbeitskräfte wurde thematisiert.

Dass im Zuge der Stabssitzung der LEL über eine konkrete Uhrzeit, ab wann diese Quarantäne tatsächlich gelten sollte, gesprochen wurde, lässt sich nicht feststellen. So führte HR Mag. Christian S*** aus, dass er nicht glaube, dass von einer konkreten Uhrzeit die Rede gewesen sei. Dennoch sei allen Beteiligten klar gewesen, dass es sich um eine dringende Angelegenheit handle, welche jedenfalls an diesem Tag noch zu erledigen sei.

Gleiches gilt für General Franz L***, Florian T*** MSc MBA und BH Mag. Michael K***.

Eine Information der BH Landeck durch LAD HR Dr. Herbert F*** erfolgte zu diesem Zeitpunkt mangels der noch fehlenden politischen Abstimmung des finalisierten Konzepts nicht.

Auch im Stab der LEL wurde besprochen, dass das finale Konzept noch auf Bundesebene abzustimmen sein werde.

Während in der Stabssitzung der LEL die zu treffenden Maßnahmen diskutiert wurden, kontaktierte der Einsatzstab der Landespolizeidirektion das BPK Landeck. Um 11:30 Uhr wurde eine Videokonferenz anberaumt, an der auch ein Verantwortlicher der BH Landeck teilnehmen sollte. Konkret nahmen Obstlt Christoph P*** und CI Norbert L*** seitens des BPK Landeck und Mag. Siegmund G*** seitens der BH Landeck teil.

Thema dieser ersten Videokonferenz – eine zweite folgte um 13:30 Uhr - war, an welchen neuralgischen örtlichen Punkten sog. Check-Points sinnvollerweise einzurichten sein würden. Es sollte die Abreise der Gäste aus Galtür, See und Kappl bewerkstelligt werden, weil nach dem Informationsstand bei dieser ersten Videokonferenz lediglich Ischgl und St. Anton von den zu treffenden Maßnahmen – wobei deren konkreter Inhalt noch nicht bekannt war – betroffen sein sollten.

Im Rahmen dieser Videokonferenz wurde seitens der LPD klar kommuniziert, dass diese Check-Points um 14:00 Uhr besetzt sein sollten.

Im Zuge der polizeiinternen Kommunikation wurde bereits eine „Sperre“ bzw. Quarantäne thematisiert, und zwar in der Form, dass „Ischgl und St. Anton zugehen würden“.

In welcher konkreten Form dies erfolgen sollte, war jedoch nicht bekannt. Es sei klar gewesen, dass es eine unterschiedliche Regelung für Gäste aus Ischgl und den anderen Orten im Paznaun geben hätte sollen.

Obstlt Christoph P*** war nach dieser ersten Videokonferenz gemeinsam mit CI Norbert L*** mit der Planung der taktischen Ausführung bzw. taktischen Umsetzung der beabsichtigten Sperre beschäftigt. Es wurden entsprechende Vorarbeiten wie die Festlegung einer effizienten Situierung der Check-Points oder die Abklärung des Personalbedarfs geleistet. Das Ergebnis dieser Vorarbeiten wurde anlässlich einer zweiten Videokonferenz um 13:30 Uhr dem Einsatzstab der LPD Tirol mitgeteilt.

Parallel dazu liefen die Abstimmungen in der Stabssitzung der LEL weiter. Das Ergebnis dieser Abstimmungen findet sich teilweise im entsprechenden Resümeeprotokoll der LEL. Zunächst wurde die Abreise der Gäste aus Ischgl und St. Anton besprochen, wobei diese ein allgemeines Informationsschreiben und auch eine Handlungsempfehlung bezüglich ihrer weiteren Vorgehensweise in den jeweiligen Heimatländern erhalten sollten.

Die Registrierung der abreisenden Gäste sollte über die Hotels erfolgen, weil sonst die Bezirkshauptmannschaft einen enormen Arbeitsaufwand zu bewerkstelligen hätte. Aus diesem Grunde wurde auch der jeweils vor Ort ansässige TVB eingebunden um eine einzige Anlaufstelle bezüglich der Gästeregistrierung einzurichten. Die festgestellten Daten der abreisenden Gäste sollten dann an das Land und in weiterer Folge an den Bund übermittelt werden.

Gegen 11:10 Uhr wurde HR Dr. Gerhard F***, Leiter der Abteilung Tourismus des Landes Tirol, in die Stabssitzung gerufen. Ihm kam die Aufgabe zu, die geplante Registrierung der aus Ischgl und St. Anton abreisenden Gäste vorzubereiten.

Einerseits sollte seine Abteilung ein Informationsschreiben an die betroffenen Tourismusverbände verfassen und diese dahingehend sensibilisieren, dass auf sie ein administrativer „Gewaltakt“ zukäme. Andererseits sollten Gästeblätter entwickelt werden, die anders als normale Meldezettel auch die entsprechenden Erreichbarkeitsdaten und Zielorte der abreisenden Gäste beinhalten sollten. Die Entwürfe dieser Dokumente sollten anlässlich einer weiteren Sitzung um 12:30 Uhr präsentiert werden.

Die Abteilung Tourismus informierte die beiden Tourismusverbände (Paznaun-Ischgl und St. Anton) darüber, dass eine Abreise lediglich nach Vorlage eines entsprechenden Formulars möglich sein sollte und dies über die TVB zu organisieren sei. Dafür sollten die Büros der TVB personell und strukturell ausreichend ausgestattet werden.

Um 11:30 Uhr übermittelte BH Mag. Michael K*** an BH HR Dr. Markus M*** das folgende E-Mail:

Sehr geehrter Herr BH, lb Markus!

Direkt aus dem Stab, es wird ersucht sicherzustellen, dass

1.einheimisches Personal im Paznaun und am Arlberg in Heimquarantäne geschickt wird

2.Außerhalb dieses Bereiches wohnendes Personal (zB Rest Tirol, Deutschland usw.) müssen in den

Personalunterkünften quarantiert werden.

beste Grüße“

In engem zeitlichen Zusammenhang zu diesem E-Mail informierte der damalige Bezirkspolizeikommandant Obstlt Werner H*** BH HR Dr. Markus M*** darüber, dass der Bundeskanzler plane, eine Quarantäne über das Paznaun und St. Anton ab 14:00 Uhr zu verhängen. Mag. Siegmund G*** informierte BH HR Dr. Markus M*** gegen 12:30 Uhr über den Inhalt der in den Räumlichkeiten des BPK stattgefundenen Videokonferenz.

Zu diesem Zeitpunkt waren die Hauptverantwortlichen der BH Landeck, namentlich BH HR Dr. Markus M*** und sein Stellvertreter und Leiter der Abteilung Polizei und Verkehr Mag. Siegmund G***, gemeinsam mit Mag. Leo F*** und Mag. Bernd T*** mit den konzeptionellen Vorarbeiten für das Wochenende im Hinblick auf die in der Besprechung mit LH Günther P*** am 11.03.2020 geplante „touristische Entleerung“ des Paznaun beschäftigt. Insbesondere sollte sichergestellt werden, dass keine Einreise ins Paznaun mehr erfolgen könnte. Dass diese Vorarbeiten durchaus zeitintensiv waren, zeigt der Umstand, dass bspw. auch Fragen zu klären waren, wie mit positiv getesteten Gästen oder Gästen mit augenscheinlichen Symptomen umzugehen sein werde.

