zur Navigation
Kategorie:

Zusammenschluss

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

27 Kt 41/15


Bekannt gemacht am:

06.04.2016

Entscheidungsdatum:

03.11.2015


I. Der von der Antragsgegnerin am 20.7.2015 bei der Erstantragstellerin zu deren Zahl BWB-Z-2736 angemeldete Zusammenschluss wird unter den Auflagen laut Punkt II. nicht untersagt.

II. Auflagen

1. Die Antragsgegnerin (im Folgenden: Wiener Rotes Kreuz) verpflichtet sich, das Zusammenschlussvorhaben nur ohne den Erwerb der beiden Geschäftsbereiche Niederösterreich und Steiermark des Vereins Grünes Kreuz durchzuführen. Wiener Rotes Kreuz wird somit (i) weder eine Beteiligung an der Gesellschaft "Grünes Kreuz Krankentransporte Graz gemeinnützige GmbH" (weder unmittelbar noch mittelbar), noch (ii) die beiden Geschäftsbereiche Niederösterreich und Steiermark des Vereins Grünes Kreuz oder zu diesen Geschäftsbereichen gehörige Assets auf sonstigem Wege erwerben. Zur Klarstellung wird festgehalten, dass dies die Berechtigung von Landesverbänden des Österreichischen Roten Kreuz zur Teilnahme als Bieter in künftigen Ausschreibungen in der Steiermark und Niederösterreich nicht beschränkt.

2. Wiener Rotes Kreuz verpflichtet sich, die zu erwerbenden gewerblichen Geschäftsaktivitäten des Vereins Grünes Kreuz strukturell getrennt von den derzeit bestehenden Geschäftsaktivitäten des Wiener Roten Kreuzes zu führen. Zu diesem Zweck wird  der Geschäftsbetrieb Wien des Vereins Grünes Kreuz in einer eigenständigen Gesellschaft, derzeit "Grünes Kreuz – Rettung und soziale Dienste gemeinnützige GmbH" betrieben (in der Folge "die GK Gesellschaft").

3. Wiener Rotes Kreuz verpflichtet sich, durch entsprechende Ausübung ihrer Gesellschafterrechte in der GK Gesellschaft in Bezug auf die Geschäftstätigkeiten in den Geschäftsbereichen (i) Krankentransport/Krankenbeförderung und (ii) Ambulanzwesen Folgendes sicherzustellen:

3.1. Die Geschäftsführung der GK Gesellschaft wird in Bezug auf die (i) Produktgestaltung, (ii) Angebotslegung und (iii) Preisgestaltung weisungsfrei gestellt.

3.2. Der Geschäftsführer der GK Gesellschaft (und Prokuristen, falls solche bestellt werden) übernimmt zur gleichen Zeit keine Organfunktionen oder sonstige Tätigkeiten in den Geschäftsbereichen Krankentransport/Krankenbeförderung und Ambulanzwesen des Wiener Roten Kreuzes bzw. dessen anderen Beteiligungsgesellschaften.

3.3. Personen, die in der GK Gesellschaft in den Bereichen Vertrieb und Kundenbetreuung tätig sind (als Dienstnehmer, auf werkvertraglicher oder jeder sonstigen Basis), werden nicht gleichzeitig für das Wiener Rote Kreuz tätig.

3.4. Die GK Gesellschaft führt Tarif- und Vertragsverhandlungen mit Krankenkassen und sonstigen Vertragspartnern eigenständig und unabhängig vom Wiener Roten Kreuz bzw. dessen weiteren Beteiligungsgesellschaften.

3.5. Die GK Gesellschaft wird die Vereinbarung zwischen Grünes Kreuz österreichweiter eigenständiger Rettungs- Krankentransport- und Sanitätshilfsdienst und **** GmbH vom 14.8.2014 frühestens mit Wirkung zum 31.12.2018 kündigen.

4. Die GK Gesellschaft wird in Bezug auf ihren gesamten Außenauftritt und ihre Markenpolitik unabhängig vom Wiener Roten Kreuz geführt. Dies beinhaltet insbesondere eine Beibehaltung der Marke "Grünes Kreuz" und einer sonstigen klar unterscheidbaren Corporate Identity für die GK Gesellschaft. Gemeinsame Beschaffungsaktivitäten sind zulässig.

5. Wiener Rotes Kreuz verpflichtet sich, (i) für sich selbst und (ii) in Bezug auf die GK Gesellschaft dafür zu sorgen, dass das Wiener Rote Kreuz und die GK Gesellschaft den Amtsparteien einmal jährlich, jeweils bis zum 31.3. des Folgejahres, folgende (getrennte) schriftliche Mitteilungen machen:


 

a.) Die im Geschäftsbereich Krankentransport/Krankenbeförderung verrechneten Tarife und die in Bezug auf die 5 umsatzstärksten Aufträge im Geschäftsbereich Ambulanzdienste verrechneten Tarife,

b.) eine begründete Bestätigung, dass diese Verpflichtungszusage im jeweils vergangenen Jahr eingehalten wurde.

