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Kategorie:

Zusammenschluss

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

26 Kt 103/13


Bekannt gemacht am:

11.03.2015

Entscheidungsdatum:

15.01.2014


Der von der Antragsgegnerin am 25.7.2013 bei der Antragstellerin zu deren Zahl BWB/Z-2087 angemeldete Zusammenschluss wird nicht untersagt.

 

Begründung:

 

I. Gegenstand der Anmeldung und Parteien des Zusammenschlussvorhabens:

Die Antragsgegnerin beabsichtigt den Erwerb alleiniger Kontrolle an der Jeitler-Fida Aufzüge GmbH (im Folgenden: Jeitler-Fida).

 

Die Antragsgegnerin ist ein Unternehmen der UTC-Gruppe, an deren Spitze United Technologies Corporation (im Folgenden: UTC) steht. UTC, die oberste Muttergesellschaft der Antragsgegnerin, ist ein multinationales Unternehmen mit Sitz in den USA, das an der New Yorker Börse notiert und weltweit Hochtechnologie-Produkte und -Dienstleistungen in der Haus- und Gebäudesystemtechnik sowie für die Luft- und Raumfahrtsindustrie erbringt. Die UTC-Gruppe umfasst die folgenden wesentlichen Unternehmensdivisionen: (i) UTC Aerospace Systems, (ii) UTC Climate, Controls & Security, (iii) Sikorsky Aircraft, (iv) Otis Elevator Company und (v) Pratt & Whitney.

 

Die Antragsgegnerin ist in der Errichtung und Servicierung von Aufzügen tätig.

Jeitler-Fida ist in Österreich im Bereich der Errichtung und Servicierung von Aufzügen tätig. Sie steht gegenwärtig im Eigentum von MAC-PUAR CIM, S.L. (zu 30 %), Gerhard Jeitler (zu ca 50,5 %) und Andreas Fida (zu ca 19,5 %). Jeitler-Fida selbst hält keine Beteiligungen.

 

Im Geschäftsjahr 2012 haben die Zusammenschlussparteien folgende (konsolidierte) Umsätze (in EUR) erzielt:

 

               weltweit        EU         Österreich

 

UTC            ca 45 Mrd     ca 8 Mrd    142 Mio

 

Jeitler-Fida   5,5 Mio      5,5 Mio     5,5 Mio

 

II. Vorbringen:

Die Antragstellerin brachte zu ihrem am 22.8.2013 überreichten Prüfungsantrag im Wesentlichen vor, dass die Europäische Kommission im Rahmen des „Aufzugs- und Fahrtreppen“-Kartellverfahrens (Case COMP/E-1/38.823) von folgenden Geschäftsbereichen ausgegangen sei: Neuerrichtung von Aufzügen, Neuerrichtung von Fahrtreppen, Wartung und Reparatur von Aufzügen und Fahrtreppen, Modernisierung von Aufzügen und Fahrtreppen im jeweiligen Mitgliedsland. Im Verfahren 25 Kt 12/07 sei das Kartellgericht von folgenden Produkten und Dienstleistungen ausgegangen: Neuanlagengeschäft für Aufzüge und Fahrtreppen, Wartung und Reparatur von Aufzügen und Fahrtreppen, Modernisierung von Aufzügen und Fahrtreppen.

 

Jeitler-Fida biete diese Produkte und Dienstleistungen, nämlich Errichtung, Wartung und Reparatur sowie Modernisierung, ausschließlich im Zusammenhang mit Aufzügen, nicht jedoch mit Fahrtreppen an. Das deutsche Bundeskartellamt sei in der jüngsten Vergangenheit von einem sachlichen Markt für Aufzugsneuanlagen und einem Markt für Wartung und Reparatur von Aufzügen ausgegangen. Bis Mitte der 90-er Jahre habe es einen einheitlichen sachlichen Markt für beide Geschäftsbereiche, also Errichtung von Neuanlagen sowie Wartung und Reparatur, definiert.

 

Da gleichzeitig mit der Neuerrichtung von Anlagen langfristige Wartungsverträge abgeschlossen würden, könnte ein einheitlicher Markt für die Neuerrichtung und Servicierung von Aufzügen als sachgerecht angesehen werden. Im vorliegenden Fall spiele dies jedoch keine Rolle, weil die geschätzten Marktanteile der vier größten in Österreich tätigen Unternehmen sowohl bei der Neuerrichtung als auch bei der Servicierung von Aufzügen gemeinsam jedenfalls über 80 % lägen; dies sei auch bei einer allfälligen regionalen Abgrenzung „Niederösterreich/Wien“ der Fall.

Am österreichischen Aufzugsmarkt bestehe eine sehr hohe Marktkonzentration. Gemäß § 4 Abs 2 und Abs 2a KartG sei eine kollektive Marktbeherrschung der vier größten Unternehmen, zu denen neben der Antragsgegnerin Schindler (einschließlich Haushahn und Doppelmayr), Kone und ThyssenKrupp gehörten, auf sämtlichen in Betracht kommenden Märkten (Neuerrichtung von Aufzügen in Österreich; Servicierung von Aufzügen in Österreich; Servicierung von Aufzügen in Niederösterreich/Wien) zu vermuten.

