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Aktenzeichen:

Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) (020), 6 St 12/20d

Veröffentlicht durch:

OStA Wien (038), 14 OStA 371/20f

Bekannt gemacht am:

18.07.2022


Entscheidungsdatum:

11.07.2022

Einstellungsgrund

§ 35c StAG


 

1. Verdachtslage

Inhaltlich einer anonymen Anzeige vom 2. Dezember 2020 an die Staatsanwaltschaft Wien, welche diese mit Verfügung vom 9. Dezember 2020 an die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption gemäß 25a iVm § 20a Abs 1 Z 1 StPO abtrat, wurden unbekannte Mitarbeiter der „B***“ (im Folgenden: B***) verdächtigt, im Zuge des Beschaffungsvorgangs von 10 Millionen Antigentests zum Stückpreis von 7 Euro gegen Vorschriften betreffend die Vergabe derartiger Beschaffungsverträge und dadurch gegen das Prinzip der Sparsamkeit der Verwaltung verstoßen zu haben, wodurch der Republik Österreich ein Schaden von 30 Millionen Euro entstanden wäre und die Tatbestände der Untreue, der Vorteilsannahme, des Missbrauchs der Amtsgewalt sowie andere Delikte verwirklicht worden wären.


Weiters langte ha am 16. Dezember 2020 eine Sachverhaltsdarstellung Dris. A*** B*** und N*** L*** vom 15. Dezember 2020 ein, wonach der (damalige) Bundeskanzler S*** K***, der (damalige) Bundesminister für Finanzen Mag. G*** B***, MBA, und die Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. K*** T*** im Verdacht stünden, im selben Zusammenhang die strafbaren Handlungen der Untreue sowie des Missbrauchs der Amtsgewalt begangen zu haben.


Konkret wären diese verdächtig, durch wissentlichen Befugnismissbrauch der Republik Österreich einen Schaden von zumindest 11,78 Millionen Euro verursacht zu haben, indem S*** K*** als Bundeskanzler die Bundesministerin für Landesverteidigung, Mag. K*** T***, mit der Beschaffung der Sars-Covid 2-Virus- Antigentests beauftragt haben soll, die ihrerseits die B***, welche dem Bundesminister für Finanzen, Mag. G*** B***, MBA, untersteht, mit dem Vorgang betraute, wobei unbekannte Verantwortliche der B*** die Rahmenvereinbarungen ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens abgeschlossen hätten und auf deren Basis von der S*** H*** 5 Millionen Tests zum Stückpreis von 6,24 Euro sowie von R*** 4 Millionen Tests zum Stückpreis von 7,80 Euro bezogen hätten, obwohl die I***, welche lediglich einen Auftrag über die Lieferung von 1 Million Tests zum Stückpreis von Euro 4,86 erhielt und Billigstbieter war, wesentlich größere Lieferkapazitäten gehabt hätte, und auch bei anderen Anbietern Lieferkapazitäten zu günstigeren Preisen bestanden hätten.


In einer Eingabe über das Anonyme Hinweisgebersystem wurde weiters vorgebracht, Hauptnutznießer dieses ohne Ausschreibung erfolgten Beschaffungsprozesses zu überhöhten Einkaufspreisen sei der Schweizer Pharmakonzern R***, mit dessen Geschäftsführer der (damalige) Bundeskanzler S*** K*** am 19. September 2020 in Basel zusammengetroffen sei. Bereits drei Tage später habe die ÖVP-Gesundheitssprecherin G*** S*** die baldige Verfügbarkeit von Antigen-Schnelltests verkündet und dieses Unternehmen namentlich erwähnt. Daher bestünde der Verdacht der Beeinflussung des Beschaffungsprozesses durch das Bundeskanzleramt zugunsten eines Unternehmens.


