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Aktenzeichen:

Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) (020), 17 St 18/22w

Veröffentlicht durch:

OStA Wien (038), 12 OStA 178/22m

Bekannt gemacht am:

18.03.2024


Entscheidungsdatum:

11.03.2024

Einstellungsgründe

§ 35c StAG
§ 190 Z 1 StPO
§ 190 Z 2 StPO


I. Das Ermittlungsverfahren betreffend die Verdächtigen Mag. N*** D***, Mag. L*** R***, Mag. P*** P***, Dr. J*** O***, MMag. Dr. K*** und unbekannte Täter wird

gemäß § 190 Z 1 und 2 StPO eingestellt.


II. Betreffend T*** S***, Mag. T*** und W*** J*** wird von der Einleitung eines Ermittlungsverfahren

gemäß § 35c StAG Abstand genommen.

A. Zu prüfender Verdacht:

Es war der Verdacht zu prüfen, es haben zu nachangeführten Zeitpunkten, nachangeführte Personen in Wien ihre Befugnis über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen geschädigt und zwar:

  1. Dr. J*** O*** in seiner Funktion als Staatssekretär im Bundeskanzleramt im Zeitraum 2009 bis August 2010, indem er über das Bundeskanzleramt bei MMag. Dr. K*** (die unter Punkt B.b.1. dargestellten) Umfragen in einem Gesamtwert von 129.050 Euro zzgl USt in Auftrag gab und aus den Mitteln des Bundeskanzleramtes bezahlen ließ, die inhaltlich parteipolitische Themen im Interesse der S*** betrafen;

  2. unbekannte Täter (Amtsträger in den S*** geführten Ministerien oder der Stadt W***), indem sie im Zeitraum 2009 bis 2013 die unter Punkt B.b.2.und 3. angeführten Umfragen im Interesse der S*** in einem 300.000 Euro übersteigenden Umfang in Auftrag gaben und aus öffentlichen Geldern bezahlten;

  3. Mag. N*** D***, Mag. P*** P***, Mag. L*** R***, Mag. M*** T*** und T*** S*** zu der unter Punkt 2. angeführten Tat beigetragen, indem sie die Umfragen ausverhandelten und Fragen formulierten bzw sonst mitarbeiteten;

  4. Mag. L*** R*** zu der unter Punkte 1. angeführten Tat teilweise beigetragen, indem sie parteipolitische Fragen zur Einbeziehung in die vom Bundeskanzleramt bezahlte Umfrage übermittelte;

  5. MMag. Dr. K*** zu den unter Punkt 1. und 2. dargestellten Tathandlungen beigetragen, indem sie die Bezug habenden Angebote und Rechnungen legte.

  6. W*** J*** zu der unter Punkt 2. angeführten Tat im Zusammenhang mit den unter Punkt B.b.3. angeführten Umfragen beigetragen.

Es ist daher zu prüfen, ob ein Verdacht nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall (zu Punkt 1.) bzw zweiter Fall (zu den Punkten 2. bis 4.) StGB vorliegt.



B. Sachverhalt zu der diesbezüglichen Anzeige der S*** B***, MA, MBA:

a. Zu den Personen und Unternehmen:

Die K*** M*** I*** GmbH wurde mit dem Gesellschaftsvertrag vom 15. Jänner 2009 errichtet und mit dem Generalversammlungsbeschluss vom 15. Jänner 2014 aufgelöst. Geschäftsführerin war MMag. Dr. K*** (Firmenbuchauszug ON 3). Die Firma der K*** M*** GmbH wurde mit dem Gesellschaftsbeschluss vom 29. Jänner 2015 in K & N I*** f** M*** GmbH geändert. MMag. Dr. K*** schied Ende 2013 bzw Anfang 2014 als Geschäftsführerin bzw Gesellschafterin aus dem Unternehmen aus (Firmenbuchauszug ON 3).

Dr. J*** O*** war (soweit hier von Relevanz) von 2. Dezember 2008 bis 16. Dezember 2013 für die S*** Staatssekretär im Bundeskanzleramt (ON 5).

Mag. L*** R*** war von Jänner 2007 bis März 2014 für die S*** Abgeordnete zum Nationalrat; von November 2008 bis Februar 2014 war sie Bundesgeschäftsführerin der S** (ON 5).