6. Diese Auflagen gelten für einen Zeitraum von drei (3) Jahren ab dem Wegfall des Vollzugsverbots nach dem österreichischen Kartellgesetz (die Laufzeit der Verpflichtung gemäß Punkt 3.5 bleibt davon unberührt).

7. Diese Auflagen des Wiener Roten Kreuzes erlangen mit Wegfall des Vollzugsverbotes Wirksamkeit.

8. Wiener Rotes Kreuz erklärt sich mit der Veröffentlichung einer nicht vertraulichen Fassung der gegenständlichen Auflagen auf der Homepage der Bundeswettbewerbsbehörde einverstanden.

Begründung:

A) Anmeldung des Zusammenschlusses:

Am 20.7.2015 wurde bei der Erstantragstellerin unter BWB/Z-2736/1 der Erwerb einer 100%-igen Beteiligung an der Grünes Kreuz - Rettung und Soziale Dienste gemeinnützige GmbH, in die vorab der gesamte Geschäftsbetrieb des Vereins Grünes Kreuz – österreichweite eigenständige Rettungs-, Krankentransport- und Sanitätshilfsdienste eingebracht wurde, durch die Antragsgegnerin als Zusammenschluss angemeldet. Von beiden Antragstellern wurde binnen offener Frist eine Prüfung des Zusammenschlusses beantragt.

B) Parteien des Zusammenschlusses:

a) Die Antragsgegnerin (Wiener Rotes Kreuz) ist ein im Zentralen Vereinsregister eingetragener Verein und einer der insgesamt neun eigenständigen Zweigvereine, in die sich das Österreichische Rote Kreuz (ÖRK) gliedert.

Die Wahrnehmung der Aufgaben des Wiener Roten Kreuzes erfolgt gemeinnützig. Es ist im Wesentlichen mildtätig, nicht auf Gewinn gerichtet und insbesondere in folgenden Bereichen aktiv:

1. Rettungs- und Krankentransportdienst

2. Gesundheits- und Soziale Dienste

3. Katastrophenhilfe und Suchdienst

4. Aus- und Fortbildung der Bevölkerung und der Mitarbeiter

5. Betrieb von Krankenanstalten, Heimen etc. (insbesondere Kinderkrebshilfe/St. Anna Kinderspital)

6. Jugendrotkreuz etc.

Der Umsatzerlös des Wiener Roten Kreuzes betrug 2014 EUR XX Mio, jener des Österreichischen Roten Kreuzes inklusive der weiteren acht Landesverbände ca. EUR XX Mio. Diese Umsatzerlöse wurden zum größten Teil in Österreich lukriert, da in der Regel Dienstleistungen nur innerhalb Österreichs erbracht werden und es nur vereinzelt zu grenzüberschreitenden Überstellungen kommt. Der Anteil Letzterer am Umsatzvolumen ist gering.

b) Der übertragene Geschäftsbetrieb des Vereins Grünes Kreuz umfasst folgende gewerbliche Dienstleistungen, die der Verein Grünes Kreuz vorwiegend in Wien und teilweise auch in den vier niederösterreichischen Gemeinden Leopoldsdorf, Maria Lanzendorf, Aspang-Markt und Mönichkirchen sowie in Graz erbringt:

1. Rettungstransporte

2. Kranken- und Fahrtendiensttransporte (sowohl Intensiv- als auch Inkubatorentransporte)

3. Ambulanzdienste

4. Kurswesen (Erste Hilfe Kurse, Kurse zur Rettungssanitäterausbildung).

Der Umsatzerlös im Geschäftsbetrieb Rettung betrug 2014 EUR XX.

C) Zusammenschlussvorhaben:

Gegenstand der Anmeldung ist die beabsichtigte Übernahme der Geschäftsaktivitäten des Vereins Grünes Kreuz im Bereich des Rettungs-, Sanitäts- und Krankentransportwesens durch das Wiener Rote Kreuz.

Vor Durchführung des Zusammenschlussvorhabens soll der Geschäftsbetrieb Rettung Verein Grünes Kreuz zu diesem Zweck in die bisher inoperative Gesellschaft Grünes Kreuz – Rettung und Soziale Dienste gemeinnützige GmbH (Zielgesellschaft) eingebracht werden. Das Wiener Rote Kreuz soll in der Folge 100% der Anteile der Zielgesellschaft erwerben.

