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Kategorie:

Zusammenschluss

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

24 Kt 9/16b


Bekannt gemacht am:

13.03.2018

Entscheidungsdatum:

19.04.2017


Der Antrag, das Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht möge gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG gegen die TÜV SÜD Landesgesellschaft Österreich GmbH, FN 37799m, in 6200 Jenbach, Tiwagstraße 7, ein Bußgeld in angemessener Höhe gemäß § 30 KartG verhängen, weil die Antragsgegnerin den am 9.12.2014 bei der Bundeswettbewerbsbehörde angemeldeten Zusammenschluss BWB/Z-2526, wonach die TÜV SÜD Landesgesellschaft Österreich GmbH 50% der Anteile an der TÜV SÜD SZA Technische Prüf GmbH zu erwerben beabsichtige, durch Vornahme einer Firmenbucheintragung zur Änderung der Beteiligungsverhältnisse an der Zielgesellschaft TÜV SÜD SZA Technische Prüf GmbH, die nach Annahme des Übernahmeangebots und der Zustellung der Annahmeerklärung des Kaufangebotes erfolgte, bereits am 28.10.2014, sohin vor der Anmeldung des Zusammenschlusses bei der Bundeswettbewerbsbehörde und damit vor Wegfall des Durchführungsverbots am 8.1.2015, durchführte und damit für diesen Zeitraum gegen § 17 KartG verstoßen habe, wird

a b g e w i e s e n .
Begründung:

Unstrittig und mit den vorgelegten Urkunden (Beil./A bis ./F und ./1 bis ./8) in Einklang stehend ist folgender Sachverhalt:

Die Antragsgegnerin und die Schweißtechnische Zentralanstalt (in der Folge kurz: „SZA“) waren bis Oktober 2014 jeweils 50 %ige Gesellschafter der zu FN 178884s eingetragenen Zielgesellschaft (in der Folge auch kurz: „TÜV Süd SZA“ bzw TÜV Süd SZA Technische Prüf GmbH, vormals TÜV BAYERN SZA Technische Prüf GmbH).

Die SZA ist 2013 in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Die Antragsgegnerin wurde im Herbst 2013 informiert, dass der Abschlussprüfer der SZA den Bestätigungsvermerk für den Jahresabschluss 2012 versagen wollte. Um diesen zu erhalten, hat die SZA die Antragsgegnerin ersucht, sie möge ihr Kaufinteresse an der Beteiligung der SZA an der Zielgesellschaft durch ein verbindliches Übernahmeanbot mit einer längerfristigen Bindungsdauer bis April 2015 dokumentieren. Dieser Vorschlag hatte die SZA mit ihrem Abschlussprüfer abgestimmt. Eine Annahme des Übernahmeangebotes wollte die SZA jedoch nur in Erwägung ziehen, wenn die finanziellen Schwierigkeiten nicht auch ohne Verkauf des Geschäftsanteils bewältigt werden konnten. Ende 2013 rechnete die Antragsgegnerin aufgrund dieser Mitteilung nicht mit einer (jedenfalls nicht mit einer zeitnahen) Annahme des Übernahmeangebots zum Erwerb der Geschäftsanteile der SZA an der Zielgesellschaft durch die SZA.

Zur Zeit der Errichtung des Abtretungsvertrages wurde die Frage, ob unter Einrechnung von Umsätzen von weltweiten Konzernunternehmen es zu einer Überschreitung der Umsatzschwellen des § 9 Abs 1 Z 2 KartG 2005 im Jahr 2012 kommen könne, nicht erörtert. Wäre diese Frage erörtert und geprüft worden, so hätte sich herausgestellt, dass die maßgeblichen Umsatzschwellen im Jahr 2012 bei weitem nicht erreicht wurden und auch eine Überschreitung im Jahr 2013 nicht absehbar war.

Bei der Errichtung des Notariatsaktes zum Übernahmeangebot Ende Oktober 2013 war neben dem errichtenden Notar nur der Geschäftsführer der Antragsgegnerin anwesend. Damals wurden kartellrechtliche Fragen nicht erörtert.

Die Antragsgegnerin hat am 30.10.2013 ein Übernahmeangebot hinsichtlich der der SZA gehörigen 50 %‑Anteile an der Zielgesellschaft abgegeben.