Mag. M*** T*** war von September 2012 bis März 2014 Mitarbeiterin im Kabinett des Bundeskanzlers W*** F*** (ON 9 S 1).

Mag. N*** D*** (S***) war von 1. Februar 2009 bis 11. März 2013 Bundesminister für Landesverteidigung und Sport. Ab März 2013 war er Wahlkampfleiter für die S*** (ON 5).

Mag. P*** P*** war ab Oktober 2011 Kabinettsmitarbeiter bei Mag. N*** D*** und wechselte am 11. März 2013 mit Mag. D*** in die S***-Parteizentrale und war im Wahlkampf für „Meinungsforschung“ zuständig (ON 5).

Die A*** V*** GmbH verlegt die Gratis-Tageszeitung „H***“. Geschäftsführer waren zu den hier relevanten Zeitpunkten und sind W*** J*** und Dr. E*** D*** (ON 4).

Das Dr.-K***-R***-I*** ist die politische Akademie der S*** (ON 6).

Am 29. September 2013 fand in Österreich die Nationalratswahl statt.

b. Zusammenarbeit S***/MMag. Dr. K***:

Im Zeitraum 2009 bis 16. Dezember 2013 bestand ein Auftragsverhältnis bzw eine mehrjährige Zusammenarbeit zwischen der Bundes-S*** und MMag. Dr. K***- S*** im Rahmen ihrer Unternehmen S*** K*** M*** I*** GmbH (in der Folge: „SK***“) bzw der K*** M*** GmbH (in der Folge: „K***“).

1. Angebote an das Bundeskanzleramt:

Dr. J*** O*** war von 2 .Dezember 2008 bis 16. Dezember 2013 Staatssekretär im Bundeskanzleramt bei Bundeskanzler W*** F*** (S***).

MMag. Dr. K*** hat dem Bundeskanzleramt (BKA) folgende Umfragen angeboten (ON 9 S 17 ff samt Bezug habenden Beilagen; ON 2 = ON 2172 S 177  bis 179 in 17 St 5/19d):

    • Am 5. April 2009 übermittelte MMag. Dr. K*** für die SK*** ein Angebot an das Bundeskanzleramt zu Handen von Dr. J*** O*** für eine Umfrage zum Thema „Neue Abfrage Politikerbarometer und Parteipräferenz“ mit 1.000 telefonischen Interviews um 22.200,-- Euro zzgl USt. Gegenstand der Studie sollte sein, „mit einem neuen Ansatz die Akzeptanz von Politiker*innen und Parteien in der österreichischen Bevölkerung zu messen“. Dabei sollten die „bekannten Fragestellungen wie Beliebtheit Politiker*innen, Kanzlerfrage und Sonntagsfrage weiterentwickelt“ werden. Ziel der Grundlagenstudie war es, „die differenzierenden Fragen herauszuarbeiten und in laufenden Politik Befragungen eventuell in Kooperation mit einem Medium weiter einzusetzen“. Die Kosten würden sich auf 22.000 Euro zzgl USt belaufen (im Detail zu den Fragestellungen siehe ON 2172 S 177  bis 179 in 17 St 5/19d; hier ON 2 und ON 9 S 17 f samt Beilagen).

    • Am 7. Dezember 2009 übermittelte MMag. Dr. K*** für die K*** ein Angebot an das Bundeskanzleramt zu Handen von Dr. J*** O*** für eine Umfrage zum Thema „Öffentliche Wahrnehmung der Rede W*** F***s vom 2.12.“ zum Preis von 17.500 Euro zzgl USt. Am selben Tag übermittelte MMag. Dr. K*** für die SK*** ein inhaltsgleiches Angebot an die S***. Inhaltlich geht es bei dem Umfrageangebot darum, wie die Rede F*** angekommen ist und ob die Rede etwas in Bezug auf die Haltung zur S*** bzw Bundeskanzler F*** verändert habe sowie welche Wählergruppen angesprochen worden seien (ON 9 S 20 ff samt Beilagen).

    • Am 16. April 2010 übermittelte MMag. Dr. K*** für die SK*** ein Angebot an das Bundeskanzleramt zu Handen von Dr. J*** O*** für eine Umfrage zum Thema „Neue Abfrage Politikerbarometer und Parteipräferenz“ zum Preis von 22.000 Euro zzgl USt mit parteipolitischen Fragestellungen (ON 9 S 23 f; im Detail siehe die Beilagen zur ON 9).