In die 100%-ige Tochtergesellschaft der Zielgesellschaft, nämlich die Grünes Kreuz Krankentransporte Graz gemeinnützige GmbH sollen die zum Zeitpunkt der Durchführung des Zusammenschlussvorhabens durch die Gesellschaft Grünes Kreuz Krankentransporte Lieboch GmbH geführten Teilbetriebe des Geschäftsbetriebs Rettung Verein Grünes Kreuz, nämlich die Teilbetriebe Rettung Steiermark und Rettung Niederösterreich, eingebracht werden

(Beilagen ./A und ./B).

D) Wirtschaftliche Einheit:

Die Landesverbände des Roten Kreuzes, so auch das Wiener Rote Kreuz, sind mit dem Österreichischen Roten Kreuz als wirtschaftliche Einheit zu betrachten. Wenn auch die Konzerneigenschaften (Dauerhaftigkeit, Eigentums- bzw Verfügungsrechte, Autorität) in den Satzungen nicht vollständig erfüllt sind, da wesentliche Entscheidungsbefugnisse bezüglich der Unternehmensführung beim Wiener Roten Kreuz selbst liegen, hat das Österreichische Rote Kreuz doch wesentliche Mitbestimmungs-, Informations-, Prüf- und Residualrechte in den Landesverbänden, so auch im Wiener Roten Kreuz. Stand- alone-Lösungen für einzelnen Landesverbände können nicht realisiert werden. Das Österreichische Rote Kreuz verfügt über ökonomisch signifikante Eigentums- und Verfügungsrechte und kann (zumindest) reale Autorität im Wiener Roten Kreuz und den anderen Landesverbänden ausüben. Auf Grund der wirtschaftlichen Gegebenheiten ist die Konzerneigenschaft für das Österreichische Rote Kreuz erfüllt. Die Landesverbände des Roten Kreuzes bilden daher mit dem Österreichischen Roten Kreuz eine wirtschaftliche Einheit

(Gutachten SV Univ.Prof. Dr. Gugler ON 17 S 32).

E) Sachlich und räumlich relevante Märkte:

a) Ambulanzdienste:

Ambulanzdienste (Sanitätswachdienste) sind ein Teil der Notfallvorsorge. Sie werden von privaten, gewerblichen und öffentlichen Einrichtungen und Betrieben in Auftrag gegeben. Mit dem Ambulanzdienst wird die sanitätsdienstliche Bereitschaft und gegebenenfalls Erstversorgung von Teilnehmern bei Veranstaltungen ab einer bestimmten Größe oder mit einem erhöhten Gefahrenpotenzial (z.B. Sportereignisse, Musikveranstaltungen, Vereinsfeste, Betriebsfeiern, Kirtage, Zeltfeste etc.) übernommen. Dabei sind qualifizierte Rettungs- und Notfallsanitäter, bei Bedarf auch Notärzte, mit Einsatzfahrzeugen und technischem Equipment vor Ort präsent und leisten Erste Hilfe. Gegebenenfalls wird auch der Transport einer erkrankten oder verletzten Person in ein Krankenhaus übernommen.

Da Ambulanzdienste gesetzlich vorgeschrieben sind und nicht durch andere Dienstleistungen substituiert werden können, sind sie als sachlich relevanter Markt zu betrachten.

In der Praxis werden Ambulanzdienste nur von im jeweiligen Bundesland anerkannten Rettungsorganisationen erbracht. Der rechtliche Rahmen für Ambulanzdienste ist überdies auf Landesebene festgelegt. Der räumlich relevante Markt ist das jeweilige Bundesland.

b) Transportdienstleistungen:

1) Fahrtendienste:

Diese betreffen Fahrten für wenig beeinträchtigte oder gehfähige Patienten, die keine Krankenwagen benötigen, aber nicht in der Lage sind, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Sie werden von Taxi- und Mietwagenunternehmen angeboten. In Wien werden Fahrtendienste von sechs gewerblichen Anbietern, die gemeinsam über die Leitstelle der **** GmbH operieren, durchgeführt. Von der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) werden jährlich rund 210.000 Fahrtendienste veranlasst.

2) Krankenbeförderung:

Mietwagenunternehmen, die einfache Krankenbeförderungen durchführen, kommen dann zum Einsatz, wenn die zu befördernden Personen auf Grund ihrer Gehunfähigkeit auf der Trage liegend oder im Tragsessel sitzend getragen und transportiert werden müssen. Während der Fahrt ist keine Versorgung durch Sanitätspersonal erforderlich.

Jährlich werden in Wien rund 30.000 derartige Transporte durchgeführt.

3) Krankentransporte:

Dieser Markt umfasst Transportdienstleistungen für kranke, verletzte oder anderweitig hilfsbedürftige Personen, die nicht Notfallpatienten sind, also keinen Rettungstransport benötigen. Krankentransporte erfolgen durch speziell ausgestattete Krankentransportwagen.