Schon zu dieser Zeit und davor war die Antragsgegnerin in der Lage, Entscheidungen des Mitgesellschafters zu blockieren und auch gegen den Willen des Mitgesellschafters im Aufsichtsrat und in der Generalversammlung durchzusetzen.

- Der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft bestand aus vier Mitgliedern, wobei jeder der beiden Gesellschafter das Recht hatte, je zwei Mitglieder zu entsenden. Ein von der Antragsgegnerin entsandtes Mitglied hatte den Vorsitz im Aufsichtsrat (§ 16 Abs 2 des Gesellschaftsvertrags Beil./7). Aufsichtsratsbeschlüsse wurden nach dem Gesellschaftsvertrag der Zielgesellschaft mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst, wobei bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden des Aufsichtsrats den Ausschlag gab.

- Nach § 20 des Gesellschaftsvertrages der Zielgesellschaft wurden Beschlüsse in der Generalversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst; im Falle eines konträren Stimmverhaltens der Gesellschaftervertreter der SZA und der Antragsgegnerin war die Stimme der Antragsgegnerin ausschlaggebend. Ausgenommen von diesem Dirimierungsrecht waren nur solche Beschlussgegenstände der Generalversammlung, für die nach dem Gesetz eine qualifizierte Mehrheit erforderlich war (Beil./7).

- Der Geschäftsführer der Antragsgegnerin DI Michael Hahn war auch schon vor dem Anteilserwerb einziger selbständig zeichnungsberechtigter Geschäftsführer der Zielgesellschaft (Beil./8).

Durch das Übernahmeangebot ist keine Änderung im operativen Geschäft oder in der Praxis der Gesellschafter, auf das operative Geschäft der Zielgesellschaft Einfluss zu nehmen, erfolgt. Die Geschäfte wurden nach der Erstellung des Übernahmeangebots weiter geführt wie vorher. Weder in der Geschäftsführung noch in der Besetzung des Aufsichtsrates traten Änderungen ein.

Dass die SZA im Oktober 2014 beabsichtigte, das Übernahmeangebot der Antragsgegnerin anzunehmen, hat die Antragsgegnerin erst unmittelbar vor Errichtung der entsprechenden Annahmeerklärung informativ erfahren. Mit Notariatsakt (errichtet vom Notar Dr. Brix) vom 23.10.2014 (Beil./3) hat die SZA eine formwirksame Annahmeerklärung abgegeben, die der Antragsgegnerin zu einem nicht mehr konkret feststellbarem Zeitpunkt, aber zeitnah, zugestellt wurde.

Die Rechtsvertreter der SZA haben damals von sich aus einen Antrag auf Eintragung einer Gesellschafteränderung im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien vorbereitet, der am 28.10.2014 dem Geschäftsführer DI Michael Hahn zur Unterzeichnung vorgelegt und von diesem unterschrieben wurde. Am 6.11.2014 wurde der Firmenbuchantrag von den Rechtsvertretern der SZA beim Firmenbuch eingebracht und dort am 29.11.2014 eingetragen. Kartellrechtliche Fragen wurden aus Anlass der Vorbereitung und der Unterzeichnung des Antrages auf Eintragung der Änderung im Stand der Gesellschafter der Zielgesellschaft zwischen dem Geschäftsführer DI Hahn und den Rechtsvertretern der SZA nicht erörtert.

Nach Erhalt der Annahmeerklärung hat die Antragsgegnerin den Kaufpreis an die SZA überwiesen. Gegenüber der Zielgesellschaft kam es weiterhin zu keinen Änderungen im operativen Geschäft oder den langfristigen strategischen Planungen gegenüber der bisherigen Praxis. Es gab keine Informationen darüber an Dritte und es wurden keine Gesellschafterversammlungen abgehalten oder Gesellschafterbeschlüsse im Umlaufverfahren etc gefasst.