2. Erkundigungen im Rahmen der Anfangsverdachtsprüfung


Zur Prüfung des behaupteten Anfangsverdachts wurden Erkundigungen, insbesondere durch OSINT-Recherchen (Informationssammlung aus öffentlich zugänglichen Quellen) durchgeführt. Dadurch konnten die Ergebnisse des Vergabeverfahrens mit dem Zuschlag an T*** mit einem Vergabewert von 3 Millionen Euro, des Vergabeverfahrens mit dem Zuschlag an die A*** mit einem Vergabewert von 3 Millionen Euro sowie des Vergabevertrags mit dem Zuschlag an R*** mit einem Vergabewert von 3 Millionen Euro, die Rahmenvereinbarung über die verpflichtende Lieferung von qualitativen immunologischen Antigen-Schnelltests inklusive Zubehör von SARS-CoV-2 (Covid-19) im geschätzten Wert von Euro 180 Millionen, die Kundeninformationen zu dieser Rahmenvereinbarung, aber auch die öffentlich zugänglichen Dokumente betreffend die parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Dr. N*** S***, MA, Mag. Gerald L***, Kolleginnen und Kollegen zu 4398/J vom 2. Dezember 2020 samt deren Beantwortung durch den Bundesminister für Finanzen Mag. G*** B***, MBA, vom 2. Februar 2021, sowie die gleichlautende parlamentarische Anfrage zu 4391/J samt Beantwortung durch die Bundesministerin für Landesverteidigung vom 1. Februar 2021, die parlamentarische Anfrage des Abgeordneten K*** J*** K***, Genossinnen und Genossen vom 26. November 2020 samt deren Beantwortung durch den Bundesminister für Finanzen, Mag. G*** B***, MBA vom 26. Jänner 2021, der Vortrag an den Ministerrat Nr. 39/11 vom 24. November 2020 des (damaligen) Bundeskanzlers S*** K***, der Bundesministerin für Landesverteidigung Mag. K*** T*** sowie des (damaligen) Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz R*** A***, das Verlangen gemäß § 32e Abs 2 GOG-NR betreffend einen Prüfauftrag an den Ständigen Unterausschuss des Rechnungshofausschusses vom 11. Dezember 2020 der Abgeordneten Mag. K*** G***, D*** H***, Kolleginnen und Kollegen, mediale Berichterstattung zur Beendigung dieses Unterausschusses vom 10. Juni 2021 sowie der Bericht des Rechnungshofausschusses vom 5. Juli 2021 und der Minderheitsbericht dazu zwecks Prüfung des Vorliegens eines ausreichend konkreten Anfangsverdachts beigeschafft werden. Darüber hinaus wurden Abfragen über die epidemiologische Kurve in Österreich vom Dashboard der A*** für den beschaffungsrelevanten Zeitraum durchgeführt.


3. Aufgrund der Ergebnisse der Erkundigungen wird von folgendem Sachverhalt ausgegangen:


Anfang September 2020 lagen die bestätigten SARS-CoV2 Infektionen bei ungefähr vierhundert Fällen pro Tag. Ende September 2020 stiegen die bestätigten Infektionen auf ungefähr 700 pro Tag und bewegten sich Anfang bis Mitte Oktober 2020 bei ungefähr bei 1.000 pro Tag. Ab Mitte Oktober 2020 beschleunigte sich das Pandemiegeschehen rasant. Ende Oktober 2020 mussten bereits 4.500 – 5.700 Fälle pro Tag verzeichnet werden. Der Höhepunkt dieser Welle wurde dann Anfang /Mitte November mit über 9.000 bestätigten Fällen an einem Tag erreicht. Ende November betrugen die positiven Testungen durchschnittlich 3.750 pro Tag. Mitte Dezember stabilisierte sich das Geschehen und es wurden ungefähr 2.500 Fälle pro Tag verzeichnet. Ende Dezember 2020 bis Mitte Jänner 2021 betrugen dann die Neuinfektionen ungefähr 1.500 bis 2.000 pro Tag, Ende Jänner 2021 schließlich 1.400 (ON 31 AS 2 ff).


Die Republik Österreich schloss ‑ unter anderem ‑ mit nachstehenden Unternehmen Rahmenvereinbarungen über die Lieferung von Antigentests ab:

a) am 22. Oktober 2020 mit der R*** D*** mit einem Gesamtwert der Beschaffung iHv 3.000.000 Euro;

b) am 13. November 2020 mit der I*** mit einem Gesamtwert der Beschaffung iHv 3.000.000 Euro;

c) am 18. November 2020 mit der S*** H*** D*** GmbH mit einem Gesamtwert der Beschaffung iHv von 3.000.000 Euro.


