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Aktenzeichen:

StA Innsbruck (816), 9 St 5/22s

Veröffentlicht durch:

OStA Innsbruck (817), 2 OStA 142/22k

Bekannt gemacht am:

04.05.2023


Entscheidungsdatum:

08.03.2023

Einstellungsgrund

§ 190 Z 2 StPO


 

    9 St 5/22s

    1. Sachverhalt / Verdachtslage

Am 15. März 2021 wurde in den Räumlichkeiten der Oberstaatsanwaltschaft Wien die Anordnung der Sicherstellung der von Mag. J***** F*****, LL.M. benutzten elektronischen Datenträger vollzogen. Im Zuge dessen kopierte ein IT-Experte der Justiz, über staatsanwaltschaftliche Anordnung, die auf dem Benutzerlaufwerk „H“ des Mag. F*****, LL.M. gespeicherten Daten auf eine externe Festplatte.

Bei der nachfolgenden Sichtung dieser Daten wurde der Export eines WhatsApp-Chatverlaufs zwischen Mag. F******, LL.M. und Mag. C***** P***** gefunden. Der Export enthält 708 WhatsApp-Nachrichten zwischen den Genannten aus dem Zeitraum 22. Dezember 2018 bis 16. März 2020, welche auf ihre strafrechtliche Relevanz geprüft wurden.

So übermittelte Mag. F****, LL.M., am 22.8.2019 den Link zu einem Artikel der Tageszeitung „Kurier“, in dem eine mögliche Befangenheit einzelner Mitarbeiter der „SoKo Tape“ thematisiert wird, an Mag. P***** und schrieb ihm dazu: „...wir müssen irgendwie unsere undichte Stelle finden; beginnen würde ich mit G.A. (Anm.: gemeint wohl Oberstaatsanwalt Mag. G***** A*****) HG“. Daraufhin antwortete Mag. P*****: „So arg; das kann man sich nicht gefallen lassen; ich spreche morgen mit L*****; ich stelle mir Observation vor; hG“.

Am 23. und 24. August 2019 entspann sich daran anknüpfend über WhatsApp eine Konversation einerseits zwischen Mag. F*****, LL.M. und Mag. P***** sowie andererseits zwischen Mag. F*****, LL.M. und Mag. H*****, welche – soweit wesentlich – nachfolgend auszugsweise wiedergegeben wird:

1. Konversation zwischen Mag. F*****, LL.M. und Mag. P*****:

Mag. P*****: „H*****, wir müssen koordinieren; meine Idee ist, dass StA Wien - S***** – mit SOKO das Leak ermittelt; so habe ich das auch M K*****, der mich angerufen hat, kommuniziert; hG“

Mag. F*****, LL.M.: „...das halte ich für eine gute Lösung, und die OStA soll ihn dort unterstützen, wo es Anordnungen der Dienststellenleitung bedarf Ich kommuniziere das auch so gegenüber M***** und H*****“

Mag. P*****: „Bestens; sonst macht jeder, was er will; K***** muss man aus dem Informationsfluss nehmen, was ich veranlasst habe, weil A***** Zielperson ist; hG“

Mag. F*****, LL.M.: „...allerdings wird der B***** S**** jemanden brauchen, mit dem er sich bespricht und austauscht, falls da niemand bei der StA Wien verfügbar ist, böte sich mE H***** dafür an“

Mag. P*****: „Eh, F***** L***** meint, dass diesmal das BVT Quelle des Leaks ist; egal, irgendwann muss effektiv ermittelt werden; H***** ist gut geeignet;“

Mag. F*****, LL.M.: „Die Theorie vom F***** überzeugt mich nicht restlos, weil ich da keinen Benefit für das BVT sehe“

Mag. P*****: „Wichtig ist nur, dass endlich effektive Ermittlungsmaßnahmen gesetzt werden; aber hier wäre das BAK zuständig... StA Wien + BK sollen da aktiv werden.. Und jetzt, ab in den Urlaub; hG“

Mag. F*****, LL.M.: „Ja so machen wir das und jetzt Urlaub HG“

Mag. P*****: „T***** (gemeint wohl EStA Mag. T***** V*****, LL.M., stellvertretender Mediensprecher der StA Wien) hat leider einen der Hauptverdächtigen vorgewarnt..…“