Am 26.11.2014 hat in der Kanzlei der Antragsgegnervertreter eine Besprechung mit Repräsentanten der Antragsgegnerin stattgefunden. Dabei sollten gesellschaftsrechtliche Maßnahmen zur Umsetzung des durch die Annahmeerklärung der SZA zustande gekommenen Abtretungsvertrages, insbesondere Änderungen im Aufsichtsrat und eine Änderung des Gesellschaftsvertrages, besprochen werden. Der Antragsgegnervertreter hat aus Anlass dieser Besprechung auf die seiner Meinung nach zu prüfende Notwendigkeit, den Abtretungsvertrag als Zusammenschluss bei der Bundeswettbewerbsbehörde anzumelden und erst dann die beabsichtigten gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen durchzuführen, hingewiesen.

In den Tagen nach dieser Konferenz erfolgte auf Grundlage des Beratungsgesprächs eine nochmalige Prüfung der Inlandsumsätze durch die Antragsgegnerin und die Konzern M & A Abteilung der TÜV SÜD AG in München unter Einbeziehung der von europäischen Konzernunternehmen erzielten Umsätze mit österreichischen Abnehmern und es wurde mit der Vorbereitung der Anmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde begonnen. Von der Konzern M & A Abteilung der TÜV SÜD AG in München wurde die Kanzlei der Antragsgegnervertreter mit weitergehenden Informationen versorgt, die zur Ausarbeitung der Zusammenschlussanmeldung erforderlich waren. Es wurde veranlasst, dass auch allfällige Umsätze außereuropäischer Konzernunternehmen mit österreichischen Gesellschaften (oder mit ausländischen Gesellschaften, die eine Leistungserbringung in Österreich verlangt haben) ermittelt werden. Dazu musste, weil die Überschreitung der Schwelle für Inlandsumsätze immer noch nicht eindeutig war, bei allen internationalen Beteiligungsgesellschaften auch ein von der Rechnungsadresse abweichender Ort der Leistungserbringung abgefragt werden. Parallel dazu wurde die Zusammenschlussanmeldung fertiggestellt, die schließlich am 9.12.2014 bei der Bundeswettbewerbsbehörde überreicht wurde. Dass tatsächlich insbesondere durch die Einrechnung von im Jahr 2013 erwirtschafteten Umsätze außereuropäischer Konzerngesellschaften mit österreichischen Abnehmern die maßgebliche Umsatzschwelle des § 9 Abs 1 Z 2 KartG 2005 überschritten wurde, konnte erst unmittelbar vor der Fertigstellung der Anmeldung des Zusammenschlussvorhabens festgestellt werden.

Am 12.12.2014 hat eine Aufsichtsratssitzung der Zielgesellschaft stattgefunden, bei der alle Mitglieder des Aufsichtsrats anwesend waren. Dabei wurde vom Aufsichtsratsvorsitzenden insbesondere erörtert, dass die Entscheidung der Kartellbehörde abgewartet werde, erst dann würden die weiteren Schritte (zB Änderung des Gesellschaftsvertrags, Auflösung des Aufsichtsrats, abschließende Sitzung usw) in Angriff genommen (Beilage ./4).

Im gesamten Zeitraum seit Bekanntwerden der Annahmeerklärung bis zur kartellrechtlichen Freigabe durch Mitteilung der Antragstellerin, dass weder der Bundeskartellanwalt noch die Bundeswettbewerbsbehörde einen Antrag auf Prüfung des Zusammenschlusses vor dem Kartellgericht stellen werden, hat die Antragsgegnerin keine Handlungen gesetzt, mit denen tatsächlich die mit dem Abtretungsvertrag erworbenen alleinigen (positiven) Kontrollrechte über die Zielgesellschaft ausgeübt wurden oder in anderer Weise als Alleingesellschafter auf die Geschäftstätigkeit oder Unternehmensplanung der Zielgesellschaft Einfluss genommen, als dies schon vor dem Übernahmeangebot der Fall war.

Am 29.12.2014 wurde der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass die Bundeswettbewerbsbehörde prüfen werde, ob es sich bei dem gegenständlichen Zusammenschluss um eine verbotene Durchführung handle, weil der Zusammenschluss wohl schon mit der Annahme des Übernahmeangebots durch die SZA am 23.10.2014 bzw spätestens mit der Zustellung der Annahmeerklärung an die Antragsgegnerin wenige Tage später zustande gekommen sei.

