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Kategorie:

Zusammenschluss

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

24 Kt 69/14


Bekannt gemacht am:

03.06.2015

Entscheidungsdatum:

15.01.2015


"Über die Antragsgegnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen das Durchführungsverbot im Kalenderjahr 2011 durch Nichteinhaltung der in Art 2.2.i) der gegenüber den Amtsparteien im Zusammenschlussverfahren BWB/Z-721 (24 Kt 17, 18/08) abgegebenen Verpflichtungszusage (idF 16.11.2010) enthaltenen Verpflichtungen, für die „Modellvariante“ zumindest einmal jährlich eine Anzeige (oder eine vergleichbare Veröffentlichung) in zumindest zwei österreichischen Tageszeitungen mit nationaler Reichweite zu schalten sowie den Amtsparteien einmal pro Kalenderjahr den im Vertragsgebiet jeweils geltenden empfohlenen Endkundenhöchstverkaufspreis für die „Modellvariante“ zu übermitteln gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 2 KartG 2005 eine Geldbuße in Höhe von EUR 30.000,-- verhängt.

B e g r ü n d u n g :

Von den Streitparteien wurde folgender Sachverhalt außer Streit gestellt und ergibt sich darüber hinaus aus 24 Kt 17, 18/08 und 24 Kt 3, 4/11:

Die Antragsgegnerin ist ein Private-Equity Unternehmen mit Spezialisierung auf kreditfinanzierte Unternehmenskäufe und Investitionsvorhaben in „Mid-Market“-Unternehmen. Die Portfoliounternehmen sind in den unterschiedlichsten Branchen tätig. Bereits vor Anmeldung des bei der BWB zu BWB/Z-721 angemeldeten Zusammenschlusses im Jahr 2008 (der im Prüfungsverfahren 24 Kt 17, 18/08 des Kartellgerichts geendet hat) war die Antragsgegnerin über die kurz zuvor erworbene Gesellschaft Automobiles Ligier S.A.S. im Bereich Entwicklung/Herstellung/Vertrieb (teilweise nicht führerscheinpflichtiger) vierrädriger Kraftfahrzeuge (in der Folge kurz: Leicht-Kfz) tätig. Die Automobile Ligier S.A.S. wird von der Antragsgegnerin kontrolliert und wurde mit 1. Juli 2014 das Unternehmen in „Ligier Group“ umbenannt und darin die Aktivitäten der Antragsgegnerin im Bereich Leicht-Kfz gebündelt. Microcar S.A.S. entwickelt, produziert und verkauft ebenfalls Leicht-Kfz und wird ebenfalls von der Antragsgegnerin kontrolliert. Mit 1. Juli 2014 wurde das Unternehmen in die „Ligier Group“ verschmolzen.

Am 30. Mai 2008 meldete die Antragsgegnerin bei der BWB den Erwerb aller Anteile an Microcar S.A.S. durch ein neu zu gründendes Transaktionsvehikel an dem zu 65 % die Antragsgegnerin und zu 35 % Philippe Ligier beteiligt sein sollten, als Zusammenschluss an. Die Antragsgegnerin sollte dadurch alleinige Kontrolle über Microcar erwerben. Am 27. Juni 2008 beantragten beide Amtsparteien die Prüfung des Zusammenschlusses (24 Kt 17, 18/08). In der Folge trat die Antragsgegnerin mit Zusagenvorschlägen an die Amtsparteien heran. Kernpunkte waren die Bestellung eines von der Antragsgegnerin unabhängigen österreichischen Importeurs für die Marke Ligier, die Bereitstellung und Bewerbung einer Modellvariante mit einem empfohlenen Verkaufspreis von weniger als EUR 10.000,-- („Modellvariante“) sowie diverse Berichtspflichten und Überprüfungen durch einen Treuhänder. Am 8. August 2008 gab die Antragsgegnerin eine Verpflichtungszusage ab, worauf die Amtsparteien am selben Tag ihre Prüfungsanträge zurücknahmen. Mit Beschluss vom 11. August 2008 (24 Kt 17, 18/08-7) wurde das Prüfungsverfahren eingestellt. Der Zusammenschluss wurde sodann ab dem 18. September 2008 durchgeführt.