    • Ebenfalls am 16. April 2010 übermittelte MMag. Dr. K*** für die SK*** ein Angebot an das Bundeskanzleramt zu Handen von Dr. J*** O*** für eine Umfrage zum Thema „Emotionale Ansprache des Themas Krisenbewältigung 2010“ zum Preis von 42.150 Euro zzgl USt mit parteipolitischen Fragestellungen. Es geht dabei zB um die Frage der Erwartungen der Bevölkerung in die Politik und wie die S*** diese Themen für sich nutzen könnte oder die Erforschung der Meinung der S***-Wähler*innen zu konkreten politischen Fragestellungen. Weiters sind vom Angebot Gruppendiskussionen mit S***-Stammwähler*innen, ehemalige S***-Wähler*innen und potentielle S***-Wähler*innen enthalten (ON 9 S 25 f; im Detail siehe die Beilagen zur ON 9).

    • Am 30. Juli 2010 übermittelte ein Mitarbeiter des BKA Mag. S*** unter anderem an MMag. Dr. K*** und Dr. J*** O*** Fragen zum Themenkreis „Gerechtigkeit“. Die Fragestellungen betreffen finanz- und steuerpolitische Themen sowie Kinderbetreuungsplätze, gemeinsame Obsorge und Quotenregelungen in Führungspositionen. Am selben Tag übermittelt Mag. S*** an Mag. R*** ein mit „K***_gerechte_steuern“ bezeichnetes Dokument mit der Bitte „wie besprochen, deine Fragen anzuhängen“, wobei er deren Fragen wiederum an MMag. Dr. K*** weiterleitet. Am 3. August 2010 übermittelte MMag. Dr. K*** für die SK*** ein Angebot an das Bundeskanzleramt „wie mit Herrn Staatssekretär Dr. O*** besprochen“ für eine Umfrage zum Thema „Gerechte Steuern 2010“ zum Preis von 25.200 Euro zzgl USt. In dem diesbezüglichen Fragebogen finden sich auch die von Mag. R*** genannten Themen sowie parteipolitische Fragestellungen. Das Ergebnis der Umfrage wurde noch im August 2010 präsentiert (ON 9 S 25 ff; im Detail siehe die Beilagen zur ON 9).

Die Gesamtkosten der Angebote belaufen sich auf 129.050 Euro zzgl USt. Die letzte Umfrage wurde im August 2010 beauftragt und durchgeführt.

Ob die vier erstgenannten Studie beauftragt wurde, kann nicht festgestellt werden.

2. Angebote an die Bundes-S*** sowie an die G*** in den Jahren 2009 bis 2011:

2009:

    • 27.5.2009 Angebot von SK*** an S*** – Psychologische Untersuchung Kommunikationsstrategie S*** – Krise 2009 – Qualitative Studie – 49.000 Euro exkl. Mwst;

    • 9.12.2009 Angebot von SK*** an S***/Dr. G*** K*** – Öffentliche Wahrnehmung der Rede W*** F***s vom 2.12. – 300 persönliche Interviews – 17.500 Euro exkl. Mwst;

2010:

    • 18.3.2010 Angebot von K*** an S***/L*** R*** – Thema: Emotionale Ansprache des Themas Krisenbewältigung 2010“ – Qualitative Studie – 33.700 Euro exkl. Mwst;

2011:

2011 erhielt MMag. Dr. K*** eine Anfrage von G* mit Sitz in Tel Aviv, Israel. Ansprechpartner waren T*** S***, D*** S*** und A*** T***. Zwei Tage nach dieser Anfrage wurde jedoch mitgeteilt, dass das Angebot nicht an G*** sondern an die Bundes-S***, L*** 18, 1*** Wien, und dort an L*** R*** zu richten sei. T*** S*** und sein Team arbeiteten in weiterer Folge operativ an der Studie mit.

2011 legte MMag. Dr. K*** folgende Angebote:

    • am 26.1.2011 Angebot von K*** an G***/D*** S*** – Gruppendiskussionen – 16.905 Euro exkl. Mwst;

      Am 28.1.2011 wurde das Angebot umgeschrieben auf die S***/L*** R***.