Die Rahmenvereinbarung lautete für alle drei Unternehmen (unter Anführung des jeweiligen Unternehmens) gleich. Zur Verfahrensart wurde ausgeführt, dass es sich um eine Auftragsvergabe ohne vorherige Bekanntmachung eines Aufrufs zum Wettbewerb im Amtsblatt der Europäischen Union (für die unten aufgeführten Fälle) handle und dringende Gründe im Zusammenhang mit für den öffentlichen Auftraggeber unvorhersehbaren Ereignissen im Sinne der Richtlinie vorlägen.


Dazu lassen sich folgende Erläuterungen in der Rahmenvereinbarung finden:

...Gemäß § 36 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 können Lieferaufträge im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden, wenn äußerst dringliche, zwingende Gründe, die nicht dem Verhalten des öffentlichen Auftraggebers zuzuschreiben sind, im Zusammenhang mit Ereignissen, die der öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, es nicht zulassen, die im offenen Verfahren, im nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung oder in einem gemäß § 34 durchzuführenden Verhandlungsverfahren vorgeschriebenen Fristen einzuhalten.

Typischerweise ist ein Verhandlungsverfahren mit mindestens 3 Teilnehmern abzuführen. Das Justizressort hat in einem aktuellen Rundschreiben ausgeführt, dass aufgrund der Anforderungen eine direkte Vergabe des Auftrags an einen vorab ausgewählten Wirtschaftsteilnehmer dann möglich ist, wenn nur ein Wirtschaftsteilnehmer in der Lage sein wird, den Auftrag unter den durch die zwingende Dringlichkeit auferlegten technischen und zeitlichen Zwängen zu erfüllen. Entsprechend den Leitlinien der Europäischen Kommission zur Nutzung des Rahmens für die Vergabe öffentlicher Aufträge in der durch die COVID-19-Krise verursachten Notsituation (2020/C 108 1/01) vom 1.4.2020 ist die COVID-19-Pandemie eine Gesundheitskrise, die schnelle und intelligente Lösungen und Flexibilität erfordert, wenn es darum geht, eine explodierende Nachfrage nach ähnlichen Waren und Dienstleistungen zu bewältigen, während bestimmte Lieferketten unterbrochen sind. Insbesondere müssen persönliche Schutzausrüstungen wie Gesichtsmasken und Schutzhandschuhe, Medizinprodukte und andere medizinische Ausrüstung, aber auch Krankenhaus- und IT-Infrastrukturen zur Verfügung stehen. Diese Leitlinie ist auf Auftragsvergaben in Fällen äußerster Dringlichkeit ausgerichtet die es bei Bedarf ermöglicht, innerhalb von Tagen oder sogar Stunden Käufe zu tätigen. Wenn für diese Beschaffungen Fristverkürzungen nicht ausreichen, kann ein Verhandlungsverfahren ohne Veröffentlichung in Betracht gezogen werden. Sogar eine Direktvergabe an einen vorab ausgewählten Wirtschaftsteilnehmer kann zulässig sein, sofern dieser als einziger in der Lage ist, die erforderlichen Lieferungen innerhalb der durch die äußerste Dringlichkeit bedingten technischen und zeitlichen Zwänge durchzuführen. In der derzeitigen COVID-19-Krise, die mit einer extremen und unvorhersehbaren Dringlichkeit einhergeht, enthalten die EU-Richtlinien keine verfahrenstechnischen Beschränkungen. Im Rahmen eines Verfahrens nach Artikel 32 (Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Veröffentlichung) der Richtlinie 2014/24/ELI können öffentliche Auftraggeber direkt mit potenziellen Auftragnehmern verhandeln, und es bestehen keine Anforderungen hinsichtlich der Veröffentlichung, der Fristen oder der Mindestanzahl der zu konsultierenden Bewerber oder sonstige verfahrenstechnische Anforderungen. Auf EU-Ebene sind keine Verfahrensschritte geregelt. In der Praxis bedeutet dies, dass die Behörden so schnell handeln können, wie es technisch/physisch möglich ist, und dass das Verfahren de facto eine Direktvergabe darstellt, die lediglich den physischen/technischen Zwängen im Zusammenhang mit der tatsächlichen Verfügbarkeit und Schnelligkeit der Lieferung unterworfen ist. Verhandlungsverfahren ohne Veröffentlichung können eine Möglichkeit darstellen, unmittelbaren Bedarf angemessen zu decken, die in einem Kausalzusammenhang mit der COVID-19-Pandemie stehen. Da die SARS-CoV-2 Antigen Schnelltests bislang noch nicht verfügbar waren, diese dringend von öffentlichen Auftraggebern benötigt werden, ist eine unmittelbare Versorgung sicherzustellen.