Weiters wurden von der BH Landeck am 13.03.2020 insgesamt sechs Verordnungen erlassen, wovon jeweils eine Verordnung die Schließung der Bildungseinrichtungen in Ischgl, Kappl, Galtür und Pfunds betraf. Alle wurden bis 13:16 Uhr unterfertigt und binnen Kurzem abgefertigt. 

Weder BH HR Dr. Markus M*** noch Mag. Siegmund G*** sahen sich im Hinblick auf die beim BPK stattgefundene Videokonferenz veranlasst, Vorarbeiten für eine allfällige „Quarantäneverordnung“ zu leisten. Mag. Siegmund G*** erklärte, dass er zum Zeitpunkt der Videokonferenz und auch danach bis 14:00 Uhr keine Informationen darüber hatte, dass die BH Veranlassungen zu treffen hätte. Seiner Meinung nach sei im Zuge der Videokonferenz ausschließlich besprochen worden, dass die Polizei über Anweisung des BMI ab 14:00 Uhr an entsprechend einzurichtenden Check-Points Kontrollen durchzuführen habe, wobei die Art der Kontrollen mit keinem Wort näher definiert worden sei. Für ihn habe sich erst durch die um 14:00 Uhr abgehaltene Pressekonferenz die Notwendigkeit des Tätigwerdens der BH Landeck ergeben.

BH HR Dr. Markus M*** erklärte, er habe sich unter der ihm von Obstlt Werner H*** mitgeteilten beabsichtigten Quarantäne nichts vorstellen können. Von Angehörigen des Amtes der Tiroler Landesregierung war er zu diesem Zeitpunkt nicht weiter informiert worden.

Sowohl BH HR Dr. Markus M*** als auch Mag. Siegmund G*** schildern übereinstimmend, dass in Bezug auf die bisher gesetzten Maßnahmen stets ein laufender Austausch mit der LEL bzw. dem Land stattgefunden habe. So seien Vorschläge von weiter zu setzenden Maßnahmen durch BH HR Dr. Markus M*** mit der LEL diskutiert, im Falle der Zustimmung entsprechende Verordnungsentwürfe dem Land übermittelt und nach einer allenfalls durch das Land mit dem Bund vorzunehmenden Abstimmung auch erlassen worden.

Dieser Austausch bestand dabei nicht etwa in der Prüfung einzelner Formulierungen der zu erlassenden Verordnungen seitens des Landes. Vielmehr erfolgte im Sinne einer begleitenden Aufsicht und durchaus auch Qualitätskontrolle eine Prüfung des Umfanges und der Treffsicherheit der anzuordnenden Maßnahmen sowie der Richtigkeit der anzuwendenden Rechtsgrundlagen. Sämtliche Maßnahmen waren schon auf Grund ihrer Tragweite und fehlenden Präzedenzfällen konkret mit den Oberbehörden abzustimmen.

Ausgehend davon ist es nachvollziehbar und auch in strafrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, dass von Verantwortlichen der Bezirkshauptmannschaft Landeck, die zu diesem Zeitpunkt lediglich über rudimentäre und keineswegs gesicherte Informationen verfügten, keine Vorarbeiten für eine wie auch immer geartete Quarantäne geleistet werden konnten.

Die konkrete Ausgestaltung der Quarantäne war zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt. LAD HR Dr. Herbert F*** präsentierte anlässlich einer weiteren Sitzung mit dem SKKM die Ergebnisse der Abstimmung in der Stabssitzung der LEL. Er teilte General Franz L*** gegen Mittag die Überlegungen der LEL mit. Nachdem seitens des Bundes dagegen kein Einwand erhoben wurde, begann LAD HR Dr. Herbert F*** umgehend und unverzüglich ein schriftliches Konzept auszuarbeiten.

Dieses Konzept leitete er gegen 14:00 Uhr an das Büro des Landeshauptmannes zur politischen Abstimmung mit dem Bund weiter, von wo es einerseits an den Kabinettschef des Bundeskanzlers, andererseits an den Kabinettschef des Innenministers mit der Bitte um Abstimmung weitergeleitet wurde.

Das Ausreisekonzept, dem schlussendlich seitens des Bundes auch zugestimmt wurde, sah neben der Sicherstellung einer geordneten Rückreise der Gäste auch vor, dass der Verbleib einer relevant großen Menschenmenge in „zur Anzahl kleinen Hot-Spot-Gebieten“ unterbunden wird. Zusätzlich sollte eine Weiterverbreitung des Virus durch Heimreisen und in der Talschaft bzw. in den Gemeinden eingedämmt werden. Dafür sah das Konzept die nachfolgenden weiteren Maßnahmen vor:

Verkehrsbeschränkung für die Bewohner*innen

Das gesamte Paznauntal und die Gemeinde St. Anton a.A. werden im Sinne des § 24 Epidemiegesetz in der Form verkehrsbeschränkt, als die Zu- und Abfahrt in die betroffenen Gebiete (Paznauntal und die Gemeinde St. Anton a.A.) kontrolliert und - abseits der Regelung für das Abreisemanagement - nur mehr unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein wird. Diese Regelung wird für die Dauer von 14 Tagen verfügt.

Das Personal der Beherbergungsbetriebe und Gäste aus Österreich fallen auch unter diese Verkehrsbeschränkung.

Ausnahmen werden für Einsatzfahrten der Blaulichtorganisationen, für allgemeine Versorgungsfahrten und Dienstleistungen im Bereich der Daseinsvorsorge (insb. kritischer Infrastrukturen) und individuelle unaufschiebbare Fahrten (z.B. Dialysepatient etc.) vorgesehen.

Kontrollstellen sind am Eingang und Ausgang des Paznauntales und der Gemeinde St. Anton a.A. vorzusehen, ebenso ist am Bahnhof St. Anton a.A. eine Kontrollstelle für die Abreise der Gäste aus dem Ausland einzurichten. Es ist sicherzustellen, dass am Bahnhof St. Anton a.A. kein Ausstieg möglich ist. Zur Unterstützung des Betriebes und der Kontrolltätigkeit ist durch die Bezirkshauptmannschaft Landeck zur Unterstützung der Exekutive beim Militärkommando Tirol Assistenz anzufordern.

Hotelgäste

Für jeden abreisenden Gast in das Ausland ist ein Formular vorzusehen in dem vor Abreise die wesentlichen Kontaktdaten zu hinterlassen sind; diese Daten umfassen insbesondere den Namen der Unterkunft, Datum An- und Abreise, die (Heim-)Wohnadresse und eine Telefonnummer für eine Kontaktaufnahme; diese Aufgabe wird von den Hotelbetreibern etc. an der Rezeption eigenverantwortlich durchgeführt und zentral an die Landeseinsatzleitung übermittelt.

Für Unterkünfte ohne diese Möglichkeit wird eine zentrale Anlaufstelle im örtlichen Büro des Tourismusverbandes eingerichtet.