    • am 9.2.2011 Angebot von K*** an G***/D*** S*** – Übersetzung FB auf Deutsch (800 Euro) + 1.000 CATI Interviews (25.500 Euro);

    • am 18.4.2011 Angebot von K*** an G***/A*** T*** – 31.000 Euro (1.000 CATI Interviews, also Telefoninterviews, + Übersetzung FBs und offene Antworten);

      Am 18.4.2011 wurde das Angebot umgeschrieben auf L*** R***/S***.

    • am 27.5.2011 Angebot von SK*** an S***/R*** „Wahlmotive, aktuelle Themen in Zusammenhang mit der Parteipräferenz“ – 1.000 tel. Interviews – 19.000 Euro;

    • am 27.5.2011 Angebot von SK*** an S***/R*** – Halbjahresvertrag – 130.000 Euro;

    • am 7.6.2011 Angebot von SK*** an S***/R*** – Halbjahresvertrag 110.000 Euro.

3. Kooperation zwischen der Bundes-S***, der Tageszeitung H*** und SK***/K*** 2012 bis 2013:

Ab 2012 fand eine Kooperation zwischen der S***, der Tageszeitung H*** und SK*** bzw. K*** statt. Sowohl die Bundes-S*** als auch die Tageszeitung H*** beauftragten Umfragen zu politischen Themen, wobei bei der Sonntags- und Kanzlerfrage die Bundes-S*** das Ergebnis bestimmte. S*** B***, MA, MBA musste auf Anweisung von MMag. Dr. K***, wenn die Ergebnisse vorlagen Mag. M*** T***, anrufen und ihr diese mitteilen. Wenn das Ergebnis nicht den Vorstellungen von Mag. M*** T*** bzw Mag. L*** R*** entsprach, musste dieses nach deren Vorgaben geändert werden (durch die Statistikabteilung). Mag. M*** T***S Nachfolger war Mag. P*** P***, bei dem diese Vorgangsweise gleich weiterging. Mag. M*** T*** und später Mag. P*** P*** waren die Sprachrohre von Mag. L*** R***. Mag. L*** R*** war diejenige die vorgab, wie die Ergebnisse zu lauten hatten. Gelegentlich rief auch Mag. L*** R*** MMag. Dr K***-S*** persönlich an und machte Vorgaben.

Im Rahmen dieser Kooperation legte MMag. Dr. K*** folgende Angebote:

2012:

    • am 22.2.2012 Angebot von K*** an A***/J*** – „Politumfragen“ (2x monatlich Politbarometer, 2-3 aktuelle Fragen, 19 Wellen im Rahmen einer „Mehrthemenumfrage“, n=500 tel. Interviews, + 5x im Jahr Sonntagsfrage und Kanzlerfrage, n=800 telefonische Interviews) – 83.500 Euro (Start 6.3.);

    • am 22.2.2012 Angebot von SK*** an S***/R*** – „Aktuelle Themen“ – 24 Wellen à n=500 telefonische Interviews – 196.000 Euro (Start 5.3.);

    • am 19.3.2012 Angebot von K*** an A***/J*** – „Politumfragen“ (2x monatlich Politbarometer, 2-3 aktuelle Fragen, 19 Wellen im Rahmen einer „Mehrthemenumfrage“, n=500 tel. Interviews, + 5x im Jahr Sonntagsfrage und Kanzlerfrage, n=800 telefonische Interviews) – 80.000 Euro;

    • am 20.3.2012 Bestätigung SK*** an S***/R*** – „Details – Projekt Aktuelle Themen“ – es werden zweiwöchig insgesamt 24 Wellen durchgeführt – Abrechnung erfolgt quartalsmäßig – Abrechnungsbetrag pro Quartal 49.002 Euro exkl. Mwst.