Da derzeit die Lieferung von SARS-CoV-2 Antigen Schnelltests in einem Teil des benötigten Ausmaßes und der erforderlichen Qualität nur von der Fa. R*** D*** GmbH (bzw. Fa. I*** bzw. Fa. S*** H*** D*** GmbH) erfolgen kann, ist aus zwingenden Gründen, die dem Auftraggeber nicht zuzuschreiben sind, ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergaberechtlich zulässig...“


Am 15. November 2020 kündigte Bundeskanzler K*** in der ORF-Pressestunde Tests bei Lehrern vor Schulöffnung sowie Massentests der Bevölkerung vor Weihnachten an. In einem gemeinsamen Vortrag an den Ministerrat vom 24. November 2020 (Nr 39/11) führten der Bundeskanzler, der Bundesminister für Gesundheit sowie die Bundesministerin für Verteidigung zusammengefasst (unter anderem) aus, dass unterstützend zu den geplanten Lockerungsschritten ab dem 7. Dezember 2020 breit angelegte Testungen für die Bevölkerung geplant seien, um das Infektionsgeschehen weiterhin unter Kontrolle zu halten. Die Testung exponierter Berufsgruppen sowie im Risikobereich des Gesundheitswesens und im Rahmen der freiwilligen Teilnahme der Gesamtbevölkerung würden als Instrument zur Pandemiebekämpfung angesehen. Zu diesem Zweck sollten neu entwickelte Antigentests angeschafft werden, die wesentlich kosteneffizienter seien als laborbasierte Methoden und schneller Ergebnisse liefern würden. Ziel war es, infektiöse Personen, die aufgrund eines asymptomatischen Verlaufs nichts von ihrer Infektion wussten, zu entdecken und so das Infektionsgeschehen nachhaltig einzudämmen.

Der präsentierte Zeitplan sah einen Pilotdurchgang für Pädagoginnen und soziale Dienste am 5./6. Dezember, für die Polizei am 8./9./10. Dezember 2020 sowie im weiteren Verlauf eine flächendeckende Testung einzelner Gemeinden in der ersten Dezemberwoche vor. Darauf aufbauend sollten in mehreren Wellen breite Massentests folgen, beginnend noch vor Weihnachten. Dabei sollten die Antigen-Schnelltests der Firmen R*** und S*** zur Anwendung kommen. Diese würden „… derzeit von der Wissenschaft (zB. M***) sowie der A*** als die verlässlichsten auf dem Markt verfügbaren Tests bewertet“. Bei R*** seien über die B*** vier Millionen Tests bestellt worden, bei S*** 3 Millionen, weitere Bestellungen befänden sich in Vorbereitung.


Gemäß § 2 Abs 1 lit c Wehrgesetz (WG) 2001 sollte das Bundesheer einen Assistenzeinsatz leisten und die organisatorische und logistische Abwicklung der Massentests zentral steuern, weil es bereits aufgrund der Abwicklung der Massentests in der Slowakei über das operative Know-How im Umgang mit überregionalen Sondereinsätzen verfüge.


Auf Grundlage dieses Ministerratsvortrags (Nr 39/11) des Bundeskanzlers, der Bundesministerin für Landesverteidigung und des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz vom 24. November 2020 beschloss die Bundesregierung am 25. November 2020 die Durchführung breit angelegter Testungen der österreichischen Bevölkerung, welche auch Anfang Dezember 2020 und im Jänner 2021 durchgeführt wurden. Das Bundesministerium für Landesverteidigung rief über die B*** die oben im Vortrag an den Ministerrat erwähnten Mengen ab (zu den 4 Millionen Test von R*** ON 4 S 41).


Die Beschaffung erfolgte zu einem Stückpreis von 4,86 Euro bei F***, 6,24 Euro bei S*** und 7,80 Euro bei R*** (inkl. Umsatzsteuer).