Am 8.1.2015 wurde den Zusammenschlusswerbern (des Zusammenschlussvorhabens BWB Z-2526) mitgeteilt, dass weder der Bundeskartellanwalt noch die Antragstellerin einen Antrag auf Prüfung des Zusammenschlusses vor dem Kartellgericht stellen werde (Erklärung gemäß § 11 Abs 4 KartG 2005).

Diese Feststellungen gründen auf dem zwischen den Streitteilen unstrittigen Tatsachenvorbringen der Parteien, das mit den vorgelegten Urkunden im Einklang steht.

Nach einem Verbesserungsauftrag beantragte die Antragstellerin wie aus dem Spruch ersichtlich. Sie führte dazu rechtlich im Wesentlichen aus, dass von ihr als verbotene Durchführungshandlung die Firmenbucheintragung zur Änderung der Beteiligungsverhältnisse an der Zielgesellschaft gesehen werde, die bereits am 28.10.2014 erfolgt sei und vor Wegfall des Durchführungsverbots am 8.1.2015 geschehen sei (s ON 7). Der Antrag auf Eintragung der Änderung der Beteiligungsverhältnisse im Firmenbuch reflektiere den vollzogenen Anteilswechsel. Der Auffassung der Antragsgegnerin, Vollzug und Durchführung eines Zusammenschlusses könnten zeitlich wie logisch auseinanderklaffen, sei aufs Nachdrücklichste entgegenzutreten. Das Verhalten der Zielgesellschaft sei jedenfalls dem erwerbenden Unternehmen zuzurechnen, zumal das zu bewertende Verhalten im Zusammenschluss seinen Ursprung gehabt habe. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin schon vor dem Zusammenschluss eine 50%-ige Beteiligung am Zielunternehmen gehalten, sodass sie sich das Verhalten auch als Muttergesellschaft zurechnen lassen müsse. Außerdem sei die Antragsgegnerin Rechtsnachfolgerin des Zielunternehmens, das sich das Handeln des Zielunternehmens jedenfalls zurechnen lassen müsse.

Trotz der nur deklarativen Bedeutung der Eintragung eines Eigentümerwechsels bei einer GmbH in das Firmenbuch hätte unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes die Anmeldung der Übertragung der Geschäftsanteile unterlassen werden müssen, selbst wenn diese nicht mit einer tatsächlichen Ausübung des Einflusses verbunden gewesen sei. Auf Grund der Öffentlichkeit des Firmenbuches müsse ein Dritter darauf vertrauen können, dass die eingetragenen Tatsachen der Richtigkeit entsprechen. Das Vollzugsverbot nach § 17 KartG soll die leichte Durchsetzbarkeit einer möglichen Untersagungsentscheidung sichern und Schwierigkeiten bei nachträglichen Rückänderungen vermeiden. Es seien somit keine Handlungen erlaubt, die die Umsetzung des Vorhabens bewirkten oder zumindest in Gang setzten.

In rechtlicher Hinsicht brachte die Antragsgegnerin im Wesentlichen vor, dass die Anmeldung der Änderung im Stand der Gesellschafter beim Firmenbuch nach § 26 GmbHG nicht die Verletzung des Durchführungsverbots bewirke, weil die Anmeldung iSd § 17 KartG 2005 kein Vollzugsgeschäft des Zusammenschlussvertrages sei und keine Auswirkungen auf die Wettbewerbsverhältnisse gehabt hätte. Entscheidend sei, ob der Erwerber Handlungen gesetzt habe, die tatsächlich Einfluss auf die Wettbewerbsverhältnisse am relevanten Markt gehabt hätten oder zumindest geeignet gewesen wären, einen solchen Einfluss auszuüben. Im gegenständlichen Fall sei dies jedoch nicht der Fall gewesen. Der Antrag nach § 26 GmbHG sei ein Formalakt. Die Eintragung eines Eigentümerwechsels bei einer GmbH in das Firmenbuch habe nur deklarative Bedeutung, weil weder der wirksame Erwerb eines Geschäftsanteils von der Eintragung im Firmenbuch abhängig sei, noch die Eintragung eines Gesellschafters zum Eigentumserwerb am Geschäftsanteil führe.