In Wien werden von den Mitgliedern des Rettungsverbundes rund 310.000 derartige Transporte pro Jahr durchgeführt.


 

Aus medizinischer Sicht sind diese Transportdienstleistungen klar zu unterscheiden. Eine Substitution von weniger qualifizierten Transporten, also Fahrtendienst oder Krankenbeförderung, durch höher qualifizierte Transporte ist zwar möglich, aber nicht ökonomisch. Eine Substitution in die andere Richtung ist generell nicht möglich, da ein sanitätsdienstlich betreuter Transport im Krankentransportwagen - bei dessen medizinischer Rechtfertigung - nicht mit einem Transport durch ein Taxiunternehmen substituiert werden kann.

Allerdings werden in der Praxis Krankentransporte nicht zwingend aus medizinischer Notwendigkeit heraus verordnet. Die WGKK ist bestrebt, das quantitative Verhältnis von Krankentransport und Krankenbeförderung einschließlich Fahrtendienst umzudrehen, da es Patienten gibt, die auch qualitativ geringwertiger transportiert werden könnten. Auch die Entwicklung der Marktanteile legt nahe, dass ein starkes Substitutionsverhältnis zwischen Krankentransport und Krankenbeförderung besteht. Seit 2012 stagnieren die Marktanteile der Rettungsorganisationen hierfür, während der Anteil der von der Leitstelle koordinierten Unternehmen seit 2012 stark zugenommen hat.

Daher sind Krankentransporte und Krankenbeförderung (einschließlich Fahrtendienst) aus ökonomischer Sicht ein sachlich relevanter Markt. Der räumlich relevante Markt umfasst das jeweilige Bundesland.

c) Rettungstransporte:

Dabei handelt es sich um solche Transporte, bei denen ein medizinischer Notfall vorliegt. Diese werden in Wien je nach Dringlichkeit in 5 Stufen mit Wartezeiten von 5 bis 20 Minuten eingeteilt. In den Bundesländern sind die Wartezeiten durch die größere geografische Ausdehnung länger. Für Rettungstransporte bestehen keinerlei Substitutionsmöglichkeiten. Sie sind bundeslandweit organisiert. Der sachlich und räumlich relevante Markt wird als Rettungstransport im jeweiligen Bundesland definiert.


 

d) Transportdienstleistungen für den Ärztenotdienst Graz:

Die Tatsache, dass die Landesverbände des Österreichischen Roten Kreuzes als wirtschaftliche Einheit zu betrachten sind und es zu einer Marktanteilsaddition mit dem Steirischen Roten Kreuz kommt, ist insofern unerheblich, als nur die Wiener Aktivitäten des Grünen Kreuzes Gegenstand des Zusammenschlusses sind.

e) Kurswesen:

Das Kurswesen umfasst im Wesentlichen das Angebot von Erste-Hilfe-Kursen. Von einer genauen Marktabgrenzung kann abgesehen werden, da in keinem denkbaren Szenario wettbewerbsrechtliche Bedenken bestehen.

F) Geschäftsbereiche des Zielunternehmens:

a) Ambulanzdienste:

Vom Verein Grünes Kreuz werden Ambulanzdienste im Hinblick auf die bestehenden Niederlassungen hauptsächlich den Regionen Wien, Wien-Umgebung, Graz und Graz-Umgebung angeboten.

b) Bereitstellung von Transportdiensten für den Ärztenotdienst Graz:

Der Verein Grünes Kreuz wurde im Jahr 2011 vom Magistrat der Landeshauptstadt Graz beauftragt, Einsatzfahrzeuge und Sanitätspersonal für den Ärztenotdienst (bzw. den Transport der diensthabenden Ärzte) in Graz bereitzustellen. Der Ärztenotdienst ist eine Sonderform der (haus-)ärztlichen Versorgung, die von der Ärztekammer sicherzustellen ist. Der Stützpunkt des Ärztenotdienstes Graz verfügt über zwei Ordinationen, welche von Ärzten der Ärztekammer Steiermark besetzt sind. Erkrankte Personen können sich dort zu den Öffnungszeiten (nachts von 19.00 bis 7.00 Uhr und an Wochenenden und Feiertagen rund um die Uhr) behandeln lassen. Patienten, denen es nicht möglich oder zumutbar ist, persönlich am Stützpunkt des Ärztenotdienstes zu erscheinen, werden vom Verein Grünes Kreuz in Begleitung des jeweils diensthabenden Arztes des Ärztenotdienstes am Ort ihrer Erkrankung versorgt.

c) Rettungs- und Krankentransportwesen:

Vom Verein Grünes Kreuz werden sowohl Notfalls- und Rettungstransporte als auch Transportdienstleistungen angeboten, bei denen kein Notfall vorliegt.