2. Konversation zwischen Mag. F*****, LL.M. und Mag. H*****:

Mag. F*****, LL.M.: „Lieber A*****, siehst Du eine Möglichkeit dafür, dass sich bei euch jemand systematisch analytisch begleitend zu den Ermittlungen mit den ständigen Indiskretionen befasst und vom jeweiligen Ersterscheinungszeitpunkt in einem Medium unsere Bezug habenden Prozesse und informierte Gelegenheitspersonen zurückverfolgt und allfällige Häufungen und Auffälligkeiten aufbereitet? LG und ein schönes WE H*****“

Mag. F*****, LL.M.: „...ein zusätzlicher Versuch über die SOKO…“

Mag. H*****: „Hallo H*****, das wäre natürlich möglich. Wenn wir aber in Richtung 310 gehen wäre das BAK zuständig, der dortige Direktor pocht immer vehement auf das BAK Gesetz... vor allem könnten wir (Soko) theoretisch ja in dieser Causa auch zum potenziellen Täterkreis gehören. Ich müsste das mit F***** besprechen. Aber vorerst begleitend kann ich das natürlich machen lassen. LG und dir ebenfalls einen schönen Urlaubsbeginn! A*****“

Mag. F*****, LL.M.: „Lieber A*****, ich sehe das aktuell eher als Maßnahme des begleitenden Risikomanagements und weniger als Ermittlungen; auch das dann allenfalls ermittelnde BAK könnte eine gute Dokumentation sicherlich schätzen. LG H*****“

Mag. H*****: „Ok, das werde ich veranlassen! LG A*****“

3. Konversation zwischen Mag. F*****, LL.M. und Mag. P*****:

Mag. F*****, LL.M.: „...zu Deiner Info meine Kommunikation mit A***** H*****“ (vorstehende Konversation zwischen Mag. F*****, LL.M. und Mag. H***** wurde von Mag. F*****, LL.M. an Mag. P***** zur Kenntnisnahme weitergeleitet!)

Mag. P*****: „Danke, alles klar; offensichtlich ist das BAK hier ohnedies bereits am Werken ....gibt es zwischen S***** und den Leuten von der WKStA mehr als kollegiale Verbindungen? Vielleicht sollte man doch den Weg über die GP gehen ....hG“

Mag. F*****, LL.M.: „Du meinst 310Linz? Was hältst Du davon, das Risikomanagement der Soko einmal werken zu lassen und sich daraus ergebende konkrete Anfangsverdachtslagen dann in diesem Sinne zu prüfen? § 28 StPO mit einer konkreten Anfangsverdachtslage macht sicher Sinn; ich will nur nicht schon wieder einen § 35c riskieren. Außerdem wäre es mE besser, wenn R***** nur mehr gebündelt via M*****/H***** mit der StA Wien kommuniziert; sonst entgleitet uns die Kontrolle über die Angelegenheit HG H*****“

Mag. P*****: Ja, ich wollte mich einmal aus dem Spiel nehmen, und T***** ist halt stv Leiter, wobei mein Hinweis auf Kontakt mit BK nicht beachtet wurde ...ja, einmal schauen, ob Verdachtslage konkretisiert werden kann ....hG“

