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Aktenzeichen:

Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) (020), 4 St 6/21h

Veröffentlicht durch:

OStA Wien (038), 11 OStA 215/20t

Bekannt gemacht am:

23.11.2021


Entscheidungsdatum:

14.10.2021

Einstellungsgrund

§ 190 Z 1 StPO


Sachverhalt

In einer anonymen BKMS-Eingabe wurde H***** N***** unter Hinweis auf einen Zeitungsartikel „verbotene Geschenkannahme im Amt, gewährt von Herrn M***** P***** (C*****)“ zur Last gelegt.

Es bestand der Verdacht, es hat in M*****

A./ H***** N***** als Amtsträger, außer in den Fällen der §§ 304 und 305 StGB mit dem Vorsatz, sich dadurch in seiner Tätigkeit als Amtsträger beeinflussen zu lassen, für sich oder einen Dritten einen ungebührlichen Vorteil (§ 305 Abs 4 StGB) mit zumindest teilweise 3.000 Euro übersteigendem Wert angenommen, und zwar

1./ als Landeshauptmann des B***** in der Saison 2016/2017 fünf VIP-Freikarten für das Fußballspiel SV M***** gegen St. P***** vom 27. August 2016 mit noch festzustellendem Wert;

2./ als zukünftiger Stellvertreter des Aufsichtsratsvorsitzenden der B***** GmbH am 29. April 2019 100 g Gold im Wert von 3.764,50 Euro;

B./ M***** P***** zu A./ jeweils außer in den Fällen der §§ 307 und 307a StGB einem Amtsträger einen ungebührlichen Vorteil (§ 305 Abs 4 StGB) mit zumindest teilweise 3.000 Euro übersteigendem Wert für ihn oder einen Dritten mit dem Vorsatz gewährt, ihn dadurch in seiner Tätigkeit als Amtsträger zu beeinflussen;

und hiedurch

  • H***** N***** zu A./ die Vergehen der Vorteilsannahme zur Beeinflussung nach § 306 Abs 1 und 2 erster Fall StGB;

  • M***** P***** zu B./ die Vergehen der Vorteilszuwendung zur Beeinflussung nach § 307b Abs 1 und 2 erster Fall StGB;

begangen.

Darüber hinaus bestand der Verdacht, dass H***** N***** als Landeshauptmann des B***** zum 50. Geburtstag am ***** 2001 und zum 60. Geburtstag am ***** 2011 Goldgeschenke von M***** P***** zugekommen sind.

Beweiswürdigung

Die getroffenen Sachverhaltsannahmen beruhen auf den in Klammer angeführten Fundstellen im Akt.

Vor dem Untersuchungsausschuss „C*****“ des B***** Landtags sagte M***** P***** aus, dass H***** N***** sowohl zum 50. und zum 60. Geburtstag als auch zum Zeitpunkt seines Ausscheidens als Landeshauptmann kleine Edelmetall-Plättchen in Gold als Geschenk bekommen habe. Weiters sei H***** N***** zum Ausscheiden als Landeshauptmann ein „Dress vom SV M*****übermittelt worden; eine „Jahreskarte auf einer A3-Kopie“ habe dieser glaublich nie erhalten. M***** P***** gab an, sich über einen Besuch des Landeshauptmanns (wohl bei Spielen des SV M*****, Anm.) gefreut und diesen hierzu eingeladen zu haben; falls H***** N***** vor Ort gewesen sei, habe dieser natürlich (ins Stadion, Anm.) reinkönnen“ (ON12).

H***** N***** leugnete vor dem Untersuchungsausschuss und gab an, dass von Seiten des Landes auch VIP-Karten gekauft und Gäste eingeladen worden seien. Er habe keine Wahrnehmungen zu verschenkten Edelmetallplättchen. Er habe keine Geschenke gewollt, sondern bei seinen Geburtstagseinladungen gebeten, in den „H***** N***** - B***** Sozialinitiative und Jugendförderungsverein“ zu spenden. Geschenke seien nach Rücksprache an „Licht ins Dunkel“ weitergegeben worden (ON 13).

Eine Auswertung der in den Büroräumlichkeiten der C***** AG aufgefundenen bzw beigeschafften Unterlagen ergab, dass H***** N***** in der Saison 2016/2017 fünf VIP-Freikarten für das Fußballspiel SV M***** gegen St. P***** vom 27. August 2016 zugekommen sein dürften (ON 7 S 5). Weiters ergibt sich aus den Unterlagen, dass H***** N***** als Geburtstagsgeschenke in den Jahren 2016 und 2020 jeweils eine „Karte" (wohl gemeint: Glückwunschkarten) bekommen haben dürfte; darüber hinaus ist nur „Zentrale“ vermerkt (ON 10). In den beigeschafften Kontounterlagen zu Bankkonten, über die die Geschenke teilweise abgewickelt wurden, sind im Zusammenhang mit H***** N***** 100 g Gold im Wert von 3.764,50 Euro mit dem Datum 29. April 2019 ersichtlich (ON 7 S 5).