Im ersten Quartal 2009 wurde den Amtsparteien die Person des in Aussicht genommenen Importeurs sowie dessen Vertriebskonzept vorgestellt und am 20. April 2009 ein von den Amtsparteien genehmigter „Supply Contract“ zwischen Ligier und dem Importeur unterzeichnet. In der Folge kam es allerdings zu diversen Schwierigkeiten in der Umsetzung dieser Vertragsbeziehung, über die die AG die Amtsparteien nicht informierte. Außerdem unterließ es die Antragsgegnerin entgegen der Verpflichtungszusage, den Amtsparteien die Gesamtzahl der im letzten Jahr an den Generalimporteur gelieferten Produkte mitzuteilen, den jeweils geltenden empfohlenen Endkundenhöchstverkaufspreis für die „Modellvariante“ zu übermitteln, sowie eine Anzeige oder vergleichbare Veröffentlichung in einer österreichischen Tageszeitung mit nationaler Reichweite, in der auf den empfohlenen Endkundenhöchstverkaufspreis der „Modellvariante“ hingewiesen wurde, zu schalten.

Die Amtsparteien beantragten daraufhin im Verfahren 24 Kt 3, 4/11 die Verhängung einer Geldbuße gemäß den §§ 29 Z 1 lit a iVm 17 Abs 1 KartG 2005 gegenüber der Antragsgegnerin in Höhe von EUR 200.000,-- wegen Nichtumsetzung der Verpflichtungszusagen. Mit Beschluss vom 24.3.2011, 24 Kt 3, 4/11-9, wurde den Bußgeldanträgen der Amtsparteien stattgegeben und antragsgemäß die beantragte Geldbuße über die Antragsgegnerin verhängt.

Ab dem 12. Februar 2010 suchte die Antragsgegnerin nach einem neuen Importeur. Am 23. Juni 2010 stellte die Antragsgegnerin den Amtsparteien die Josef Faber Kraftfahrzeug-, Handels- und Werkstättenbetriebe GmbH als neuen Generalimporteur vor. Am 1. September 2010 legte die Antragsgegnerin Teile des Entwurfs eines neuen „Supply Contract“ mit diesem Unternehmen vor. Nach Genehmigung durch die Amtsparteien schlossen die Antragsgegnerin und der neue Generalimporteur im November 2010 den Supply Contract.

Parallel dazu kam es zwischen der Antragsgegnerin und den Amtsparteien zu einer Überarbeitung und Anpassung der Zusagenerklärung (idF vom 16. November 2010).

Mit Schreiben vom 29. Februar 2012 bzw 6. März 2012 räumten Ligier bzw die Antragsgegnerin ein, die Berichtspflichten nach Art 3 der Zusage nicht eingehalten zu haben. Dies sei im Ausscheiden des dafür zuständigen Mitarbeiters aus dem Unternehmen begründet. Die fehlenden Angaben wurden unter Einem durch Ligier nachgereicht.

Die Amtsparteien gingen damals von einem einmaligen Versehen aus und teilten den Parteien in einem per E Mail versandten Schreiben vom 22. März 2012 mit, keine weiteren Schritte für erforderlich zu halten.

Am 30. April 2012 langte der Bericht des Sicherungstreuhänders über die Erfüllung und Einhaltung der Verpflichtungszusagen gemäß Art 10 der Zusagen betreffend das Kalenderjahr 2011 bei der BWB ein. Neben der – den Amtsparteien bereits bekannten – verspäteten Erfüllung von Berichtspflichten nach Art 3 der Zusagen wurde darin auch ein Verstoß gegen Art 2.2.i) hinsichtlich der Bewerbung der „Modellvariante“ in zwei nationalen Tageszeitungen sowie der Mitteilung des empfohlenen Endkundenhöchstverkaufspreis an die Amtsparteien festgestellt. Auch diese Verstöße wurden mit dem Ausscheiden des für den Export und die Auflagenumsetzung zuständigen Mitarbeiters und die dadurch verzögerte Entscheidungsfindung über die Werbestrategie mit dem neuen Importeur begründet. Nach Vorliegen des Berichts des Sicherungstreuhänders hat die Antragsgegnerin von sich aus vorgeschlagen, im Jahr 2012 eine zusätzliche Bewerbung der „Modellvariante“ durchzuführen.

In einem Gespräch am 15. April 2013 unter Beteiligung von Vertretern der Parteien sowie des Generalimporteurs wurde den Amtsparteien mitgeteilt, dass der Generalimporteur die Vertriebsbeziehung mit Ligier beenden wolle. Trotz intensiver Bemühungen sei es – vor dem Hintergrund eines rückläufigen Marktes – nicht gelungen, das Händlernetzwerk und die Absatzzahlen in einer Weise zu entwickeln, die eine wirtschaftliche Fortführung ermögliche. Das Vertragsverhältnis zwischen Ligier und dem Generalimporteur endete per Ende 2013. Seither ist für den Vertrieb von Leicht-Kfz der Marke Ligier kein Importeur für Österreich bestellt.