Die Zielgesellschaft sei nicht Teil des Zusammenschlussvertrages und weder zur Anmeldung berechtigt noch unterliege sie dem Durchführungsverbot. Eine Handlung der Zielgesellschaft könne das Durchführungsverbot nicht verletzen, auf die Rechtsnachfolge könne es rechtlich nicht ankommen.

Das Kartellgericht habe in seiner Entscheidung vom 13.12.1999, 25 Kt 257, 367/99, ausgeführt, dass die Erlangung einer Beherrschungsmöglichkeit nicht zwingend gleichzusetzen sei mit der Durchführung eines Zusammenschlusses. Sobald die Beherrschungsmöglichkeit hergestellt sei, gelte der Zusammenschluss zwar als zustande gekommen, die Durchführung des Zusammenschlusses sei davon aber gedanklich zu trennen. Diese erfolge erst, „wenn von dem beherrschenden Einfluss [...] erstmals in einer die Wettbewerbsverhältnisse berührenden Weise Gebrauch gemacht wird“. Das sei nach der in dieser Entscheidung vertretenen Auffassung, die einen mit der gegenständlichen Rechtssache vergleichbaren Sachverhalt betroffen habe, erst mit der Ausübung der erworbenen Stimmrechte der Fall gewesen und nicht schon mit der Eintragung der Änderung im Stand der Gesellschafter im Firmenbuch. Die Antragsgegnerin habe von den erworbenen Stimmrechten aber erst Gebrauch gemacht, nachdem der Zusammenschluss freigegeben worden sei.

Nach Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG6 § 7 Rz 49, verwirkliche die Aufstockung einer Beteiligung von 50% auf über 50% einen Zusammenschlusstatbestand, wenn es damit zu einer Änderung der Kontrollverhältnisse in der Zielgesellschaft komme. Die allfällige Verhängung eines Bußgeldes gegen die Antragsgegnerin bedürfe einer abschließenden rechtlichen Klärung der Rechtsfrage, ob der bloße Wechsel der Antragsgegnerin von negativer alleinigen Kontrolle zur positiven alleinigen Kontrolle über die Zielgesellschaft überhaupt einen anmeldepflichtigen Zusammenschlusssachverhalt verwirklicht habe (dies verneinend Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG6 § 7 Rz 83). Folge man den in Österreich führenden Autorenmeinungen, dass in diesem Fall keine Anmeldeverpflichtung bestehe, sei eine Verletzung des Durchführungsverbots nicht denkbar und in dieser Rechtssache § 17 KartG 2005 nicht anwendbar. Durch den Erwerb der restlichen Geschäftsanteile habe die Antragsgegnerin positive alleinige Kontrolle erworben. Zuvor habe sie – seit Gründung der Gesellschaft – negative alleinige Kontrolle gehabt. An dem Umstand, dass schon deshalb das auf diesen Zusammenschluss nicht anwendbare Durchführungsverbot nicht verletzt werden hätte können, ändere auch die Tatsache, dass der Zusammenschluss angemeldet worden sei, nichts.

Zu allfälligen Bußgeldbemessungsgründen führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, dass nach erfolgter Anmeldung kein Prüfungsantrag beim Kartellgericht gestellt worden sei und sohin mangels Vorliegens eines Untersagungstatbestandes bloß eine Formvorschrift verletzt worden sei. Sollte eine Rechtsverletzung der Antragsgegnerin überhaupt stattgefunden haben und sollte diese vorwerfbar sein, so sei die Dauer einer allfälligen Rechtsverletzung sehr kurz gewesen. Die verzögerte Anmeldung habe keinerlei Auswirkungen auf den Wettbewerb in Österreich gehabt. Es sei keine Bereicherung eingetreten. Wenn überhaupt sei der Antragsgegnerin nur ein geringes Verschulden anzulasten, weil die maßgeblichen Inlandsumsätze iSd § 9 Abs 1 Z 2 KartG im Jahr 2012 nur schwer erkennbar gewesen sei.

Es existiere keine kartellrechtliche Vorschrift, die den Zeitpunkt der Anmeldung der Änderung im Stand der Gesellschafter einer GmbH regle. Die Notwendigkeit der Anmeldung eines Gesellschafterwechsels bei der GmbH ergebe sich aus § 26 GmbHG und dem FBG (§ 5 Z 6). Firmenbuchrechtlich sei die Anmeldung der Anteilsveränderung beim Firmenbuch verfrüht gestellt worden. Das bewirke jedoch keine Verletzung des Durchführungsverbotes.