Dieses dokumentierte Goldgeschenk vom 29. April 2019 korrespondiert zeitlich mit dem von M***** P***** im Untersuchungsausschuss angegebenen Geschenk zum „Ausscheiden als Landeshauptmann“ am 28. Februar 2019. Der Verein „H***** N***** - B***** Sozialinitiative und Jugendförderungsverein“ mit Sitz in E***** hat sich in seiner außerordentlichen Generalversammlung am 9. Jänner 2019 freiwillig aufgelöst (ON 15) und dieses Goldgeschenk sohin nicht erhalten. Im Vorteilszeitpunkt war H***** N***** allerdings kein Amtsträger. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass dieses Goldgeschenk bereits während der Tätigkeit als Landeshauptmann gefordert bzw angeboten oder versprochen worden wäre. Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass dieses Goldgeschenk wenn überhaupt – im Hinblick auf die (aus damaliger Sicht) zukünftige Tätigkeit als Stellvertreter des Aufsichtsratsvorsitzenden der B***** GmbH angenommen bzw gewährt worden wäre, zumal im Vorteilszeitpunkt nicht absehbar war, dass der damalige Stellvertreter des Aufsichtsratsvorsitzenden R***** H***** plötzlich am 20. August 2019 an einem Herzinfarkt versterben und H***** N***** drei Monate nach dessen Tod – sieben Monate nach dem Vorteil – diese Funktion übernehmen würde.

In Ansehung der Freikarten werden die Erwägungen durch die Ergebnisse des C***** Untersuchungsausschusses des B***** Landtags gestützt, wonach LH aD H***** N***** auch Sportreferent war und bei fallweisen Einladungen zu Fußballmatches in seinem Büro bzw bei der Landesamtsdirektion rückgefragt habe, woraufhin regelmäßig bestätigt worden sei, dass er als Landeshauptmann bzw Sportreferent eine solche Einladung zu Repräsentationszwecken annehmen dürfe, sofern bestimmte finanzielle Grenzen nicht überschritten würden, das Land B***** zudem wiederholt Tages-VIP-Karten des SV M***** angekauft habe und LH aD H***** N***** letztlich teilweise Gäste eingeladen bzw Fußballspiele tatsächlich zu Repräsentationszwecken besucht habe, wobei er offenbar auch von Mitarbeitern begleitet worden sei (etwa einmal von seinem damaligen Büroleiter HR Mag. R***** R***** MA).

    Rechtliche Beurteilung

H***** N***** war von 28. Dezember 2000 bis 28. Februar 2019 Landeshauptmann des B***** und in diesem Zeitraum somit Amtsträger iSd § 74 Abs 1 Z 4a lit b StGB.

Seit November/Dezember 2019 ist H***** N***** Stellvertreter des Aufsichtsratsvorsitzenden der B***** GmbH, deren Alleingesellschafterin die Republik Österreich ist (ON 11) und daher wieder Amtsträger, nunmehr iSd § 74 Abs 1 Z 4a lit d StGB.

Überdies ist H***** N***** seit 8. November 2019 Präsident der Österreichischen B*****organisation, einem Verein mit Sitz in W***** (ON 14), die auch als „S***** A*****“, Interessenvertretung und Serviceorganisation des organisierten Sports in Österreich, bezeichnet wird. In dieser Funktion ist er soweit ersichtlich kein Amtsträger.

Täter der Vorteilsannahme zur Beeinflussung nach § 306 StGB kann nur ein Amtsträger oder Schiedsrichter sein. Handlungen, die jemand bloß mit Blick auf eine (erwartete) künftige Amtsträgerstellung setzt, sind mangels Vorliegens der besonderen Eigenschaft des Täters im Tatzeitpunkt nicht vom Tatbestand erfasst (Nordmeyer/Stricker in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 306 Rz 6, 11 iVm § 304 Rz 5). In Ansehung des Goldgeschenks vom 29. April 2019 ist sohin von Straflosigkeit auszugehen.