Die zitierten Nachrichten legen nahe, dass Mag. P***** und Mag. F*****, LL.M. im Spätsommer 2019 Mitarbeiter:innen der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (in Folge: WKStA), insbesondere Oberstaatsanwalt Mag. G***** A***** verdächtigten, Informationen über mögliche Befangenheiten einzelner Mitglieder der „SOKO Tape“ an Journalisten weitergegeben und dadurch das Amtsgeheimnis verletzt zu haben. Aufgrund ihres Verdachts stellten Mag. P***** und Mag. F*****, LL.M. Überlegungen an, wie das „Leak“ innerhalb der WKStA festgestellt werden könnte. Sie ersannen die Idee, dass die Staatsanwaltschaft Wien, konkret Staatsanwalt Dr. B***** S***** in Zusammenarbeit mit der „SOKO Tape“, parallel zu dem bereits bestehenden Ermittlungsverfahren gegen die Ersteller des sogenannten „Ibiza-Videos“, Ermittlungen gegen unbekannte Täter wegen § 310StGB einleiten solle. Dieses Vorgehen wurde offenbar auch mit den Ersten Oberstaatsanwälten der Oberstaatsanwaltschaft Wien, HR Dr. M***** K***** und Dr. H***** S*****, besprochen. Demgegenüber sollte Staatsanwalt Mag. R***** K*****, damaliger Fachreferent für Strafrecht im Kabinett des Bundesministers für Justiz, explizit nicht in die Pläne eingeweiht werden, zumal ihm eine Nähe zu Oberstaatsanwalt Mag. A***** attestiert wurde. Darüber hinaus kontaktierte Mag. P***** den damaligen Direktor des Bundeskriminalamts, General F***** L*****, um mit ihm die geplante Vorgehensweise abzustimmen. Dass dieser nicht die WKStA, sondern vielmehr das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (in Folge: BVT) als Quelle des „Leaks“ ausmachte, konnte Mag. P***** und Mag. F*****, LL.M. ebenso wenig von ihrem Vorhaben abbringen, Erhebungen durch die „SOKO Tape“ durchführen zu lassen, wie der Umstand, dass für Ermittlungen wegen §310StGB eine Eigenzuständigkeit des Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (in Folge: BAK) besteht. In Umsetzung ihres Vorhabens kontaktierte Mag. F*****, LL.M. den damaligen Leiter der „SOKO Tape“, General Mag. A***** H*****, und ersuchte ihn, sich „systematisch analytisch begleitend zu den Ermittlungen mit den ständigen Indiskretionen“ zu befassen. Als Mag. H***** daraufhin die Zuständigkeit des BAK für Ermittlungen wegen § 310 StGB betonte, konkretisierte Mag. F*****,LL.M. das Vorhaben eher als Maßnahme des begleitenden Risikomanagements und weniger als Ermittlungen“. Daraufhin sicherte Mag. H***** zu, entsprechende Erhebungen zu veranlassen. Abschließend sinnierten Mag. P***** und Mag. F*****, LL.M. darüber, ob ein etwaiges Ermittlungsverfahren gemäß §28StPO an die Staatsanwaltschaft Linz delegiert werden sollte, zumal freundschaftliche Beziehungen zwischen Dr.B***** S***** und Mitarbeiter:innen der WKStA bestehen könnten.

Tatsächlich wurden von der „SOKO Tape“ keine Ermittlungen wegen §310StGB geführt. So wurde D***** C***** am 11.5.2022 als Auskunftsperson im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss befragt. Das wörtliche Protokoll über seine Befragung ist seit Ende Juni 2022 veröffentlicht. D***** C***** hat als Auskunftsperson unter Wahrheitspflicht auf die Fragen der Abgeordneten bestätigt, dass es durch die „SOKO Tape“ zu keinem Zeitpunkt Ermittlungen gegen Staatsanwälte oder Staatsanwältinnen der WKStA oder sonstige Staatsanwälte gegeben habe. Im Verfahren wurden mehrfach Akteninhalte an Medien weitergegeben, weshalb der Auftrag an die „SOKO Tape“ ergangen sei nach Veröffentlichung von Aktenteilen allfällige Häufungen und Auffälligkeiten aufzubereiten. Ermittlungen gegen Staatsanwälte wurden in seiner Gegenwart weder angedacht noch eingeleitet. Zudem erklärte D***** C***** in einem medial zitierten Schreiben an die WKStA, dass Ermittlungen nicht einmal in „Erwägung gezogen“ wurden, sondern (wohl im Rahmen des von Mag. F*****, LL.M. angeregten „Risikomanagements“) lediglich die Erscheinungsdaten von veröffentlichten Akteninhalten – gemeinsam mit Oberstaatsanwälten der WKStA – den Zeitpunkten von durchgeführten Akteneinsichten oder Lieferungen an den Untersuchungsausschuss gegenübergestellt wurden, um die undichte Stelle einzugrenzen.

Schließlich wurde General Mag. A***** H***** mit der Note vom 20.9.2022 um Beantwortung mehrerer Fragen ersucht. In seiner Stellungnahme vom 10.10.2022, bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck eingelangt am 13.10.2022, bestätigt General Mag. A***** H*****, dass „zu keiner Zeit Ermittlungen (oder Erhebungen) gegen Mitarbeiter:innen der WKStA durchgeführt oder intendiert waren“. Im konkreten Fall seien lediglich Pressescreenings erfolgt, welche per se keine Ermittlungshandlungen darstellen. Es wurden auch keine Erhebungen oder Ermittlungen beauftragt.



    2. Rechtliche Beurteilung

Aufgrund der zitierten Chatnachrichten ist davon auszugehen, dass Mag.P***** und Mag. F*****, LL.M. im Jahr 2019 tatsächlich den Verdacht hatten, einzelne Mitarbeiter:innen der WKStA würden Informationen aus Ermittlungsverfahren an Journalisten offenbaren.