Das Formular wird in zwei Ausfertigungen ausgestellt, der heimreisende Gast hat dieses zur Legitimation an der Kontrollstelle über Aufforderung herzuzeigen; (damit ist sichergestellt, dass der Gast erfasst ist).

Für die Sondersituation Bahnhof St. Anton wird im Eingangsbereich eine Kontrollstelle zur Erfassung der Heimreisenden eingerichtet.

Dem Gast wird ein Informationsblatt ausgehändigt, dies mit der klaren Anweisung ohne Zwischenstopp auszureisen und sich zu Hause in Heimquarantäne zu begeben und die dortige Gesundheitsbehörde zu kontaktieren (grundsätzlich nach dem Modell der Heimkehrer im Grenzkontrollen Management);

Die Formulare mit den Informationen zu den Heimreisenden werden an das Gesundheitsministerium (Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) zur Weiterleitung an die Heimatstaaten übermittelt.“

Dieses Konzept wurde sodann von LAD HR Dr. Herbert F*** um 14:57 Uhr an BH HR Dr. Markus M*** mit dem Hinweis übermittelt, dass darauf aufbauend die entsprechende Verordnung auszuarbeiten sei. Um 15:04 Uhr wurden seitens der Abteilung Tourismus die im Konzept erwähnten Gästeausreiseblätter einerseits an die BH Landeck, andererseits an die davon betroffenen TVB übermittelt.

Das Konzept war auch an HR Mag. Christian S***, den Vertreter der Landespolizeidirektion Tirol in der LEL, weitergeleitet worden, der es an die LPD mit dem Ersuchen um Übermittlung an das BPK Landeck mit dem Auftrag zur Weiterleitung an die Check-Points übermittelte. Tatsächlich wurden die „Gästereiseblätter“ im BPK Landeck in zahlreichen Ausfertigungen kopiert und sodann durch Streifen an die Checkpoints mit dem Auftrag verteilt, dass diese Formulare bei der Abreise auszufüllen seien. Die Übermittlung des Konzepts von der LPD an das BPK erfolgte um 15:38 Uhr. Tatsächlich wurden sodann von den an den Check-Points dienstversehenden Polizist*innen diese Formulare entgegen dem vorgesehenen Konzept eingesammelt oder auch gemeinsam mit den abreisenden Gästen ausgefüllt.

Das „Gästereiseblatt “enthielt neben persönlichen Daten und Erreichbarkeiten auch An- und Abreisedaten sowie den Zielort.  In dem durch die Abteilung Tourismus ebenfalls verfassten Begleitschreiben an die betroffenen TVB wurde festgehalten, dass „in Abstimmung mit den Bundes- und Landesbehörden sowie den Exekutivkräften als begleitende Sofortmaßnahme in den vom Coronavirus aktuell verstärkt betroffenen Tourismusdestinationen Paznaun-lschgl und St. Anton am Arlberg eine lückenlose erweiterte Erfassung der Abreise von ausländischen Beherbergungsgästen zur Umsetzung“ gelange, welche Maßnahme der grundsätzlich erforderlichen Eindämmung einer weiteren Verbreitung des Virus diene und auch den Herkunftsländern der Gäste ein möglichst umfassendes Bild von der Situation vermitteln solle, damit diese darauf aufbauend allfällige weitere Virus-Bekämpfungsschritte in Zusammenhang mit ihren "Heimkehrer*innen" setzen könnten. Demnach sollten die Tourismusverbände von Paznaun-Ischgl und St. Anton am Arlberg sämtliche Beherbergungsunternehmen unverzüglich über das Erfordernis der Anfertigung eines Gästereiseblattes für jeden ausländischen Gast informieren und diesen die Formulare sowie ein Informationsblatt beistellen.

Die Beherbergungsunternehmen, oder wenn dies nicht möglich sei, der jeweilige TVB wurden ersucht, gemeinsam mit den Gästen im Zuge ihrer Abreise das Formular vollständig auszufüllen. Sodann sollte eine Ausfertigung dem Gast für die Ausreise mitgegeben werden, eine Ausfertigung sollte im Beherbergungsbetrieb verbleiben, eine weitere über die TVB dem Amt der Tiroler Landesregierung übermittelt werden.

 Weiters wurde im Begleitschreiben ausdrücklich („QUARANTÄNE FÜR ÖSTERREICHISCHE GÄSTE UND MITARBEITER*INNEN DES BEHERBERGUNGSBETRIEBES“, Großbuchstaben im Original) darauf hingewiesen, dass die Beherbergungsunternehmen angehalten seien, österreichische Gäste nicht abreisen zu lassen und alle ihre Mitarbeiter*innen in Quarantäne zu nehmen, also deren weiteren Verbleib im jeweiligen Beherbergungsbetrieb sicherzustellen. Sowohl den österreichischen Gästen als auch inländischen und ausländischen Mitarbeiter*innen sei der Kontakt mit außenstehenden Personen beziehungsweise die Heimreise in ihr Herkunftsland bis auf weiteres untersagt. Wie sich aus den vorliegenden Unterlagen ergibt, wurde dieses Schreiben samt „Gästereiseblatt“ von den Tourismusverbänden St. Anton am Arlberg und Paznaun-Ischgl jedoch (beinahe zeitgleich) erst gegen 16:30 Uhr an die Mitgliedsbetriebe per E-Mail übermittelt, somit mehr als zwei Stunden nach der Verkündung der Quarantäne.

Mag. Siegmund G*** erteilte um 16:20 Uhr die mündliche Anordnung an die Polizei, dass Einheimischen und österreichischen Gästen die Ausreise untersagt sei. Um 17:15 Uhr ordnete er mündlich an, dass eine Ausreise der ausländischen Gäste nur nach entsprechender Registrierung bzw. Vorlage der Gästeausreiseblätter zulässig sei. Diese Zeiten entsprechen exakt jenen Einträgen im EPS-Web-Protokoll der LPD Tirol.

Die zeitliche Verzögerung zwischen österreichischen und ausländischen Gästen erklärt Mag. Siegmund G*** damit, dass ausgehend vom vorgesehenen Prozedere die Gästeausreiseblätter zunächst vom jeweiligen TVB an die Beherbergungsunternehmen weitergeleitet werden mussten, um den Gästen in ihren Unterkünften überhaupt die Möglichkeit zu geben, das Gästeausreiseblatt auszufüllen. Um den beiden zuständigen TVB, aber auch den Unterkunftsgeber*innen ausreichend Zeit für die organisatorischen Vorarbeiten einzuräumen, erfolgte die Anordnung betreffend Ausreise der ausländischen Gäste erst um 17:15 Uhr.

Die von der BH Landeck bzw. Mag. Siegmund G*** gewählte Vorgehensweise der kaskadenhaften mündlichen Anordnungen ist im Hinblick auf die obigen Ausführungen und seine Aussage, die auch durch BH HR Dr. Markus M*** in Bezug auf die zugrundeliegenden Überlegungen bestätigt wird, nachvollziehbar.