Der Antrag auf Eintragung der Änderung der Beteiligungsverhältnisse im Firmenbuch könne schon abstrakt keine Vollzugshandlung sein, weil der Antrag weder von der Antragsgegnerin veranlasst worden sei und auch Dritte davon keine Kenntnis erlangt hätten. Folge man den – rechtlich unrichtigen – Überlegungen der BWB, könnte höchstens die Veröffentlichung der im Firmenbuch vorgenommenen Eintragung der Änderung im Stand der Gesellschafter in der Wiener Zeitung ein maßgeblicher Zeitpunkt sein, nicht jedoch der Zeitpunkt der Antragstellung. Die Eintragung sei mit Beschluss vom 28.11.2014 bewilligt worden, die Veröffentlichung dürfte zeitgleich mit dem Wegfall des Durchführungsverbots zusammengefallen sein.

Die Durchführung eines Zusammenschlusses iSd § 17 KartG 2005 müsse nicht mit der Erlangung der wirtschaftlichen Einflussmöglichkeit allein zusammenfallen. Jedenfalls sei dies dann nicht der Fall, wenn es nur zur Eintragung der Änderung im Stand der Gesellschafter vor kartellrechtlicher Freigabe komme, solange der erwerbende Gesellschafter von seinem Stimmrecht keinen Gebrauch mache, insbesondere weil die Änderung im Stand der Gesellschafter materiell auf die Rechtsposition des neuen Gesellschafters schon abstrakt keinen Einfluss habe, da sie nur deklarative Bedeutung habe.

Da die Antragsgegnerin schon vor dem strittigen Anteilserwerb in der Lage war, strategische Entscheidungen der anderen Gesellschafter zu verhindern, hatte sie schon die alleinige negative Kontrolle über die Zielgesellschaft. Durch den Anteilserwerb habe kein Kontrollwechsel stattgefunden; die Antragsgegnerin habe, was die Kontrolle über die Zielgesellschaft betreffe, durch den Anteilserwerb keine „zusätzlichen Kontrollrechte“ erworben, allenfalls könne man die gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen dahingehend interpretieren, dass die Antragsgegnerin von negativer alleiniger Kontrolle zur positiven alleinigen Kontrolle gewechselt habe.

Rechtlich ergibt sich aus dem eingangs festgestellten Sachverhalt Folgendes:

Der Antragsgegnerin kann keine Verletzung des Durchführungsverbots des § 17 KartG 2005 vorgeworfen werden, weil die Vornahme einer Firmenbucheintragung zur Änderung der Beteiligungsverhältnisse nur deklarative Wirkung hat (Wiener Kommentar zum GmbH-Gesetz § 26 Rz 15) und die Antragsgegnerin nach Annahme ihres Übernahmeangebots von den von der SZA erworbenen Stimmrechte bis zur Freigabe des angemeldeten Zusammenschlusses am 8.1.2015 keinen Gebrauch gemacht hat. Vor Freigabe des verfahrensgegenständlichen Zusammenschlusses ist dieser daher auch nicht durchgeführt worden. Es liegt deswegen jedenfalls keine Zuwiderhandlung gegen das Durchführungsverbot nach § 17 KartG 2005 vor, sodass auch der Geldbußentatbestand nach § 29 Z 1 lit a KartG 2005 nicht erfüllt ist.

Im Hinblick auf den von der BWB vorgeworfenen - kurzen - „Deliktszeitraum“, die offensichtliche Untersagungsferne des Zusammenschlusses, weil kein grobes Verschulden und keine Bereicherung der Antragsgegnerin vorgelegen hat und weil schließlich die Antragsgegnerin die Zusammenschlussanmeldung aus eigenem unternommen hat, mangelt es auch an der „Strafbarkeit“.

Ob der Wechsel von der negativen zur positiven alleinigen Kontrolle ein anmeldepflichtiger Zusammenschluss sei, kann daher jedenfalls dahingestellt bleiben.“


Ausdruck vom: 16.04.2024 23:14:06 MESZ