Nach § 306 Abs 2 StGB bzw § 307b Abs 2 StGB ist die Strafdrohung – abhängig von dem Wert des Vorteils, selbst bei Abs 2 zweiter Fall leg cit – (höchstens) eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Gemäß § 57 Abs 3 StGB beträgt die Verjährungsfrist hierfür fünf Jahre. Es gibt keine Anhaltspunkte für eine Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 58 Abs 2 StGB), sodass hinsichtlich allfälliger Goldgeschenke zum 50. Geburtstag am ***** 2001 und 60. Geburtstag am ***** 2011, auf die es abgesehen von den Angaben des M***** P***** keinen Hinweis gibt, hinsichtlich H***** N***** nach geltender Rechtslage bereits Verjährung eingetreten ist. Im Übrigen war bei § 306 StGB idF KorrStrÄG 2009 Voraussetzung für die Strafbarkeit des „Anbahnens“ ein objektivierbarer Zusammenhang zwischen Vorteil und konkretem Amtsgeschäft (Marek/Jerabek, Korruption und Amtsmissbrauch12 § 306 StGB Rz 45); so auch bei § 307b StGB idF KorrStrÄG 2009Vorbereitung der Bestechung“ (in Kraft von 1. September 2009 bis 31. Dezember 2012). Eine korrespondierende Bestimmung entsprechend § 306 bzw § 307b StGB idF seit KorrStrÄG 2012 (Inkrafttreten am 1. Jänner 2013) gab es soweit ersichtlich nicht, sodass hinsichtlich des Geschenks im Jahr 2011 nach Tatzeitrecht wohl gar keine Strafbarkeit vorlag. Auch in Ansehung des Goldgeschenks vom ***** 2001 ist ungeachtet der (für M***** P***** noch nicht abschließend beurteilbaren) Verjährungsproblematik von Straflosigkeit auszugehen, weil vor dem StRÄG 2008 Strafbarkeit einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der unrechtmäßigen Vorteilszuwendung und einem konkreten Amtsgeschäft voraussetzte, mithin bei Fehlen eines solchen Zusammenhangs die Geschenkannahme nicht strafbar war (vgl Marek/Jerabek, Korruption und Amtsmissbrauch13 § 306 StGB Rz 45).

Keine ungebührlichen Vorteile sind gemäß § 305 Abs 4 Z 1 StGB ua Vorteile, die im Rahmen von Veranstaltungen gewährt werden, an deren Teilnahme ein amtlich oder sachlich gerechtfertigtes Interesse besteht. Unbedenklich ist für den Amtsträger auch die Teilnahme an Veranstaltungen in Erfüllung repräsentativer Pflichten, wobei als Prüfkriterium des berechtigten Interesses vor allem Fachbezug und staatspolitische Erwägungen heranzuziehen sind. Staatspolitischer Repräsentation entspricht etwa die Teilnahme hochrangiger Vertreter von Bund und Land an einer landesweit bedeutsamen Veranstaltung (zB Teilnahme an einer Sport[groß]veranstaltung). Abgesehen von qualifiziert politischer Repräsentationszuständigkeit kann das berechtigte Interesse an der Teilnahme einer Veranstaltung auch im sachlichen Konnex zum Aufgabenbereich des – nicht zwingend hochrangigen – Amtsträgers begründet sein (Marek/Jerabek, Korruption und Amtsmissbrauch12 § 306 StGB Rz 43b). Bei Fußballspielen des SV M***** handelte es sich wohl um für das B***** bedeutsame Veranstaltungen, darüber hinaus war H***** N***** – soweit ersichtlich – für den Aufgabenbereich „Sport“ innerhalb der Landesregierung zuständig und als Landeshauptmann ganz allgemein auch mit der Vertretung des Gemeinwesens nach außen hin befasst. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist es zudem üblich, dass weitere Mitarbeiter einen Landeshauptmann zu solchen Veranstaltungen begleiten. Der allfällige Bezug von Freikarten für das Fußballspiel SV M***** gegen St. P***** am 27. August 2016 stellt daher keinen ungebührlicher Vorteil dar.

Mit Erlass der Oberstaatsanwaltschaft Wien vom 22. März 2021, AZ 11 OStA 215/20t, wurde unter anderem eröffnet, dass es sich bei der Möglichkeit der Inanspruchnahme der Datenbank der Sozialversicherungsträger durch Online-Zugriffe um eine besondere Ausgestaltung einer Amtshilfeleistung und nicht um die Nutzung einer den Gerichten/Staatsanwaltschaften/der Kriminalpolizei zurechenbaren Informationsquelle handelt, sodass unter Zugrundelegung der engeren Auslegung des Begriffes der „behördeninternen Informationsquelle", welcher sich das Bundesministerium im Jahr 2019 mangels abgeschlossener Entwicklung der Rechtsprechung zu dieser Frage im Erlass vom 26. August 2019 zu Auslegungs- und Anwendungsfragen in Zusammenhang mit § 35c StAG (BMVRDJ-S578.028/0005-IV3/2019) angeschlossen hat, bei Einholung eines solchen Sozialversicherungsauszuges bereits eine Ermittlung vorliegt.

Vom Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) wurde auch hinsichtlich H***** N***** selbständig ein Sozialversicherungsauszug eingeholt (ON 7). Unter Zugrundelegung der oben dargelegten Rechtsansicht wurde folglich bereits ein Ermittlungsverfahren gegen die beiden Angezeigten H***** N***** und M***** P***** als Verdächtige geführt.

Es war daher das diesbezügliche Ermittlungsverfahren gegen die Genannten gemäß § 190 Z 1 StPO einzustellen.

Ausdruck vom: 19.04.2024 21:37:20 MESZ