Bereits ab der Mittagszeit des 13.03.2020 kursierten Gerüchte über eine Sperre des Paznaun bzw. Quarantäne. Gegen Mittag wurden die Tourismusverbände Paznaun-Ischgl und St. Anton von der Abteilung Tourismus des Landes Tirol – im Ansinnen, dass die Büros ausreichend personell und strukturell ausgestattet werden – darüber informiert, dass in Bälde eine Ausreise aus diesen Ortschaften nur mehr mit einem Formular möglich sein würde.

Von einer Quarantäne oder Sperre war anlässlich dieser Mitteilung noch keine Rede. Mag. Dietmar W*** erklärte, dass es sich bei diesen Informationen seiner Meinung nach um Informationen handelte, die jedenfalls an die Mitgliedsbetriebe weiterzuleiten waren, vergleichbar etwa mit zu prüfenden Lawinensperren.

Im EPS[11]-Web Protokoll wurde seitens des BPK Landeck um 12:40 Uhr festgehalten, dass vermutlich das Paznauntal gänzlich gesperrt werde. Dies sei derzeit inoffiziell. Es seien derzeit 2 Mannschaftstransporte der Polizeischule und 6 Streifen aus dem Raume Innsbruck in Anfahrt nach Landeck.

Um 12:58 Uhr informierte der TVB Paznaun-Ischgl seine Mitgliedsbetriebe darüber, dass eine Ausreise nur noch mit einem Formular möglich sein sollte. Jene Mitarbeiter*innen, die über keinen Hauptwohnsitz im Bezirk verfügten, müssten für 14 Tage in Ischgl bleiben.

Die Information betreffend Mitarbeiter*innen entspricht dem Inhalt des an BH HR Dr. Markus M*** von BH Mag. Michael K*** um 11:30 Uhr übermittelten E-Mails.

Mit Mail von 13:17 Uhr teilte der TVB seinen Mitgliedern ausdrücklich mit, dass eine Ausreise mit diesem Formular selbstverständlich auch noch am nächsten Tag möglich sei.

Konkret zu diesem E-Mail befragt gab Mag. Dietmar W*** anlässlich seiner Zeugeneinvernahme an, dass zum damaligen Zeitpunkt zu viele E-Mails an die Vermieter weitergeleitet worden seien, die mit diesen überfrachtet wurden. Diese Informationen hätten sich laufend geändert und seien auch in sich widersprüchlich gewesen. Dadurch sei die wesentliche Information, dass die Gäste auch noch an den folgenden Tagen mit den entsprechenden Formularen problemlos ausreisen hätten können aufgrund dieses Informationsüberflusses einfach untergegangen.

Um 13:24 Uhr informierte der Bürgermeister der Gemeinde Galtür, Anton M***, die sogenannte „Corona-Gruppe“ der Gemeinde Ischgl darüber, dass lt. BMI Gäste und Mitarbeiter bei ihrer Abreise nach deren Aufenthaltsort (Unterkunft) zu befragen seien. Zu diesem Zweck sind Check Points in Tschaffein, Ullmich, in Pians usw. eingerichtet. Bitte unbedingt Meldescheine mitnehmen. Gäste und Mitarbeiter aus Galtür sollten problemlos weiterreisen können. Für Mitarbeiter aus Ischgl, die nicht im Bezirk wohnen, wurde eine Quarantäne verordnet. Mit besten Grüßen.“

Darauf antwortete Mag. Dietmar W*** um 13:25 Uhr, dass dies seitens der BH in der Form nicht bestätigt werden könne, woraufhin Anton M*** um 13:25 Uhr das Folgende auf demselben Kommunikationsweg verbreiten ließ: „Im Moment höre ich, dass alle Gemeinden des Paznaun betroffen wären, bitte um 14:00 Uhr die PK des Bundeskanzlers, leider ist nichts Genaueres in Erfahrung zu bringen“.

Noch um 13:45 Uhr wurde im EPS-Web-Protokoll der Polizei festgehalten, dass die Gäste aktiv mit einem Registrierzettel zu erfassen seien. Danach sei die Ausreise möglich. Es dürften nur Gäste ausreisen. Das Paznaun gelte als Sperrgebiet. Es seien nur Gäste aus Ischgl zu registrieren.

Durch die oben dargestellte Chronologie zeigt sich – wie dies auch GenMjr Johannes S*** anlässlich seiner Einvernahme geschildert hat – dass die Informationsschiene des BMI zwar schneller, jedoch auch nicht umfassend und vor allem inhaltlich richtig funktionierte.

Die notwendige Involvierung der jeweils betroffenen Institutionen vor Ort bereits gegen Mittag, insbesondere der TVB und auch der Polizei erklärt LAD HR Dr. Herbert F*** anlässlich seiner Einvernahme nachvollziehbar damit, dass bei derart einschneidenden und weitreichenden Maßnahmen die tatsächliche Umsetzbarkeit der geplanten Maßnahmen jedenfalls vor Ort abzuklären sei. So hatten die TVB für eine ausreichende Personal- und auch Ressourcenausstattung zu sorgen. Die Polizei musste einerseits die Situierung der Check-Points festlegen, andererseits ebenfalls ihren Personalbedarf erheben.

Um 14:00 Uhr fand eine öffentliche Pressekonferenz von Bundeskanzler Sebastian K***, Gesundheitsminister Rudolf A*** und Innenminister Karl N*** in Wien statt, in der zunächst die epidemiologische Lage und die weiteren österreichweit zu setzenden Maßnahmen dargelegt wurden. Der Bundeskanzler erläuterte dann weiter, dass es insbesondere in einigen Gebieten Tirols zu einer sehr rasanten Ausbreitung des Virus komme. Dem müsse zielgerichtet, geographisch und punktgenau gegengesteuert werden.

Wortwörtlich erklärte er dann: „Es werden daher das Paznauntal und St. Anton am Arlberg unter Quarantäne gestellt. Diese Gebiete werden ab sofort isoliert. Österreicherinnen und Österreicher, die in diesen Gemeinden Ischgl, See, Kappl, Galtür und St.Anton am Arlberg leben, aber auch die österreichischen Urlauberinnen und Urlauber dort sowie alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Gemeinden werden selbstverständlich bestens versorgt und werden schon in 14 Tagen die Möglichkeit haben, ihr gewohntes Leben wieder fortzusetzen.“

Sogleich nach Bekanntgabe der Quarantäne und mangels konkreter Informationen über mehrere Stunden reiste eine Vielzahl von Menschen ohne Erfassung ihrer Daten und ihres Gesundheitszustandes sowie teilweise auch in überfüllten Bussen unkontrolliert ab. Durch die gleichzeitige Abreise zahlreicher Urlaubsgäste und den Umstand, dass die ab 14:00 Uhr vor Ort an den Check-Points agierenden Polizist*innen bis 16:20 Uhr keine konkreten Handlungsanweisungen bzw. teilweise widersprüchliche Anweisungen erhielten, bildete sich ein ausgedehnter Stau.

Den Verantwortlichen des Landes Tirol und auch der BH Landeck war der Umstand, dass um 14:00 Uhr eine Pressekonferenz des Bundes stattfinden wird, bekannt.

Allerdings wusste LH Günther P*** nichts davon, dass anlässlich dieser Pressekonferenz die Quarantäne verkündet werden sollte.