2013:

    • am 29.1.2013 Angebot von K*** an A***/J*** – „Politumfragen“ – Projektstart 18.3.2013, Projektende 27.6.2013 (4x500 telefonische Interviews (Politikerbarometer + 2-3 aktuelle Fragen + 4x800 telefonische Interviews (Politikerbarometer + 2-3 aktuelle Fragen + Sonntags- und Kanzlerfrage) – 38.380 Euro exkl. MWst + Kosten für 2-3 Zusatzfragen in einem Bundesland – Kosten pro Welle 3.300 Euro exkl. Mwst.;

    • am 29.1.2013 Angebot vom K*** an S***/L*** R*** – „Aktuelle Themen“ – 10 Wellen mit n=500 telefonischen Interviews, 81.670 Euro, Start 28.2.;

    • am 13.3.2013 Angebot von K*** an A***/J*** – „Politumfragen“ – mit gleichen Leistungen wie oben – allerdings Anpassung des Projektstarts: Start neu 2.4. und neuer Preis: statt 38.380 Euro nun 34.540 Euro;

    • am 27.6.2013 Angebot von SK*** an S***/P*** und D*** – „Aktuelle Themen – Sommer 2013“, 7 Wellen à n=500 telefonische Interviews, 57.169 Euro (von Anfang Juli-Ende September);

    • am 27.6.2013 Angebot von SK*** an S***/P*** und D*** – „Aktuelle Themen – Herbst 2013“, 7 Wellen à n=500 telefonische Interviews, 57.169 Euro (von Anfang Oktober-Ende Dezember) ;

      Beide Angebote wurden umgeschrieben auf „K*** R*** I***/Mag. K*** D***“ – beides am 9.7.

    • am 27.6.2013 Angebot von K*** an A***/J*** – „Politumfragen“ – 6xn=500 telefonische Interviews (Politbarometer + 2-3 aktuelle Fragen) und 7xn=800 telefonische Interviews (Politbarometer, 2-3 aktuelle Fragen, Sonntags- und Kanzlerfrage) – 64.270 Euro + Kosten für 2-3 Zusatzfragen in einem Bundesland – Kosten pro Welle 3.300 Euro exkl. Mwst;

    • am 1.7.2013 Angebot von K*** an A***/J*** – „Politumfragen“ - 6xn=500 telefonische Interviews (Politbarometer + 2-3 aktuelle Fragen) und 7xn=800 telefonische Interviews (Politbarometer, 2-3 aktuelle Fragen, Sonntags- und Kanzlerfrage) – 57.840 Euro + Kosten für 2-3 Zusatzfragen in einem Bundesland – Kosten pro Welle 3.300 Euro exkl. Mwst;

    • am 4.12.2013 Angebot von SK*** an S***/P*** und D*** - „Aktuelle Themen März 2014 bis Februar 2015“ – 25 Wellen à n=500 telefonische Interviews – 204.175 Euro (Achtung siehe Zeitplan Sonntagsfrage!);

    • am 4.12.2013 Angebot von K*** an A***/J*** – „Politumfragen“ – Projektstart 17.3.2014 bis 26.2.2015 - 13xn=500 telefonische Interviews (Politbarometer + 2-3 aktuelle Fragen) und 12xn=800 telefonische Interviews (Politbarometer, 2-3 aktuelle Fragen, Sonntags- und Kanzlerfrage) – 106.235 Euro + Kosten für 2-3 Zusatzfragen in einem Bundesland – Kosten pro Welle 3.300 Euro exkl. Mwst.

MMag. Dr. K*** legte die Angebote einerseits im Namen der SK*** an die Bundes-S*** und andererseits im Namen der K*** an A***/H***/J***. Die Sonntagsfrage und die Kanzlerfrage wurden jeweils von der S*** und von der A*** beauftragt; einzelne Detailfragen beauftragten die beiden separat.

Die Zusammenarbeit wurde beendet, als MMag. Dr. K*** mit 16. Dezember 2013 von der Ö*** als Bundesministerin für Familie und Jugend nominiert wurde.

C. Vorhandene Beweismittel:

Der zu prüfende Sachverhalt ergibt sich aus den Angaben der S*** B***, MA, MBA im Rahmen ihrer Beschuldigtenvernehmung in der ON 2172 S 7 ff und den von ihr vorgelegten umfangreichen Unterlagen ON 2172 S 143 ff der Akten 17 St 5/19d (hier ON 2) in Zusammenschau mit der aufgrund dieser Angaben durchgeführten Sichtung der bei der WKStA erliegenden Beweismittel (im Verfahren 17 St 5/19d sichergestellten Daten und Datenträger von S*** B***, MA, MBA und MMag. Dr. K***). Das Ergebnis der Sichtung ist in der ON 9 ersichtlich. Die Annahmen zu den beteiligten juristischen und natürlichen Personen stützen sich auf das Firmenbuch und eine Internetrecherche (ON 3, 4, 5, und 6). Die im Akt erliegenden Ausdrucke aus der Medientransparenz-Datenbank und die parlamentarischen Anfragen samt Beantwortungen stammen ebenfalls aus einer Internetrecherche.