Die Angezeigte Mag. K*** T*** gab dem Bericht des Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses zufolge vor diesem an: „… Zur Anwendung kommen oder kamen Antigentests der Firma R*** und S***, weil beide dieser Tests von der Wissenschaft, zum Beispiel von der M*** wie auch der A*** als die verlässlichsten auf dem Markt verfügbaren Tests bewertet worden sind. Die Beschaffung selber ist über die B*** erfolgt, die vier Millionen Tests bei R*** und bei S*** dann drei Millionen Tests bestellt hat. Das heißt, zum Start der Testreihen, die angesprochen worden sind, sind sieben Millionen Tests zur Verfügung gestanden“….. „...Die Entscheidungsgrundlage, welche Tests es auch werden, ist der gemeinsame Ministerratsbeschluss gewesen - mit dem Bundeskanzler und mit dem Gesundheitsminister.“


Der Angezeigte Mag. G*** B***, MBA, betonte gegenüber dem Ständigen Unterausschuss: „ [...] Also das ist keine Bestellung, keine Beschaffung des Finanzministeriums, nur um darauf hinzuweisen. Wir haben natürlich bei Wertgrenzen über 1 Million Euro laut BHG die Notwendigkeit der Einvernehmensherstellung.“


Auch der (damalige) Bundeskanzler S*** K*** sagte im Zuge des Unterausschusses des Rechnungshofausschusses aus (ON 27 S 7), dass in der Regel das A*** oder die A*** oder das B*** die Informationen zur Verfügung stellen, welches Produkt geeignet wäre. Weiters führte er sinngemäß aus, dass es in einer Pandemiezeit schnell gehen müsse. Man könne nicht in solch einem Fall die langwierigen Prozesse der B*** abwarten.


Die Europäische Kommission (EK) hält in ihrer Mitteilung „Leitlinien der Europäischen Kommission zur Nutzung des Rahmens für die Vergabe öffentlicher Aufträge in der durch die COVID-19-Krise verursachten Notsituation“ (2020/C 108 I/01, veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union am 1. April 2020) fest, dass in Fällen von Dringlichkeit die allgemeinen Fristen für die Einreichung von Angeboten erheblich verkürzt werden können, bei offenen Verfahren von 35 auf 15 Tage, bei nichtoffenen Verfahren von 30 auf 15 bzw von 30 auf 10 Tage. Die öffentlichen Auftraggeber können Aufträge im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens aber auch ohne Veröffentlichung vergeben, soweit dies unbedingt erforderlich ist, „wenn dringliche, zwingende Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen, die die betreffenden öffentlichen Auftraggeber nicht voraussehen konnten, es nicht zulassen, die Fristen einzuhalten, die für die offenen, die nichtoffenen Verfahren oder für die Vergabeverfahren mit Verhandlung vorgeschrieben sind. Die angeführten Umstände zur Begründung der zwingenden Dringlichkeit dürfen auf keinen Fall dem öffentlichen Auftraggeber zuzuschreiben sein“ (Art 32 Abs 2 Buchstabe c der Richtlinie).


Die Ereignisse im Zusammenhang mit der Covid-19-Krise, insbesondere ihre spezifische Entwicklung sind nach Ansicht der Europäischen Kommission für jeden öffentlichen Auftraggeber als unvorhersehbar anzusehen. Der spezifische Bedarf von Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen zur Durchführung von Behandlungen sowie an persönlichen Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräten, zusätzlichen Betten und ferner an zusätzlicher Intensivpflege- und Krankenhausinfrastruktur, einschließlich der gesamten technischen Ausrüstung, könnte sicherlich nicht im Voraus vorhergesehen und geplant werden und stellt somit ein nicht voraussehbares Ereignis für die öffentlichen Auftraggeber dar.


4. Rechtliche Beurteilung:

4.1. Materiengesetze

Gemäß Art 69 Abs 1 B-VG sind die Bundesminister mit den obersten Verwaltungsgeschäften des Bundes betraut und gemäß Art 77 Abs 1 B-VG die Bundesministerien [unter Leitung der Bundesminister] zur Besorgung der Geschäfte der Bundesverwaltung berufen, gemäß Abs 3 leg cit ist mit der Leitung des Bundeskanzleramtes der Bundeskanzler betraut. Das gilt zufolge Art 17 iVm Art 104 B-VG sowie § 2 Abs 3 BMG auch für Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung. Nach der Anlage zu § 2 Teil 1 Z 7 BMG sind die Bundesministerien auch für Angelegenheiten des Beschaffungswesens für den Ressortbereich verantwortlich.