Auch für LAD HR Dr. Herbert F*** war es nicht absehbar, dass anlässlich dieser Pressekonferenz um 14:00 Uhr eine sofortige Quarantäne verkündet werden würde. Er gab an, dass die gesamten Vorarbeiten betreffend Quarantäne bis zu diesem Zeitpunkt nicht leistbar gewesen wären. Er habe auch keinen politischen Entscheidungsträger darauf hingewiesen, dass dies nicht bis 14.00 Uhr möglich sei, weil ein Beginn der Quarantäne um 14.00 Uhr schlichtweg kein Thema gewesen sei. Überdies sei das finale Konzept erst um 14.06 Uhr an den Bund zur politischen Abstimmung übermittelt worden.

MR Mag. Robert S*** erklärte anlässlich seiner Anhörung, dass es auf Beamtenebene nicht klar gewesen sei, dass die Quarantäne per 14.00 Uhr verkündet werden sollte. HR Dr. Herbert W*** gab an, dass aus seiner Sicht als Leiter der Abteilung Zivil- und Katastrophenschutz des Landes Tirol die Bekanntgabe der Quarantäne um 14.00 Uhr verfrüht erfolgt sei und es noch gewisser Vorarbeiten benötigt hätte.

Um 14.00 Uhr waren die zunächst vom BPK Landeck festgelegten Check-Points tatsächlich besetzt. Den vor Ort anwesenden Beamten wurde seitens des BPK Landeck mitgeteilt, dass vorerst lediglich Verkehrskontrollen durchzuführen seien. Dieser Information war die Mitteilung des BMI-Einsatzstabes an Oberst Erich L*** vorausgegangen, dass der derzeitige Auftrag an die Polizei lediglich Verkehrskontrollen umfasse.

Der Polizei sei das Ausreisekonzept zwar bekannt gewesen, dabei habe es sich jedoch lediglich um Vorbereitungen und keineswegs um konkrete, von der zuständigen Gesundheitsbehörde zu erteilende Aufträge gehandelt.

Aufgrund der bereits in Umlauf befindlichen Gerüchte, der Aussagen anlässlich der Pressekonferenz und der bereits installierten Check-Points machten sich viele Gäste überstürzt auf den Weg, um die von den weiteren Maßnahmen betroffenen Gebiete noch verlassen zu können. Es kam zu den bereits bekannten umfangreichen Staubildungen, die per se keine Erhöhung des Infektionsrisikos darstellten, weil die in den Fahrzeugen befindlichen Personen ohnedies anzunehmender Weise bereits den Urlaub gemeinsam verbracht hatten.

Daneben waren aber auch Menschenansammlungen in den das Tal verlassenden Bussen festzustellen.

Die wohl wesentlichste Information, nämlich, dass eine Abreise mit dem – erst im Laufe des späteren Nachmittags übermittelten – Abreiseformular jederzeit, und zwar auch noch an den nächsten Tagen, möglich sei, ging bedauerlicherweise beim überwiegenden Teil der Gäste unter. Dennoch reisten ausländische Gäste auch noch am Samstag bzw. Sonntag problemlos ab.

Etwas mehr als eine Stunde nach Vorliegen des Ausreisekonzeptes erfolgten erste mündliche Anordnungen betreffend Saisonarbeiter*innen und österreichische Gäste durch Mag. Siegmund G***.

Bis zu diesem Zeitpunkt, nämlich 16.20 Uhr, haben sowohl Gäste als auch ausländische Mitarbeiter*innen das spätere Quarantänegebiet mangels einer Rechtsgrundlage für die Verweigerung der Ausreise verlassen.

Alle abreisenden Gäste wurden dennoch seitens der Abteilung Tourismus nacherfasst und ihre Daten bis zum 16.03.2020 dem Bund übermittelt.

Durch die Abteilung Tourismus des Landes Tirol wurden insgesamt 3.200 Datensätze ausgehend von den Gästeausreiseblättern erfasst. Weiters wurde diese Abteilung damit beauftragt, rückwirkend für 14 Tage alle Gästedaten, und zwar nicht nur betreffend die Hot-Spot Gebiete Paznaun und St. Anton, sondern Tirol weit zu erfassen. Insgesamt wurden unter Zuhilfenahme der Firma FERATEL, bei der alle Meldesysteme Tirols zusammenlaufen, über 100.000 Datensätze verarbeitet.

Diese wurden von einem Teamleiter der Abteilung Tourismus komprimiert und aufgeschlüsselt, um sie dann der LEL, die diese an den Bund weiter übermitteln sollte, zur Verfügung zu stellen.

Bezüglich der medial wiederholt unter Verweis auf einen Whats-App-Verlauf erhobenen Vorwürfe, die Mitarbeiter*innen seien auf die „Straße gestellt worden“, wird auf die Aussage des Vorstandes der Silvretta-Seilbahn AG Mag. Günther Z*** verwiesen. Er gab bekannt, dass insgesamt 7 Mitarbeiter*innen noch am 13.03.2020 aus Ischgl abgereist seien. Über Nachfrage der Mitarbeiter*innen sei ihnen mitgeteilt worden, dass auch der Vorstand, nach Rücksprache mit der BH, keine näheren Kenntnisse habe und es ihnen freistehe, abzureisen oder nicht. Konkret zum Whats-App-Verlauf erklärte Mag. Günther Z***, dass dieser unglücklich formuliert sei. Die oben erwähnten 7 Mitarbeiter*innen seien freiwillig abgereist, weitere 288 Mitarbeiter*innen seien während der Quarantäne vor Ort versorgt worden.

Die gegen Mag. Bernd T*** bestehenden Verdachtsmomente, wonach er gegenüber Verantwortlichen des BPK Landeck ein In-Kraft-Treten der Quarantäneverordnung erst mit 14.03.2020, 07.00 Uhr, angeordnet haben soll, konnten bereits durch die Einvernahmen der Verantwortlichen des BPK Landeck entkräftet werden. 

Sowohl Obstlt Christoph P*** als auch CI Norbert L*** erklärten, dass diese Aussage des Beschuldigten zu keinen Änderungen ihrer Vorgehensweise geführt hätte. Die am 13.03.2020 ab 16.20 Uhr bzw. ab 17.15 Uhr von der BH Landeck angeordneten Maßnahmen wurden während der gesamten Nacht unverändert weiter durchgeführt.

Mag. Bernd T*** erklärte den Eintrag auf dem „Whiteboard“ des BPK Landeck nachvollziehbar damit, dass er seitens des BPK Landeck nach 19.00 Uhr betreffend des In-Kraft-Tretens der Verordnung kontaktiert worden sei. Er habe CI Norbert L*** lediglich die Rechtsauskunft erteilt, dass die Verordnung erst in Kraft trete, wenn sie ordnungsgemäß kundgemacht sei. Vor allem im Hinblick auf die fortgeschrittene Stunde außerhalb der üblichen Amtszeiten sei man dann übereingekommen, dass spätestens am nächsten Tag um 07.00 Uhr die Verordnung in allen Gemeinden kundgemacht werde.