D. Ergebnis der Prüfung (die zitierten gesetzlichen Bestimmungen beziehen sich auf die am 7. Juli 2022 in Geltung stehenden Fassungen):

1. Zu den Angeboten an das BKA:

Angesichts der dargestellten Sichtungsergebnisse liegt hier der Verdacht nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB nahe. Die in Rede stehenden Umfragen mit einem Gesamtauftragsvolumen von 129.050 Euro zzgl USt wurden in der Zeit von Ende 2009 bis August 2010 abgewickelt. Danach finden sich keine derartigen Umfragen/Kommunikationen mehr im Datenbestand (siehe ON 9).

Im Hinblick auf das Ende des möglichen Tatzeitraums spätestens Ende August 2010 und der sich aus der Strafdrohung (des nach einem gebotenen Günstigkeitsvergleich anzuwendenden geltenden) § 153 Abs 3 erster Fall StGB idgF iVm § 57 Abs 3 StPO ergebenden 5-jährigen Verjährungsfrist, sind allfällige Tathandlungen seit August 2015 verjährt. Da der Tatzeitraum nach der im Verfahren 17 St 5/19d bestehenden Verdachtslage betreffend MMag. Dr. K*** erst im Jahr 2016 beginnt (ON 2204 zu 17 St 5/19d), wäre daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 58 Abs 2 StGB auch hinsichtlich MMag. Dr. K*** Verjährung eingetreten. § 313 StGB ist eine bloß fakultativ anzuwendende Strafbemessungsvorschrift und hat daher keinen Einfluss auf die Dauer der Verjährungsfrist (RIS-Justiz RS0091345; Nordmeyer in WK-StGB² § 313 Rz 34 mwN).

Da der Sachverhalt über zehn Jahre zurückliegt, gäbe es selbst bei der Annahme eines Anfangsverdachtes keine weiteren Erfolg versprechenden Ermittlungsansätze: Über Unterlagen der K*** und der SK*** verfügt die WKStA nicht. MMag. Dr. K*** ist aus der K*** bereits Anfang 2014 ausgeschieden, die SK*** wurde Anfang 2014 aufgelöst. Vor diesem Hintergrund und im Lichte der hier relevanten gesetzlichen Aufbewahrungspflichten (etwa 7 Jahre nach § 132 Abs 1 BAO; §§ 190, 212 UGB) in Zusammenschau mit den Löschungsverpflichtungen nach der DSGVO ist nicht zu erwarten, dass noch relevante Unterlagen etwa über die Verrechnung oder andere Buchhaltungsunterlagen vorhanden sind.

Hinzu kommt, dass sich aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung des Bundeskanzlers Mag. N*** vom 6. Mai 2022 ergibt, dass das Bundeskanzleramt keine Verträge mit S*** B***, MA, MBA oder MMag. Dr. K*** oder diesen zuzurechnender Unternehmen hatte (ON 8 S 5 f). Die Anfrage bezieht sich gerade auf die gegenständlichen Angaben der S*** B***, MA, MBA (ON 8 S 1), sodass von der Anfragebeantwortung auch die Zeit unter Bundeskanzler F*** und Staatssekretär Dr. O*** umfasst ist. Es gibt daher keine Anhaltspunkte dafür, dass allfällige Verträge zwischen MMag. Dr. K*** und dem Bundeskanzleramt sowie die dazugehörigen Aktenvorgänge noch vorhanden sind. Dass die gegenständlichen Umfragen im Bundeskanzleramt nicht (mehr) verfügbar sind, ist insofern plausibel, als § 25 Abs 3 der Büroordnung für ELAKS der Bundesministerien, in der Regel eine Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren vorsieht. Nach diesem Zeitraum sind ELAKS nach Maßgabe des § 26 der Büroordnung aus dem ELAK-System auszusondern und zu vernichten (siehe Kopie aus der Büroordnung ON 8 S 23 f).