Die einzelnen BM sind einander rechtlich gleichgeordnet „… Es besteht daher keine Richtlinienkompetenz der Bundesregierung gegenüber den einzelnen Bundesministern, ebenso wenig wie eine Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers im Verhältnis zu den einzelnen Ministern. (GesRZ 2018, 320, Kalls, Der Bundes Public Corporate Governance Kodex mit Verweis in FN 65 auf Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts11 (2015) Rz 662; Mayer/Muzak, B-VG5 (2015) Art 69 Pkt IFN 65)“ (Grabenwarter/Frank, B-VG Art 69, Rz 3 und 4).

Gemäß § 2 Abs 1 BMG fallen in den Wirkungsbereich der Bundesministerien die Geschäfte, die im § 3 und im Teil 1 der Anlage leg cit bezeichnet sind oder durch bundesverfassungsgesetzliche Vorschriften, allgemeine Entschließungen des Bundespräsidenten, durch besondere bundesgesetzliche Vorschriften oder durch Verordnungen auf Grund des § 15 einzelnen Bundesministerien zur Besorgung zugewiesen sind, und die Sachgebiete, die gemäß dem Teil 2 der Anlage einzelnen Bundesministerien zur Besorgung zugewiesen sind (siehe sogleich).

Die Bundesministerien haben gemäß den Weisungen (Art 20 Abs 1 B-VG) und unter der Verantwortung (Art 74, 76 und 142 B-VG) des mit ihrer Leitung (Art 77 Abs. 3 B-VG) betrauten Bundesministers im Rahmen ihres Wirkungsbereiches auf Grund der Gesetze die ihnen durch bundesverfassungsgesetzliche Vorschriften, allgemeine Entschließungen des Bundespräsidenten, durch dieses Bundesgesetz oder andere bundesgesetzliche Vorschriften oder durch Verordnungen auf Grund des § 15 übertragenen Geschäfte der obersten Bundesverwaltung in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise zu besorgen.

Gemäß der Anlage zu § 2, Teil 1, Z 7 BMG fallen in den Wirkungsbereich der Bundesministerien – unter anderem – die Angelegenheiten des Beschaffungswesens für den Ressortbereich, soweit sich aus dem Teil 2 leg cit nicht anderes ergibt, sowie Maßnahmen, die auf Sachgebieten, die nach dem Teil 2 dem Bundesministerium zur Besorgung zugewiesen sind, zur Sicherung einer umfassenden Landesverteidigung oder aus Anlass einer internationalen Krise, eines Krieges oder im Gefolge eines solchen zur Sicherung der einheitlichen Führung der Wirtschaft notwendig erscheinen.

In den Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes (Punkt A) fallen gemäß Teil 2 der Anlagen Angelegenheiten der allgemeinen Regierungspolitik einschließlich der Koordination der gesamten Verwaltung des Bundes, soweit sie nicht in den Wirkungsbereich eines anderen Bundesministeriums fällt, insbesondere auch die anlassbezogene Koordination innerstaatlicher Maßnahmen zur Bewältigung überregionaler oder internationaler Krisen oder Katastrophen und die zusammenfassende Behandlung und Koordination in Angelegenheiten, die den Wirkungsbereich zweier oder mehrerer Bundesministerien berühren.

In den Geschäftsbereich des Bundesministerium für Landesverteidigung fallen gemäß Teil 2 K unter anderem militärische Angelegenheiten, wobei gemäß § 2 Abs 1 WG dem Bundesheer die Hilfeleistung bei Elementarereignissen und Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges obliegt.

In den Geschäftsbereich des Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz fallen gemäß Punkt M unter anderem Angelegenheiten des Gesundheitswesens, dazu gehören insbesondere auch die allgemeine Gesundheitspolitik, der Schutz vor Gefahren für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung einschließlich des überregionalen Gesundheitskrisenmanagements sowie die Strukturpolitik und -planung, Gesundheitssystementwicklung, die leistungsorientierte Finanzierung von Gesundheitsdienstleistungen, Informations- und Klassifikationssysteme im Gesundheitswesen, Gesundheitsberichterstattung, Qualität im Gesundheitswesen, Gesundheitsinformatik und Gesundheitstelematik und das Hygiene- und Impfwesen sowie die Überwachung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten.