Zuzustimmen ist der Unabhängigen Expertenkommission des Landes Tirol, dass die die Quarantäne regelnde Verordnung keine Zuständigkeit des Bundeskanzlers vorsieht. Auch die konstatierten Kommunikationsfehler auf Bundes- als auch auf Landesebene sind zu bejahen. Dies gilt auch für den Umstand, dass weder seitens des Landes noch der Bezirkshauptmannschaft ausreichend darauf hingewiesen wurde, dass die Quarantäne für ausländische Gäste nicht gelte, sowie die verfrühte Ankündigung von Check-Points, die die gegebene Verunsicherung der ausländischen Gäste noch verstärkte.

Diese Umstände führen jedoch nicht dazu, dass den hier Beschuldigten strafrechtlich relevante Versäumnisse nachgewiesen werden könnten.

BH HR Dr. Markus M*** und Mag. Siegmund G*** haben sofort nach Vorliegen des vom Land übermittelten Ausreisekonzepts mit der Ausarbeitung der entsprechenden Verordnung begonnen. In diese wurden zwar teilweise ganze Formulierungen aus dem Konzept übernommen, doch wurden auch wesentliche Änderungen im Vergleich zum Konzept vorgenommen. So wurden anstelle des im Konzept genannten Personals der Beherbergungsbetriebe sämtliche Mitarbeiter*innen der Tourismusbetriebe von der Verordnung erfasst, um bspw. auch eine Regelung hinsichtlich der Angestellten der Silvretta Seilbahnen AG zu treffen. Weiters wurde darüber diskutiert, wie mit der Frage der Tagesgäste umzugehen sei. Diese Vorarbeiten, die schließlich in einer ersten mündlichen Anordnung um 16.20 Uhr gipfelten, waren zur Abklärung und Schaffung einer Rechtsgrundlage unentbehrlich. Immerhin ging es um weitreichende und grundrechtsrelevante Einschränkungen einer Vielzahl von Personen.

LAD HR Dr. Herbert F*** wurde als Leiter der LEL, somit auf operativer Ebene, mit der Umsetzung der ihm mitgeteilten Entscheidung der politischen Verantwortungsträger durch Ausarbeitung eines Aus- bzw. Abreisekonzepts betraut. Seine Angaben als Beschuldigter, wonach eine frühere Verständigung der BH Landeck deswegen unterblieben sei, weil die vorgesehene politische Abstimmung des finalen Konzepts noch gefehlt habe und ihm bis zur Pressekonferenz um 14.00 Uhr nicht bekannt gewesen sei, dass die Quarantäne ab diesem Zeitpunkt gelten sollte, sind nachvollziehbar. Um die entsprechende Verordnung auch tatsächlich ausarbeiten zu können, war die Vorbereitung ebenso wie die Abstimmung eines Konzepts notwendig.

Es ist nicht feststellbar, dass bereits am Vormittag des 13.03.2020 besprochen wurde, dass die Quarantäne ab 14:00 Uhr gelten sollte. Zwar weisen die Vorgaben des BMI, wonach bis 14:00 Uhr Checkpoints an verschiedenen neuralgischen Punkten einzurichten wären, in diese Richtung. Aber auch die einvernommenen Polizeibeamten geben an, keine konkrete Erinnerung daran zu haben, dass dieser Zeitpunkt konkret mit 14:00 Uhr festgestanden sei. So wurde bspw. Obst Erich L*** um 14:01 Uhr durch den BMI-Einsatzstab nochmals dezidiert mitgeteilt, dass der Auftrag der Polizei lediglich darin bestehe, Verkehrskontrollen durchzuführen. Die Polizei solle nur gesetzeskonform einschreiten. Solange es keinen Auftrag seitens der Gesundheitsbehörde gäbe, bleibe es bei Verkehrskontrollen. Schon nach diesen Ausführungen war allen Beteiligten bewusst, dass zunächst eine hinreichende Rechtsgrundlage mit sämtlichen notwendigen Abwägungen auszuarbeiten war.

Vor den gegen 14.00 Uhr erfolgten politischen Abstimmungen war die beabsichtigte Quarantäne weder in Bezug auf ihren Umfang, die davon betroffenen Personen, die konkrete räumliche Ausdehnung oder die konkrete Dauer näher definiert. Ausgehend davon ist das von LAD HR Dr. Herbert F*** gewählte Vorgehen, nämlich die BH Landeck erst nach Ausarbeitung und Abstimmung des alle relevanten Punkte umfassenden Konzeptes zu informieren, durchaus nachvollziehbar, plausibel und aus strafrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

Sämtliche Verantwortliche der Bezirkshauptmannschaft Landeck, des Landes Tirol und auch im Bereich des BMI haben nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens anhand der ihnen jeweils zur Verfügung stehenden Informationen unter großem Zeitdruck die Maßnahmen, mit deren Planung und Durchführung sie beauftragt wurden oder die für sie in ihrem Zuständigkeitsbereich erkennbar waren, ohne relevante Verzögerungen umgesetzt.

LAD HR Dr. Herbert F*** und weitere Verantwortliche des Amtes der Tiroler Landesregierung haben die ihnen übertragenen konzeptuellen Planungen für beispiellose Maßnahmen binnen knapp vier Stunden ausgearbeitet und abgestimmt.

Bei der Bezirkshauptmannschaft Landeck wurden diese sukzessive binnen weniger Stunden – und zudem noch vor Vorliegen der schriftlichen Verordnung mündlich – umgesetzt, sodass die wesentlichen Maßnahmen ab 16:20 Uhr (Untersagung der Ausreise von Einheimischen und Gästen aus Österreich) beziehungsweise 17:15 Uhr (erforderliche Registrierung) in Geltung gesetzt wurden.

Dass es zu Kommunikationsfehlern gekommen ist, war vor allem dem erheblichen Zeitdruck sowie dem Umstand geschuldet, dass für eine „Verhängung einer Quarantäne“ keine Erfahrungswerte vorlagen. Die Vorbereitungszeit für eine derart weitreichende und gleichzeitig präzedenzlose Maßnahme war objektiv zu kurz.

Der Vollständigkeit halber ist aber auch festzuhalten, dass sich umgekehrt aus dem Umstand, dass die Quarantäne überaus kurzfristig entschieden und für die Verantwortlichen vor Ort überraschend verkündet wurde, kein Anfangsverdacht ergab: In den Tagen vor dem 13.03.2020 stiegen die Infektionszahlen, vor allem, aber nicht nur in Ischgl, stetig an und trafen laufend Mitteilungen über allenfalls dort oder in anderen Skiorten erfolgte Infektionen aus dem Ausland ein, wodurch sich naturgemäß die Einschätzung der epidemiologischen Lage änderte. Gleichzeitig verbesserten sich die Erkenntnisse über die Erkrankung und die Übertragungswege und damit auch die Beurteilung allenfalls erforderlicher Maßnahmen, bei denen wenige Wochen zuvor nicht nur die Notwendigkeit, sondern auch die Umsetzbarkeit und Verhältnismäßigkeit noch völlig undenkbar schienen.