Im Bereich des Rettungstransportwesens verfügt der Verein Grünes Kreuz über entsprechend ausgebildete Notfalls- und Rettungssanitäter und über Rettungstransportwagen, die für die Erstversorgung und die Überwachung und den Rettungstransport von Patienten eingesetzt werden.

Daneben hat der Verein Grünes Kreuz auch Krankentransportwagen für die Beförderung von nicht gehfähigen Personen.

Einen Spezialbereich der Krankentransporte bilden die Intensivtransporte. Dabei handelt es sich um Transporte, mit einem speziell ausgerüsteten Babynotfallwagen oder einem speziell ausgerüsteten Intensivtransportwagen mit einer „mobilen Intensivstation“. Die Intensivtransporte werden von mindestens zwei ausgebildeten Sanitätern und einem Intensivmediziner begleitet.

d) Kurswesen:

Der Verein Grünes Kreuz tritt darüber hinaus auch als Anbieter von Erste-Hilfe-Kursen auf. Die Kurse werden auch Unternehmen (z.B. Fahrschulen, da ein solcher Kurs für den Erwerb der Führerscheinklassen A, B, C und F gesetzlich vorgeschrieben ist) angeboten. Kurse für die Sanitäterausbildung werden in der Regel nur zur Ausbildung der eigenen Mitarbeiter abgehalten.

G) Marktstellung der Zusammenschlussparteien:

a) Ambulanzdienste:

1) in Wien:

Der Marktanteil des Wiener Roten Kreuzes betrug im Jahr 2014 XX%, jener des Grünen Kreuzes unter XX%. Die kumulierten Marktanteile der Zusammenschlussparteien sind daher größer als 30% und kleiner als 35%. Die Marktanteile des Arbeiter-Samariter-Bundes sind höher.

2) in Niederösterreich und der Steiermark:

Da im Hinblick auf die Verpflichtungszusagen nur die Wiener Aktivitäten des Grünen Kreuzes Gegenstand des Zusammenschlusses sind, führt die grundsätzlich bestehende wirtschaftliche Einheit der Landesverbände des Österreichischen Roten Kreuzes nicht zu einer Marktanteilsaddition bei Ambulanzdiensten. Das Wiener Rote Kreuz ist weder in Niederösterreich noch in der Steiermark tätig.

b) Krankentransporte und Krankenbeförderung:

1) in Wien:

Marktanteile im Markt für Krankentransport und -beförderung in Wien: XX


 

2) in Niederösterreich:

Der Marktanteil des Grünen Kreuzes in Niederösterreich ist seit 2012 rückläufig und beträgt für das Jahr 2014 rund XX%. Das Wiener Rote Kreuz ist in Niederösterreich nicht tätig. Der Marktanteil des Niederösterreichischen Roten Kreuzes belief sich im Jahr 2014 auf XX%, jener des Arbeiter-Samariter-Bundes auf XX%.

3) in der Steiermark:

Die Anteile des Steiermärkischen Roten Kreuzes am Abrechnungsvolumen der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse betragen XX%, jene des Grünen Kreuzes Steiermark (vom Zielunternehmen verschieden und lediglich namensgleich) XX%, des Grünen Kreuzes Krankentransporte Lieboch GmbH & Co KG (ein Teil des Zielunternehmens) XX%, des Arbeitersamariterbundes Graz XX%, verschiedener Rettungsabteilungen XX% und der Vertragstaxiunternehmen XX%.

c) Rettungsdienste:

1) in Wien:

Rettungstransporte werden in Wien zu rund XX% durch die MA 70 erbracht, wobei dieser Anteil 99% der Fahrten mit großer medizinischer Dringlichkeit beinhaltet. Die restlichen, im Allgemeinen weniger dringenden Fahrten werden von den Mitgliedern des Wiener Rettungsverbundes (Arbeiter-Samariter-Bund, Wiener Rotes Kreuz, Johanniter, Malteser, Sozialmedizinischer Dienst und Grünes Kreuz) durchgeführt. Dabei entfallen auf den Arbeiter-Samariter-Bund XX% der Fahrten, auf das Wiener Rote Kreuz XX% und das Grüne Kreuz XX%.

2) in Niederösterreich:

Das Grüne Kreuz führt in Niederösterreich rund XX% aller Rettungstransporte durch. Das Rote Kreuz Niederösterreich ist Marktführer.

3) in der Steiermark:

In der Steiermark ist das Grüne Kreuz nicht als Rettungsorganisation zugelassen. Daher kommt es durch den Zusammenschluss zu keiner Addition von Marktanteilen am steirischen Markt für Rettungsdienste.