Gemäß § 2 Abs 1 Bundesbeschaffung GmbH-Gesetz (BBG) ist Gegenstand dieser Gesellschaft die Wahrnehmung von Aufgaben auf dem Gebiet des Beschaffungswesens mit dem Ziel einer ökonomisch sinnvollen Volumens- und Bedarfsbündelung zur Optimierung der Einkaufsbedingungen des Bundes nach wirtschaftlichen und qualitativen Kriterien.

Abs 2 leg cit zufolge hat die Gesellschaft die in der Errichtungserklärung vorgesehenen und näher detaillierten Aufgaben. Dazu zählt insbesondere die Durchführung von Vergabeverfahren einschließlich des Abschlusses von Verträgen auch im Namen und auf Rechnung des Bundes.

Der Bundesminister für Finanzen hat gemäß § 3 Abs 2 BBG durch Verordnung jene Güter und Dienstleistungen zu bestimmen, die nach diesem Bundesgesetz zu beschaffen sind.

Er kann in Erfüllung seines Aufsichtsrechtes der Gesellschaft allgemeine Weisungen oder Weisungen im Einzelfall erteilen.

Verantwortliche Ressortleiter bzw Ressortleiterin waren für das Bundesministerium für Landesverteidigung Mag. K*** T***, für das Bundesministerium für Finanzen Mag. G*** B*** (der gemäß § 8 Abs 2 B*** in Erfüllung seines Aufsichtsrechts über die B*** dieser allgemeine Weisungen oder Weisungen im Einzelfall erteilen kann), und für das Bundeskanzleramt S*** K***.

Gemäß § 36 Abs 1 Z 4 BVergG können Lieferaufträge im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden, wenn äußerst dringliche, zwingende Gründe, die nicht dem Verhalten des öffentlichen Auftraggebers zuzuschreiben sind, im Zusammenhang mit Ereignissen, die der öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, es nicht zulassen, die im offenen Verfahren, im nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung oder in einem gemäß § 34 durchzuführenden Verhandlungsverfahren vorgeschriebenen Fristen einzuhalten.

Der öffentliche Auftraggeber kann unter hinreichender Begründung der Dringlichkeit die Angebotsfrist im offenen Verfahren mit mindestens 15 Tagen, im nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung und im Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung eine Teilnahmeantragsfrist mit mindestens 15 Tagen und im nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung und im Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung eine Angebotsfrist mit mindestens 10 Tagen festsetzen.



4.2. Strafrechtliche Beurteilung

Nach den dargestellten Materiengesetzen ist den Bundesministern durch Gesetz die Befugnis zur Beschaffung für ihr Ressort eingeräumt. Dabei sind Beschaffungsvorgänge idR als Akte der Privatwirtschaftsverwaltung zu qualifizieren und nicht nach § 302 StGB sondern nach § 153 StGB zu prüfen (Marek/Jerabek, Korruption und Amtsmissbrauch13 § 302 StGB Stand 1.11.2020, rdb.at RZ 26 Z 6).

Nach § 153 Abs 1 StGB verwirklicht derjenige den Tatbestand der Untreue, der die ihm durch Gesetz eingeräumte Befugnis, einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch dem anderen einen Vermögensnachteil zufügt. Gemäß Abs 2 leg cit missbraucht seine Befugnis, wer in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstößt, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen.

Maßstab für die Zulässigkeit der Befugnisausübung ist die Ausgestaltung des Innenverhältnisses. Insoweit ist, wie aus §§ 1009, 1013 ABGB hervorgeht, jeder Machthaber grundsätzlich verpflichtet, seinem Machtgeber den größtmöglichen Nutzen zu verschaffen (SSt 56/88).(Kirchbacher/Sadoghi in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 153 [Stand 1.3.2020, rdb.at] Rz 28). Gemäß § 2 Abs 2 BMG haben die Bundesministerien und Bundesminister die ihnen übertragenen Geschäfte in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise zu besorgen.