Ungeachtet dessen wurde in zahlreichen Medienberichten und mehreren Anzeigen bzw. Sachverhaltsdarstellungen aber gerade kritisiert, dass zahlreiche Maßnahmen zu spät und zu wenig umfassend ergriffen worden seien. Nachdem die politischen Entscheidungsträger und vor allem deren Stäbe und Berater aufgrund der konstatierten kritischen Lage die „Verhängung einer Quarantäne“ über bestimmte Gebiete als erforderlich qualifizierten, liegt es auf der Hand, dass diese Maßnahme auch schnellstmöglich umzusetzen war. Der Umstand, dass vor öffentlicher Verkündung der Maßnahme der Abschluss aller Vorarbeiten und damit die Möglichkeit zur praktischen – sofortigen, also mit Verkündung geltenden und beginnenden – Durchführung nicht sichergestellt war und auch nicht durch Rückfragen oder Rückmeldungen überprüft wurde, ist grundsätzlich als entscheidendes Versäumnis anzusehen. Allerdings kann dieses Versäumnis angesichts der Dynamik der Situation und des Zeitdrucks keiner der handelnden Personen angelastet und vorgeworfen werden.

5. Zusammenfassung

 

Das Robert-Koch-Institut erklärte Tirol nicht am 06.03.2020 (nach Bekanntwerden der Mitteilungen aus Island) und auch danach trotz der laufenden Medienberichterstattung zu den ersten positiv getesteten Fällen, zur Sperre des „K***“ und sodann aller Apres-Ski-Lokale und auch nicht nach Verkündung der vorläufigen Beendigung der Skisaison in Ischgl zum Risikogebiet: vielmehr wurde Tirol erst ab 13.03.2020 (nach Verkündung der Quarantäne über das Paznaun und St. Anton am Arlberg) als besonders betroffenes Gebiet eingestuft.

Dafür, dass – wie in den Anzeigen und Sachverhaltsdarstellungen vielfach ausgeführt - die Verantwortlichen auf Mitteilungen ausländischer Behörden, insbesondere aus Island mit Bezug auf Ischgl, aber auch aus Deutschland mit Bezug auf Sölden, überhaupt nicht oder viel zu spät reagiert hätten und erste Krankheitsfälle „vertuscht“ worden wären, ergaben sich keine tragfähigen Beweise. Wie dargestellt, wurde vielmehr auf sämtliche Hinweise reagiert und waren alle relevanten Vorfälle nicht nur zeitnah bekannt, sondern gerade zu Beginn der Entwicklung und damit im hier interessierenden Zeitraum auch Gegenstand von Presseaussendungen. Eine derartige „Vertuschung“ wäre unter Berücksichtigung des oben dargestellten Ablaufs (Anzeigepflicht, Test durch „Screening Team“ oder Amtsarzt) auch kaum möglich gewesen. Überdies wurde von einem Anzeiger mitgeteilt, dass er am 07.03.20 auf der Anreise zur Winterfreizeit in Richtung Paznaun gewesen sei, als er aus dem Radio Kenntnis von Infektionsfällen in Tirol vernommen habe. Noch vor der österreichischen Grenze sei die Urlaubsfahrt abgebrochen worden. Auch daraus erschließt sich, dass die ins Treffen geführte „Vertuschung“ nicht den Tatsachen entsprach.

In diesem Zusammenhang ist auch wesentlich, dass zahlreiche Gäste bereits nach der Schließung der Apres-Ski Lokale frühzeitig abgereist sind bzw. bereits ab Samstag, 07.03.2020, weniger Anreisen als üblich in der Hauptsaison erfolgten. Darin spiegelt sich die – nach wie vor zu beobachtende – durchaus unterschiedliche Einschätzung des Risikos durch einzelne Personen oder Personengruppen wieder, für die es auch jeweils Stimmen aus Fachkreisen gegeben hat und gibt.

Wenn vorgebracht wird, dass seitens der AGES festgestellt worden sei, dass die erste Infektion bereits Anfang Februar erfolgt sei, so ist dazu darauf hinzuweisen, dass die Beurteilung durch die AGES auf die Angabe einer in weiterer Folge am 08.03.2020 (!) positiv getesteten Mitarbeiterin des „K***“ im Rahmen der erforderlichen Erhebungen zurückgeht, wonach sie bereits seit vier Wochen leichte Symptome habe. Daraus schloss die AGES damals, dass bei dieser Mitarbeiterin bereits am 08.02.2020 eine COVID-Infektion vorgelegen haben könnte. Hierzu wird seitens der AGES festgehalten: „Der gegenwärtige Kenntnisstand lässt vermuten, dass mit Ende Februar mehrere Personen zur gleichen Zeit mit SARS-CoV-2 infiziert waren und somit als Infektionsquellen der Clusterfälle in Frage kommen. Der früheste bekannte epidemiologische Fall ist mit 08.02.2020 ermittelt worden: Der Fragebogen wurde am 11.03. von der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde an die AGES übermittelt. Als Diagnosedatum mittels PCR-basierten RNA Nachweis ist der 08.03. festgehalten und der Erkrankungsbeginn (respiratorische Erkältungssymptome und Druck auf Brustkorb) wurde mit 08.02. angegeben.“[12]

Der weitere zentrale Vorwurf, wonach nach und trotz Erkennbarkeit eines Clusters in Ischgl vor weiteren Veranlassungen und Maßnahmen rein aus wirtschaftlichen Interessen noch der Urlauberschichtwechsel am Wochenende abgewartet worden sei, ist bereits aufgrund des Umstandes nicht nachvollziehbar, dass der Großteil der Anreisen (auch) in Ischgl zwischen 06.03.2020 und 08.03.2020, somit vor bzw. binnen 24 Stunden nach der positiven Testung des Barkeepers, der tatsächlich der erste positiv Getestete in Ischgl war, erfolgte. Erst zu diesem Zeitpunkt lagen überdies die Hinweise der in Island positiv getesteten Personen auf das Lokal vor.

Im Hinblick auf die festgestellten Maßnahmen und Veranlassungen der Entscheidungsträger bzw. der Beschuldigten ist festzuhalten, dass es zu keinen Verzögerungen durch sachfremde Motive gekommen ist. Keineswegs hat sich ergeben, dass „im Dienste des Tourismus in Tirol Warnungen, Betriebsschließungen und letztlich die Schließung des Paznaun nur mit starker Verzögerung erfolgt seien“. Die veröffentlichten Textnachrichten von Franz H*** an den Betreiber des Lokals „K***“ vom 09.03.2020, in denen dieser jenen unter Hinweis auf den Imageschaden sowie die Wendung „oder willst du schuld am Ende der Saison in Ischgl u eventuell Tirol sein“ zur Schließung des Lokals auffordert, belegen vielmehr das Gegenteil. Dass die betroffenen Tourismusverbände und die Gemeinden die vom Land Tirol veröffentlichten Presseinformationen und Mitteilungen der Tirol Werbung – wie etwa auch Aufrufe zu Vorsichtsmaßnahmen wie Hygienestandards – weiterverbreitet haben und in diesen bis wenige Tage vor Verhängung der Quarantäne das Ansteckungsrisiko als gering bezeichnet wurde, trifft zwar zu, gibt aber nur den damaligen, durchaus verbreiteten und allgemein anerkannten Kenntnisstand wieder (vgl. dazu nur die damaligen Einschätzungen des Robert-Koch-Instituts), sodass daraus gerade nicht auf aus wirtschaftlichen Gründen erfolgte Einflussnahmen der „Tourismus- und Seilbahnlobby“ geschlossen werden kann. Zudem ergaben sich hinsichtlich mehrerer in Medienberichten und Anzeigen bzw. Sachverhaltsdarstellungen breit thematisierter Umstände, wonach Mitarbeiter*innen verboten worden sei, bei grippeähnlichen Symptomen einen anderen Arzt als den Dorfarzt aufzusuchen, weder Hinweise noch Ermittlungsansätze.