H) Entstehung bzw. Verstärkung einer (allenfalls kollektiven) marktbeherrschenden Stellung:

a) Ambulanzdienste in Wien:

Durch den Zusammenschluss würde der Marktanteil des Wiener Roten Kreuzes inklusive der Landesverbände von XX% auf unter XX% ansteigen. Der größte Anbieter von Ambulanzdiensten würde der Arbeiter-Samariter-Bund bleiben. Auf Grund des geringen Zuwachses an Marktanteilen durch die Fusion und die Tatsache, dass der Arbeiter-Samariter-Bund in diesem Markt eine um Einiges gewichtigere Rolle einnimmt, wird durch die Fusion eine etwaige Einzelmarktbeherrschung nicht verstärkt.

Auch eine kollektive Marktbeherrschung etwa des Arbeiter-Samariter-Bundes mit dem Wiener Roten Kreuz und dem Grünen Kreuz wird durch den Zusammenschluss nicht entstehen oder verstärkt werden. Die Marktanteilsaddition durch den Zusammenschluss reicht nämlich nicht aus, um von einer signifikanten Erhöhung der Gefahr einer kollektiven Marktbeherrschung auszugehen. Der Delta HHI-Wert (Zuwachs des Herfindahl-Hirschmann-Index) würde unter 150 liegen.

Die Vergrößerung der Kapazitäten des Wiener Roten Kreuzes im Ambulanzdienst durch den Zusammenschluss könnte vielmehr dazu führen, dass in Zukunft auch größere Events durch das Wiener Rote Kreuz/Grüne Kreuz betreut werden. Daher könnte die Fusion zu einer gewissen Destabilisierung bestehender Kooperationen wie z.B. „Vier für Wien“ führen (Gutachten ON 17 S 39 f).

b) Krankentransporte und Krankenbeförderung in Wien:

Durch den Zusammenschluss würde das Wiener Rote Kreuz inklusive der Landesverbände in diesem Markt von etwa XX% der Umsätze (etwa XX% der Fahrten) auf etwa XX% umsatzbasiert (XX% fahrtenbasiert) wachsen. Diese Marktanteilsaddition ist signifikant und es wird die (widerlegliche) Vermutung einer Einzelmarktbeherrschung begründet. Diese Fusion würde auch auf Grund der Leitlinien der EU-Kommission nicht mehr als per se unbedenklich gelten.

Der Markt für Krankentransport und Krankenbeförderung ist der bei weitem größte und wichtigste Markt und – wie bereits oben ausführlich dargestellt - vertikal differenziert: Auf der untersten Stufe steht die einfache Krankenbeförderung mittels Taxi oder Mietwagenunternehmen, bei der der Patient gehfähig ist und auch sonst keine sanitätsdienstliche Betreuung benötigt. Die nächste Stufe ist der Transport in einem Tragsessel oder einer Tragliege, bei dem der Patient auch gehunfähig sein kann. Die höchste Stufe ist der qualifizierte Krankentransport, bei dem grundsätzlich eine sanitätsdienstliche Betreuung vorhanden ist, ein medizinisch begründeter ärztlicher Transportauftrag ausgestellt und der Transport von den „Blaulichtorganisationen" durchgeführt wird.

Die von den Krankenkassen zugestandenen Tarife spiegeln diese Hierarchie von Transportdienstleistungen grundsätzlich wider. Sowohl die Anforderungen an die Firmen (z.B. Kapitaleinsatz, Ausbildungsinvestitionen, Ausstattung der Fahrzeuge etc.), die regulatorischen Voraussetzungen (z.B. Zulassung zur „Blaulichtorganisation“) als auch die Vorgaben der Kassen (z.B. zeitliche und qualitative Vorgaben für den Transport) erhöhen sich mit zunehmender „Qualität“ des Transports. Dies bedingt auch, dass die Marktzutrittsbarrieren höher werden, je qualitativ höher ein Transport ist. Zusätzlich gibt es ein sogenanntes Spitzenlastproblem, d.h. zu Ambulanzzeiten der Spitäler (8-13h) sind die meisten Fahrzeuge ausgelastet, außerhalb der Spitzenlast jedoch nicht, was zu Überkapazitäten außerhalb der Spitzenlast führt.