In Ausübung der ihnen aufgrund der jeweiligen Materiengesetze eingeräumten Befugnis beschlossen die Mitglieder der Bundesregierung am 25. November 2020 die Durchführung breit angelegter COVID Antigentestungen der österreichischen Bevölkerung mithilfe eines Assistenzeinsatzes des Bundesheers nach § 2 Abs 1 lit c WG für die logistische und organisatorische Abwicklung der Tests, welche bereits beginnend ab 5. Dezember 2020 stattfinden sollten.

Die im Rahmen der Anfangsverdachtsprüfung durchgeführten Erkundigungen konnten den angezeigten Verdacht aus folgenden Gründen nicht soweit intensivieren, dass die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens indiziert wäre:

Grundlage für den Abschluss der Rahmenvereinbarungen bildete eine Auftragsvergabe im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung eines Aufrufs zum Wettbewerb im Amtsblatt der Europäischen Union gemäß § 36 Abs 1 Z 4 BVergG. Diese Bestimmung ermöglicht Vergaben von Lieferverträgen im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung, wenn durch äußerst dringliche, zwingende und unvorhersehbare Gründe die Einhaltung anderer Verfahren nicht möglich ist.

Der rasante, starke Anstieg der Zahl der positiv getesteten Personen im Herbst 2020 war nach Einschätzung der Verantwortlichen geeignet, ein Vorgehen im Sinne dieser Bestimmung zu indizieren. Es kann aber dahingestellt bleiben, ob die fraglichen (ehemaligen) Mitglieder der Bundesregierung sich im November 2020 für das „richtige“ Vergabeverfahren entschieden (ob die vergaberechtlichen Vorschriften eingehalten wurden ist Gegenstand des Verfahrens zu W131 2237371-2/87Z, des Bundesverwaltungsgerichts), jedenfalls ist im Hinblick auf den Infektionsverlauf im Herbst 2020, der zwar grundsätzlich, nicht aber in dieser Höhe und dieser Geschwindigkeit vorhersehbar war, nicht davon auszugehen, dass sie ihre Entscheidung mit einem strafrechtlich relevanten Vorsatz, insbesondere unter wissentlichem Missbrauch ihrer Befugnisse, fällten. Ausschlaggebend für die Auswahl von Unternehmen im Vergabeverfahren kann in einer derartigen (Krisen-)Situation nicht allein der günstigste Preis sein („Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“). Es müssen auch andere Faktoren, wie die schnelle Verfügbarkeit einer ausreichenden Anzahl an Antigentests sowie deren Verlässlichkeit berücksichtigt werden („Zweckmäßigkeit“).

Auch wenn ‑ wie im Minderheitsbericht gemäß § 42 Abs 4 GOG zum Bericht des Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses gemäß § 32e Abs 4 GOG hinsichtlich der Beschaffungsvorgänge und Auftragsvergabe im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie seit März 2020 (1/URH2 XXVII. GTP) moniert - diese „Direktvergabe“ intransparent erscheint, zumal sich die Angezeigten betreffend die Qualität der Antigentests auf „Wissenschaft und A***“ beriefen, ohne konkrete Studien zu benennen, so indiziert diese Feststellung alleine noch keinen ausreichenden Tatverdacht im Sinne des § 153 StGB, welcher sich im strafrechtlichen Sinne nicht nur auf eine in Kauf genommene Schädigung der Machtgeberin (Republik Österreich), sondern auch auf den wissentlichen Missbrauch einer Befugnis beziehen müsste.

Greifbare Anhaltspunkte (im Sinne eines ausreichend konkreten Anfangsverdachts in Richtung § 153 StGB) dafür, dass die Angezeigten S*** K*** und Mag. K*** T*** wissentlich in ihrem Ministerratsvortrag vom 24. November 2020 entgegen der einzuhaltenden Prinzipien der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Bundesregierung die dort genannten Unternehmen vorgeschlagen hätten, ergaben sich nicht. Ebenso wenig ist ein derartiger Vorsatz seitens unbekannter Mitarbeiter erkennbar, die für die B***, welche dem (ehemaligen) Bundesminister für Finanzen Mag. G*** B***, MBA, zurechenbar ist, die Vergabe durchführten.

Von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens war daher gemäß § 35c StAG abzusehen.

Ausdruck vom: 29.03.2024 01:01:30 MEZ