Zwischen den Antragsgegnern und den Amtsparteien herrscht Einigkeit darüber, dass es unter den gegebenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, nicht zuletzt wegen eines schrumpfenden Gesamtmarktes, nicht möglich sein dürfte, einen geeigneten unabhängigen Importeur für die Marke Ligier zu finden.

Die Antragsgegnerin und die Amtsparteien sind daher in Gespräche eingetreten, um eine Gesamtlösung für sämtliche offene Fragen, also künftige Importeurstellung betreffend die Marke Ligier unter Berücksichtigung der im Verfahren 24 Kt 17, 18/08 geäußerten Bedenken sowie Ahndung der neuerlichen Auflagenverstöße zu erzielen.

Als Ergebnis dieser Verhandlungen haben sich die Amtsparteien mit der Antragsgegnerin auf eine neuerliche Anpassung der Verpflichtungszusagen geeinigt. Demnach darf Microcar die Funktion des Generalimporteurs der Marke Ligier übernehmen. Im Gegenzug wurden die Verpflichtungen zur Vermarktung preisgünstiger Einstiegsmodelle verschärft. Die verschiedenen Berichtspflichten werden im Interesse beider Seiten gebündelt.

Hinsichtlich der Verstöße gegen die Auflagen haben die Amtsparteien und die Antragsgegnerin dahingehend verständigt, dass bei Würdigung aller Umstände eine Geldbuße in Höhe von EUR 30.000,-- angemessen erscheint. Den Amtsparteien liegen keine aktuellen Umsatzzahlen der Antragsgegnerin vor. Die beantragte Geldbuße liegt jedenfalls (deutlich) unter dem Höchstbetrag.

Die antragstellenden Amtsparteien beantragten in ihren Anträgen vom 25. und 26. November 2014 (ON 1 und ON 2) wie aus dem Spruch ersichtlich und führten rechtlich zu dem letztlich durch die Antragsgegnerin in ON 4 außer Streit gestelltem Sachverhalt wie folgt aus:

Gemäß § 17 Abs 2 KartG 2005 sei die Durchführung eines mit Beschränkungen oder Auflagen im Sinne des § 12 Abs 3 KartG 2005 nicht untersagten Zusammenschlusses anders als mit diesen Beschränkungen oder Auflagen verboten. Gleiches gelte, wenn sich die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmer gegenüber einer Amtspartei zur Einhaltung von Beschränkungen oder Auflagen verpflichtet hätten, um die Unterlassung oder Zurückziehung eines Prüfungsantrages zu erreichen.

Das Kartellgericht habe gemäß § 29 Z 1 lit a KartG 2005 Geldbußen bis zu einem Höchstbetrag von 10 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahres erzielten Gesamtumsatzes gegen einen Unternehmer zu verhängen, der vorsätzlich oder fahrlässig, dem Durchführungsverbot (§ 17 KartG 2005) zuwiderhandle. Durch die festgestellten Unterlassungen sei gegen die Verpflichtungszusage wie Beil./B verstoßen worden, der Zusammenschluss sei anders als mit den verbundenen Auflagen und Beschränkungen durchgeführt worden.

Der Umstand, dass die Erfüllung der Auflagen an der Person eines einzelnen Mitarbeiters hänge und offenbar keine organisatorische Vorsorge für eine Vertretung getroffen worden sei, sei als Mangel der gebotenen Sorgfalt zu werten. Dies um so mehr als bereits zuvor gleichartige Verstöße gegen die Auflagen erfolgt seien. Die Antragsgegnerin habe somit zumindest fahrlässig gegen das in § 17 KartG verankerte Durchführungsverbot verstoßen.

Der Umstand, dass es sich bereits um den zweiten Verstoß der Antragsgegnerin gegen die Auflagen handle, sei als erschwerender Umstand im Sinne des § 30 Abs 2 KartG 2005 anzusehen. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass die nunmehrigen Verstöße sowohl in Qualität als auch Quantität weniger schwer wiegen würden, als die im Jahr 2011 geahndeten Verstöße. Mildernd sei der Antragsgegnerin anzurechnen, dass sie die Verstöße nicht bestritten habe und sich aus eigenem ernstlich bemüht habe, die Folgen der Verstöße abzumildern.

Da die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 22.12.2014 dem rechtlichen Vorbringen der antragstellenden Amtsparteien nichts entgegengesetzt hat, darf zur Vermeidung von Wiederholungen auf deren rechtliches Vorbringen verwiesen werden, das nachvollziehbar erscheint und war insgesamt spruchgemäß zu entscheiden."


Ausdruck vom: 29.03.2024 05:57:50 MEZ