Da im Jahr 2012 nach einer Evaluierung der WGKK Transporte zum größeren Teil als Krankentransporte und nur zu einem geringeren Teil als – wesentlich billigere – Fahrtendienste durchgeführt wurden, wurde die Leitstelle **** GmbH gegründet. In diesem Zusammenhang kam es zu einer Kooperation der sechs gewerblichen Anbieter in der Leitstelle und zu einer Kooperation mit dem Grünen Kreuz zur Durchführung der „qualifizierten Transporte“. Die Kooperation mit dem Grünen Kreuz ist notwendig, um auch qualifizierte Krankentransporte über die Leitstelle durchführen zu können. Ansonsten besteht die Gefahr, dass bei einer wiederholten Ablehnung von Anfragen auch die Nachfrage nach nur einfachen Transporten sinken könnte. Überdies könnte eine Leitstelle, die nur einfache, also niederqualifizierte Transporte anbieten kann, keinen guten Ruf erwerben und damit langfristig in ihren Möglichkeiten beschränkt sein. Die WGKK weist Spitäler an, Transporte über die Leitstelle zu organisieren, wenn keine medizinische Versorgung während der Fahrt notwendig ist, und schließt mit den gewerblichen Anbietern für Krankentransporte und Krankenbeförderung Verträge. Der Marktanteil der Leitstelle, stieg von 2012 bis 2014 deutlich. Damit ist die Leitstelle ein Maverick in diesem Markt, die einen immer größer werdenden Anteil der Krankentransporte mit teuren Krankentransportwagen in Krankenbeförderungen mit billigeren Taxis oder umgebauten Mietwagen umwandelt. Dies führt zu einer steigenden Unterauslastung vor allem der Blaulichtorganisationen außerhalb der Spitzenlastzeiten. Der Zusammenschluss zwischen dem Wiener Roten Kreuz und dem Grünen Kreuz könnte einen Weg darstellen, Überkapazitäten oder Doppelgleisigkeiten abzubauen.

Ein zweites wettbewerbliches Problem liegt darin begründet, dass nach der Fusion die Verhandlungsmacht des Unternehmens Wiener Rotes Kreuz/Grünes Kreuz so weit steigen könnte, dass sie von der WGKK oder anderen Krankenkassen nunmehr gleiche Tarife für Transporte des Wiener Roten Kreuzes und des Grünen Kreuzes fordern könnten.

c) In den Märkten Transportdienstleistungen für den Ärztenotdienst, Rettungstransporte und Kurswesen ist auf Grund der marginalen Marktanteilsadditionen und der geringen vorhandenen Marktanteile durch den Zusammenschluss nicht von einer Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung auszugehen.

d) Die Märkte in Niederösterreich und der Steiermark:

Die Marktstellung des Österreichischen Roten Kreuzes, das mit seinen Landesverbänden eine wirtschaftliche Einheit bildet, ist in den Bundesländern herausragend. Die Marktanteile in Niederösterreich und der Steiermark für Krankentransporte und für Rettungstransporte sind sehr hoch. Die Zielgesellschaft hat jeweils nur sehr geringe Marktanteile. Durch die Übernahme würden jedoch der Restwettbewerb weiter geschwächt und die Anzahl an alternativen Bezugsquellen weiter verringert. Dazu kommt, dass die sehr hohen Marktanteile des übernehmenden Unternehmens für sich allein ein Nachweis für das Vorhandensein einer marktbeherrschenden Stellung sein können. In Niederösterreich würde nur mehr der Arbeiter-Samariter-Bund am Markt für Krankentransporte und für Rettungstransporte als signifikanter Wettbewerber übrig bleiben. In der Steiermark blieben am Markt für Transportdienste inklusive Rettungsdienste nur der (namensgleiche) Verein Grünes Kreuz und der Arbeiter-Samariter-Bund als Wettbewerber bestehen. Taxiunternehmen als gewerbliche Anbieter von Krankenbeförderung in Niederösterreich und der Steiermark sind in ihrer Wichtigkeit mit der Leitstelle in Wien nicht zu vergleichen.

I) Gegengewichtige Marktmacht:

Die Krankenkassen, insbesondere die WGKK, können bis zu einem gewissen Ausmaß als Nachfrager die negativen Folgen der Marktbeherrschung verhindern. Die Abgeltung der Transporte erfolgt nämlich zum Einen überwiegend über die Krankenkassen, im Speziellen über die WGKK. Sie sind daher als Abnehmer für den Anbieter wirtschaftlich so bedeutend, dass ein möglicher Verlust des Abnehmers nicht kurzfristig durch die Akquirierung anderer Kunden kompensiert werden könnte. Zum Anderen stehen den Krankenkassen mit dem Arbeiter-Samariter-Bund, den Johannitern, den Maltesern, dem Sozialmedizinischen Dienst und den gewerblichen Anbietern über die Leitstelle Bezugsalternativen zur Verfügung, die den jeweiligen Segmenten des Marktes gleichwertig sind und über ausreichende Kapazitäten verfügen. Die Nachfragemacht der Krankenkassen wird auch nach der Fusion bestehen bleiben, da sie in allen Segmenten des Marktes in signifikantem Ausmaß Transportdienstleistungen nachfragen.