Insofern erscheinen ihre Bestrebungen, das „Leak“ ausfindig zu machen, nicht abwegig, zumal sie damals die Dienst- und Fachaufsicht über die WKStA führten. Allerdings lässt der Umstand, dass dieser Verdacht (soweit überblickbar) unsubstantiiert war und sich die geplanten Maßnahmen - trotz des Hinweises, dass im konkreten Fall das BVT Quelle des „Leaks“ sei - eindeutig „gegen die WKStA“ hätten richten sollen, auf eine problematische Befangenheit von Mag. P***** und Mag. F*****, LL.M. hinsichtlich einzelner Mitarbeiter:innen der WKStA schließen.

Dass die Genannten von einer – insbesondere für Organe der Fach- und Dienstaufsicht – bedenklichen Voreingenommenheit gegenüber der ihnen unterstellten Behörde getrieben waren, macht ihr Handeln jedoch noch nicht per se strafrechtlich relevant. Vielmehr ist der Anstoß von Ermittlungen aufgrund vermuteter strafbarer Handlungen nicht nur im Rahmen der Aufsichtstätigkeit, sondern auch aufgrund der Anzeigepflicht (§ 78 Abs 1 StPO) geboten.

In diesem Zusammenhang kann auch die Frage, ob Ermittlungen wegen des Verdachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses durch die dafür unzuständige „SOKO Tape“ (vgl § 4 Abs 1 Z 8a BAK-G), den Tatbestand des § 302 StGB erfüllen können, dahingestellt bleiben.

So legen die Chatnachrichten zwar nahe, dass von Mag. P***** und Mag. F*****,LL.M. Ermittlungen durch die „SOKO Tape“ zunächst erwogen wurden („meine Idee ist, dass StA Wien - S***** – mit SOKO das Leak ermittelt“; „...das halte ich für eine gute Lösung…“); gleichzeitig verwies Mag.P***** aber (nach einem zwischenzeitlichen Gespräch mit dem Generaldirektor des Bundeskriminalamts) sehr wohl auf die Zuständigkeit des BAK („Wichtig ist nur, dass endlich effektive Ermittlungsmaßnahmen gesetzt werden; aber hier wäre das BAK zuständig... StA Wien + BK sollen da aktiv werden..“).

In diesem Kontext ist die Anfrage von Mag. F*****, LL.M. an Mag. H***** („siehst Du eine Möglichkeit dafür, dass sich bei euch jemand systematisch analytisch begleitend zu den Ermittlungen mit den ständigen Indiskretionen befasst…“) im Zweifel nicht als Versuch zu werten, diesen trotz mangelnder Zuständigkeit der „SOKO Tape“ zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu bestimmen, zumal Mag. F*****, LL.M. auf Rückfrage klarstellte: „ich sehe das aktuell eher als Maßnahme des begleitenden Risikomanagements und weniger als Ermittlungen“. Weiters ist eine Anstiftung zum wissentlichen Befugnismissbrauch seitens Mag. F***** LL.M. auch aufgrund der Tatsache, dass allfällige Erhebungsergebnisse anschließend in einem Strafverfahren Verwendung finden sollten („Was hältst Du davon, das Risikomanagement der Soko einmal werken zu lassen und sich daraus ergebende konkrete Anfangsverdachtslagen dann in diesem Sinne zu prüfen?“), klar kontraindiziert. Dies gilt umso mehr, als laut dem - auszugsweise in den Medien zitierten - Schreiben des nunmehrigen SOKO-Leiters, keine Ermittlungen seitens der „SOKO Tape“ geführt wurden. Dass keine Ermittlungen (oder Erhebungen) gegen Mitarbeiter:innen der WKStA durchgeführt oder intendiert waren, wird zudem vom früheren Leiter der „SOKO Tape“, General Mag. A***** H***** in seiner Stellungnahme ON 12, wie auch von D***** C***** als Auskunftsperson unter Wahrheitspflicht im Untersuchungsausschuss bestätigt.

Das Ermittlungsverfahren gegen Mag. F*****, LL.M., Mag. P***** und General Mag. H***** war mangels Schuldnachweises gemäß § 190 Z 2 StPO einzustellen.

Ausdruck vom: 08.05.2024 17:53:05 MESZ