2. Zu den weiteren Angeboten:

Vorauszuschicken ist, dass eine gerichtliche Strafbarkeit in folgenden Konstellationen denkbar wäre:

    1. Beauftragung der Umfragen im Interesse der S*** durch die S*** und Abrechnung der Studien über die Stadt W***, Bundesministerien oder andere öffentliche Stellen (§ 153 StGB);

    1. Verknüpfung der Veröffentlichung der Umfragen in der Tageszeitung H*** mit der Zusage/der Forderung von Inseraten in der Tageszeitung H*** durch die Stadt W***, Bundesministerien oder anderen öffentliche Stellen (§§ 153, 304, 307 StGB)

Es liegen aber für keine dieser beiden Varianten konkrete Anhaltspunkte vor: Weder in den Angaben der S*** B***, MA, MBA (ON 2) noch in den der WKStA zur Verfügung stehenden Daten (ON 9) finden sich Hinweise auf solche Vorgänge.

Sowohl den Angaben der S*** B***, MA, MBA, als auch den von ihr vorgelegten Unterlagen und den der WKStA zur Verfügung stehenden Daten (ON 2 und 9) ist zu entnehmen, dass die Angebote an die S*** gerichtet wurden. Die Adressaten dieser Angebote bei der S*** (Mag. L*** R***, Mag. P*** P***, und Mag. N*** D***) hatten zu den Zeitpunkten, in denen sie die Angebote von MMag. Dr. K*** erhielten keine Ämter in Ministerien oder der Stadt W*** inne. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass diese im Interesse der S*** in Auftrag gegebenen Umfragen nicht auch von der S*** oder ihr zuzurechnenden Organisationen (etwa das Dr. K***-R***-I***) bezahlt worden wären. Dass die Umfragen auch tatsächlich über die S*** abgerechnet wurden, ist auch deshalb naheliegend, weil zunächst (bis Jänner 2013) die damalige Bundesgeschäftsführerin der S*** Mag. R*** die Ansprechpartnerin für MMag. Dr. K*** war. Erst nach seinem Ausscheiden aus dem Ministeramt übernahm der ab diesem Zeitpunkt für den Wahlkampf der S*** zuständige Mag. D*** und dessen für das Thema „Meinungsforschung“ zuständiger Mitarbeiter Mag. P*** die Umfragebeauftragung (ON 2172 S 7 ff in 17 St 5/19d; hier: ON 2). Auch dass die beiden zunächst an die S*** gelegten Angebote in weiterer Folge auf das Dr. K***-R***-I*** „umgeschrieben“ wurden (ON 2172 S 9 in 17 St 5/19d; hier ON 2), stützt die Annahme, dass die Abrechnung der in Rede stehenden Umfragen über die S*** oder ihr nahestehende Organisationen erfolgte. Das „Umschreiben“ hätte sonst keinen erkennbaren Sinn.

Auch für eine vereinbarte Verknüpfung zwischen der Veröffentlichung von Umfrageergebnissen in der Tageszeitung H*** mit öffentlichen Inseraten, etwa mit Inseraten der Stadt W*** oder den von der S*** geführten Bundesministerien gibt es im Hinblick auf die im zu prüfenden Verdacht angeführten Aufträge keine konkreten Anhaltspunkte oder Ermittlungsansätze. S*** B***, MA, MBA, hat dazu keine Wahrnehmungen. Die „Manipulation“ von Umfrageergebnissen und eine diesbezügliche Vereinbarung zwischen einer politischen Partei und Medien ist nicht gerichtlich strafbar.

Anders als bei dem zu 17 St 5/19d verfahrensgegenständlichen „B*/Ö*-Tool“ liegen hier keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Bezahlung der Studien/Umfragen aus öffentlichen Geldern und keine hinreichenden Indizien für eine (strafgesetzwidrige) Verknüpfung mit Inseraten von öffentlichen Stellen vor.