Die gegengewichtige Marktmacht der Krankenkassen allein kann aber die wettbewerbsrechtlichen Probleme des Zusammenschlusses nicht lösen. Wie bereits ausgeführt steigt durch die Fusion im Markt für Krankentransporte und Krankenbeförderungen in Wien der gemeinsame Marktanteil der fusionierenden Parteien auf über 30%. Insbesondere sind folgende Problemkreise betroffen:

a) Kooperationsvertrag der Leitstelle mit dem Grünen Kreuz:

Die gegengewichtige Marktmacht seitens der WGKK ist hier nicht ausreichend, um das wettbewerbliche Problem zu beheben, da es bei einer Aufkündigung des Kooperationsvertrages durch das Grüne Kreuz – zumindest bis ein gleichwertiger Ersatz gefunden wird – zu signifikanten Einbußen für die Leitstelle als Maverick auf diesem Markt kommen könnte. Um dies zu verhindern, ist eine lückenlose Weiterführung der Kooperation in Form eines einseitigen Kündigungsverzichts seitens des Grünen Kreuzes für den Vertrag zwischen der **** GmbH und dem Grünen Kreuz erforderlich.

b) Verhandlungsmacht:

Die Krankenkassen, insbesondere die WGKK, verfügen über erhebliche Verhandlungsmacht. Dennoch würden sie für den Fall, dass Transporte nach dem Zusammenschluss unter dem selben Namen „Rotes Kreuz“ durchgeführt würden, nicht unterschiedliche Tarife für die gleichen Transporte bezahlen können. Daher ist zu erwarten, dass die Wiener Gebietskrankenkasse und die übrigen Krankenkassen nach dem Zusammenschluss einem einheitlichen Tarif zustimmen würden müssten. Die Fortführung des Grünen Kreuzes unter eigenständiger Marke, Firma und weisungsungebundener Geschäftsführung behebt dieses Problem.

c) Marktbeherrschende Stellung in den Bundesländern Niederösterreich und Steiermark:

Nach dem Zusammenschluss wäre die Marktstellung des fusionierten Unternehmens so herausragend, dass die gegengewichtige Marktmacht nicht ausreichen würde, um die wettbewerblichen Probleme zu lösen.

Da das Wiener Rote Kreuz und die anderen Landesverbände des Österreichischen Roten Kreuzes eine wirtschaftliche Einheit bilden, würde die Marktstellung des fusionierten Unternehmens Österreichisches Rotes Kreuz/Grünes Kreuz in den Bundesländern Niederösterreich und Steiermark so herausragend sein, dass der Restwettbewerb weiter geschwächt und die Anzahl an alternativen Bezugsquellen weiter verringert werden würde. Dieses wettbewerbliche Problem kann nur dadurch behoben werden, dass nur die Übernahme des Teilbetriebs in Wien, jedoch nicht jene der Teilbetriebe Steiermark und Rettung Niederösterreich erfolgt.


 

Die im Spruch angeführten Auflagen lösen die dargestellten wettbewerblichen Probleme (GA ON 17 und mündliche Erörterung ON 21).

Rechtliche Beurteilung:

Da die Schwellenwerte des § 9 Abs 1 KartG überschritten sind, begründet der angemeldete Erwerbsvorgang einen Zusammenschluss nach § 7 Abs 1 Z 1 KartG. Die Umsatzschwellen des Art 1 der EU-Fusionskontroll-Verordnung werden nicht erreicht.

Gemäß § 12 Abs 1 KartG hat das Kartellgericht dann, wenn die Prüfung eines Zusammenschlusses beantragt wurde,

1. den Antrag zurückzuweisen, wenn kein anmeldepflichtiger Zusammenschluss vorliegt,

2. den Zusammenschluss zu untersagen, wenn zu erwarten ist, dass dadurch eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird, oder wenn dies nicht der Fall ist,

3. auszusprechen, dass der Zusammenschluss nicht untersagt wird.

Gemäß § 12 Abs 3 KartG kann das Kartellgericht den Ausspruch, dass der Zusammenschluss nicht untersagt wird, mit entsprechenden Beschränkungen oder Auflagen verbinden, wenn die Voraussetzungen sonst nicht gegeben sind. Die Auflagen oder Beschränkungen setzen das Einverständnis der beteiligten Unternehmen voraus (Urlesberger/Haid in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG § 12 Rz 70). Die von den Zusammenschlusswerbern angebotenen Auflagen, denen die Amtsparteien uneingeschränkt zustimmten, reichen aus, um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken gegen den angemeldeten Zusammenschluss zu beseitigen. Auf Basis dieser Auflagen liegt daher kein Grund für eine Untersagung vor.


Ausdruck vom: 29.03.2024 15:50:01 MEZ