Dies trifft beispielsweise auf die bereits am 23.03.2020 von einer Redakteurin im Rahmen einer Aufforderung zur Stellungnahme gegenüber der Gemeinde Ischgl aufgestellte und angeblich auf Aussagen von Mitarbeiter*innen von Gastronomiebetrieben in Ischgl zurückgehenden Behauptungen zu, dass es bereits Mitte Februar die ersten positiven Corona-Fälle gegeben habe. Die Arbeitgeber hätten die Situation "eher kleingeredet“ und nicht nur keine Schutzmaßnahmen wie etwa Desinfektionsstationen bereitgestellt, sondern auch von Anrufen bei der Hotline abgeraten. Man solle zum Arzt im Ort und nicht in Landeck gehen. Ein erster positiver Fall bei einer Mitarbeiterin Ende Februar sei so gehandhabt worden, dass sie nach Hause geschickt und keine Testung der Kolleg*innen veranlasst worden sei. Mit der dafür verantwortlichen Redakteurin des ZDF wurde Kontakt aufgenommen. Sie gab an, dass ihre Quelle nicht die vermeintlich schon im Februar infizierte Person gewesen sei. Sie glaube auch nicht, dass ihre Quelle den Namen der vermeintlich infizierten Person oder den Arbeitgeber kenne. Im Übrigen wies sie auf den Unterschied zwischen einer Anfrage und einem tatsächlich erscheinenden Artikel hin, womit sie klarstellte, dass die in der seinerzeitigen Anfrage an die Gemeinde Ischgl behaupteten Umstände auch nach ihrer Beurteilung keineswegs gesichert waren oder sind.

Schließlich wurde am 12.05.2020 von einer Privatperson ein Facebook-Eintrag des ORF-Redakteurs Eduard M*** (Redakteur der Reportage „Am Schauplatz“) übermittelt, in welchem dieser seine Verwunderung darüber äußerte, dass die Polizei bei Erstellung ihres Berichtes nie an ihn, der immerhin fast drei Wochen für den ORF in Ischgl gewesen sei und recherchiert habe, herangetreten sei. Er habe Kontakt mit der „ersten Person, die in einem Restaurant der Silvretta Seilbahnen bereits Tage vor der Schließung der Silvretta Skiarena Corona positiv getestet“ worden sei und „an ihrem letzten Arbeitstag noch an die 100 Personen bedient“ gehabt. Am nächsten Tag seien fünf weitere Kolleg*innen aus diesem Restaurant Covid 19 positiv gewesen, die Seilbahnen seien danach noch vier Tage weiter betrieben worden, den „verbleibenden Mitarbeiter*innen soll“ von ihren Vorgesetzten bei sonstiger Kündigung verboten worden sein, bei grippeähnlichen Symptomen einen anderen Arzt zu kontaktieren als den Dorfarzt.

Auch diese Behauptungen konnten durch das Ermittlungsverfahren, insbesondere durch die Unterlagen der BH Landeck und die Einvernahme des Zeugen Mag. Günther Z*** nicht bestätigt werden.

Letztendlich sind auch die im Zusammenhang mit der öffentlich verkündeten Quarantäne festgestellten Kommunikationsfehler und Informationsfehler betreffend die über das ganze Wochenende weiterhin möglichen Abreise strafrechtlich nicht zu fassen. Der oftmals geäußerten Kritik, dass die ausländischen Gäste ungetestet abgereist sind, ist entgegenzuhalten, dass dies bei den damaligen Testkapazitäten der Virologie in Innsbruck zumindest mehrere Wochen in Anspruch genommen hätte. Es wäre daher nicht zu bewältigen gewesen und war nach den damaligen Vorgaben und Definitionen hinsichtlich Kontaktpersonennachverfolgung auch nicht vorgesehen.

Unter Berücksichtigung aller dargestellten Erwägungen und des Umstandes, dass für die Entscheidungsträger eine präzedenzlose Situation mit großen Unsicherheiten vorlag, und schließlich die Corona-Pandemie, wie es Univ. Prof. Dr. Christian D*** ausdrückte, eine Naturkatastrophe, die in Zeitlupe stattfindet, darstellt, war das gegenständliche Ermittlungsverfahren gegen BH HR Dr. Markus M***, Mag. Siegmund G***, Mag. Bernd T***, LAD HR Dr. Herbert F***, BGM Werner K*** und u.T. gem. § 190 Z 2 StPO einzustellen.

 

 



[2] Sprenger, Das Corona-Rätsel, Tagebuch einer Pandemie, S 13.

[4] Sprenger, Das Corona-Rätsel, Tagebuch einer Pandemie, S 13.

[6] Hiersche/K.Holzinger/Eibl, Handbuch des Epidemierechts (2020), S 12, 17.

[7] Early Warning and Response System: eine web-basierte Plattform, die die Europäische Kommission, das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) und die Gesundheitsbehörden in den Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums verbindet.

 

[8] Dabei handelte es sich um all jene isländischen Tourist*innen, die in Ischgl aufhältig gewesen waren  und die seitens des TVB über Auftrag der BH Landeck ermittelt wurden.

 

[9]Hiersche/K. Holzinger/Eibl, Handbuch des Epidemierechts (2020) S 152.

 

[10] 1986 wurde von der Bundesregierung ein Staatliches Krisenmanagement beim Bundeskanzleramt eingerichtet. Seit Mai 2003 obliegen die Koordination des Staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagements und die internationale Katastrophenhilfe dem Bundesministerium für Inneres. Mit Ministerratsbeschluss vom 20. Jänner 2004 wurde das „Staatliche Krisen- und Katastrophenschutzmanagement (SKKM)“ neu organisiert. Die wichtigste Neuerung bildet dabei die Zusammenführung der in verschiedenen Ressorts angesiedelten Koordinationsgremien in einem neuen Koordinationsausschuss unter Vorsitz des Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit. In diesem Koordinationsausschuss sind die Bundesministerien, Bundesländer, Einsatzorganisationen und Medien vertreten. Dem Ausschuss obliegt bei großräumigen Gefährdungslagen die Koordination und Abstimmung der auf Bundes- und Landesebene erforderlichen Maßnahmen.

 

[11] Lokales-Einsatz-Protokoll-System der Polizei.

[12] https://www.ages.at/service/service-presse/pressemeldungen/ages-zur-epidemiologischen-abklaerung-des-cluster-s/


 [k1]Orginaltitel der Verordnung

Ausdruck vom: 19.04.2024 20:26:08 MESZ