E. Zur Frage § 190 StPO oder § 35c StAG:

Ermitteln bedeutet ein Tätigwerden der Staatsanwaltschaft aufgrund eines zur Kenntnis gelangten Sachverhalts, den die Staatsanwaltschaft zuerst rechtlich dahin zu beurteilen hat, ob er – als erwiesen angenommen – einem Tatbestand des materiellen Strafrechts subsumierbar ist (RIS-Justiz RS 0127791). S*** B***, MA, MBA schilderte den Sachverhalt anlässlich ihrer Einvernahme im Verfahren 17 St 5/19d aus eigenem. Die WKStA erlangte von diesem Sachverhalt erst durch diese Angaben Kenntnis. Inhaltlich handelt es sich daher um eine Anzeigenerstattung im Zuge einer Einvernahme. Die Einvernahme der S*** B***, MA, MBA zu diesem Sachverhalt stellt somit keine Ermittlungshandlung wegen des Anfangsverdachts einer gerichtlich strafbaren Handlung dar. Das Zur-Kenntnis-Gelangen des Verdachts einer Straftat durch eine Anzeige (§§ 78 Abs 1, 80 Abs 1 StPO) ist nämlich vom Ermitteln zu unterscheiden.

Die Rechtsfrage, ob die Sichtung des bei der WKStA bereits vor der gegenständlichen Anzeigeerstattung erliegenden Datenbestandes im Rahmen der Nutzung behördeninterner Informationsquellen ein „Ermitteln“ oder die (nach dem Gesetz keine Ermittlungshandlung darstellende) Nutzung von behördeninternen Informationsquellen ist, war unklar (siehe dazu im Detail die Ausführungen in der ON 16). Festzuhalten ist, dass die WKStA alle (im Zuge der gegenständlichen Verdachtsprüfungen) durchgeführten Datensichtungen zu den gegenständlichen Verdachtslagen vornehmen durfte und musste und das hier auch gar nicht in Frage gestellt wurde. Die gesichteten Datenträger und Daten wurden in dem (ua) gegen B***, MA, MBA und MMag. Dr. K*** zu 17 St 5/19d geführten Ermittlungsverfahren sichergestellt. Sie waren somit Inhalt dieses Ermittlungsverfahrens. Die für die Beurteilung des gegenständlichen Tatverdachts relevanten Daten befanden sich (und befinden sich noch immer) jedenfalls teilweise auch im Ermittlungsakt 17 St 5/19d (siehe etwa ON 2172 S 142 ff zu 17 St 5/19d), weil diese von B***, MA, MBA an die WKStA übergeben wurden und auch im Akt 17 St 5/19d erhebliche Tatsachen darstellen. Zusätzlich wurde auch der im Verfahren 17 St 5/19d sichergestellte Datenbestand (insbesondere von MMag. DDr. K***) auf tatverdachtsrelevante Daten gesichtet (siehe ON 9 S 1). Die Sichtung des Datenbestandes erfolgte daher einerseits im Hinblick auf den hier zu 17 St 18/22w zu prüfenden Anfangsverdacht und andererseits zur rechtmäßigen Ermittlung erheblicher Tatsachen für das zu 17 St 5/19d geführte Ermittlungsverfahren.

Bei der gegenständlich zu lösenden Frage ging es nicht um die inhaltliche Prüfung des Sachverhalts, sondern ausschließlich darum, in welchem Rahmen eine Staatsanwaltschaft eine Verdachtslage prüft, wobei die Lösung dieser Frage im Hinblick auf die erheblich unterschiedlichen Rechtsfolgen von großer Bedeutung ist. Es geht daher lediglich um die Frage, ob das Verfahren nach § 190 Z 1 und 2 StPO einzustellen oder nach § 35c StAG vorzugehen ist.

Die nunmehrige Rechtslage führt in Bezug auf den gegenständlich zu prüfenden Verdacht hinsichtlich der einzelnen angezeigten Personen zu unterschiedlichen Ergebnissen:

Aufgrund der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 22. September 2023 (ON 20), das anders als das Erstgericht (ON 18) von einer Einleitung des Ermittlungsverfahrens ausging, wurde durch die Sichtung der Daten gegen Mag. D***, Mag. R**, Mag. P***, Dr. O***, MMag. Dr. K*** und UT ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, sodass diesbezüglich nach § 190 Z 1 und 2 StPO vorzugehen ist.

Da die Sichtung der Daten bereits vor Einlangen der Anzeige ON 10 gegen T** S***, Mag. M*** T*** und W*** J*** abgeschlossen war, somit diese Personen betreffend keine Ermittlungshandlung erfolgte und die Daten somit zu diesem Zeitpunkt bereits eine behördeninterne Informationsquelle iSd § 91 Abs 2 StPO darstellten war hinsichtlich dieser Angezeigten nach § 35c StAG vorzugehen.


Ausdruck vom: 27.07.2024 17:16:21 MESZ