Jeitler-Fida sei auf denselben sachlichen und geografischen Märkten wie die Antragsgegnerin tätig. Durch den geplanten Zusammenschluss würde die kollektive Marktbeherrschung noch weiter verstärkt.

 

Die Aufzugs- und Fahrtreppenbranche sei in der Vergangenheit durch nicht funktionierenden Wettbewerb geprägt gewesen. Jeitler-Fida sei in den letzten Jahren erfolgreich am Markt aktiv gewesen, 2013 werde das beste Ergebnis der Unternehmensgeschichte erzielt werden. Durch den geplanten Zusammenschluss würde ein wichtiger Wettbewerber abseits der vier marktbeherrschenden Unternehmen wegfallen, was eine weitere Reduktion des Wettbewerbs zur Folge hätte. Die verbleibenden Anbieter würden in diesem hoch konzentrierten Markt – insbesondere regional – unter noch geringerem Preisdruck stehen.

 

Die Antragsgegnerin brachte zum Prüfungsantrag im Wesentlichen vor, dass der Erwerb von Jeitler-Fida nicht geeignet sei, eine marktbeherrschende Stellung der Antragsgegnerin zu begründen oder zu verstärken. Die Antragstellerin stelle in den Raum, es würde sich bei Jeitler-Fida um einen „wichtigen Wettbewerber“ handeln. Abgesehen davon, dass geringerer Preisdruck nicht mit der Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung gleichzusetzen sei, betrage der Marktanteil von Jeitler-Fida selbst nach den Erhebungen der Antragstellerin höchstens [0-5] % (in der „Servicierung von Aufzügen in Niederösterreich/Wien“). Neben Jeitler-Fida gebe es eine Vielzahl von diversifizierten Wettbewerbern, von denen ein sehr starker Preisdruck ausgehe.

Jeitler-Fida spiele keine wesentliche Rolle am Markt, sodass der Preisdruck nicht von ihr abhänge; folglich sei der Zusammenschluss auch nicht geeignet, den Preisdruck zu reduzieren. Ursache des Preisdrucks sei vielmehr der von Ausschreibungen gekennzeichnete Markt mit einer Vielzahl von Wettbewerbern. Durch den Erwerb alleiniger Kontrolle an Jeitler-Fida durch die Antragsgegnerin werde schon aus diesem Grund eindeutig keine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt.

 

Die Voraussetzungen für die von der Antragstellerin behauptete kollektive Marktbeherrschung seien nicht erfüllt. Der Rechtsbegriff der gemeinsamen Marktbeherrschung entspreche dem ökonomischen Konzept der stillschweigenden Kollusion. Nach der europäischen Rechtsprechung müssten für das Bestehen einer solchen stillschweigenden Kollusion bzw gemeinsamen Marktbeherrschung eine Reihe von Voraussetzungen vorliegen:

 

* Die betreffenden Wettbewerber müssten leicht in der Lage sein, zu einem gemeinsamen Verständnis über die Funktionsweise ihrer Koordinierung und insbesondere über die zu koordinierenden Parameter zu finden.

 

* Zudem müssten sie in der Lage sein, die Koordinierung aufrecht zu erhalten. Dazu sei es unter anderem erforderlich, dass eine ausreichende Markttransparenz bestehe, damit jedes beteiligte Unternehmen mit hinreichender Genauigkeit und Schnelligkeit die Entwicklung des Verhaltens aller anderen an der Koordinierung Beteiligten auf dem Markt in Erfahrung bringen könne.

 

* Es müsse einen Abschreckungsmechanismus geben, der glaubwürdig sei und im Fall eines abweichenden Verhaltens ausgelöst werden könne.

 

* Überdies dürften die Reaktionen von Dritten, wie etwa von derzeitigen oder potenziellen Wettbewerbern oder auch Kunden, den voraussichtlichen Effekt der Koordinierung nicht in Frage stellen.

 

All dies sei hier eindeutig nicht der Fall. Weder der Markt für die Errichtung von neuen Aufzügen noch der Servicemarkt wiesen die genannten Merkmale auf. Aufzüge seien nämlich ein geradezu klassisches Beispiel für inhomogene Produkte. Überdies bestünden zwischen den vier angeblichen Marktbeherrschern erhebliche Unterschiede hinsichtlich des Umfangs ihrer Tätigkeiten im Aufzugsbereich. Selbst wenn die Mitglieder des angeblichen Oligopols in der Lage wären, sich auf ein Marktergebnis zu einigen, müssten sie zur Aufrechterhaltung einer solchen stillschweigenden Koordination in der Lage sein, abweichendes Verhalten zu entdecken; eine derartige effektive Überwachung sei aber in Anbetracht der Inhomogenität der Produkte unmöglich. Das Fehlen von Transparenz resultiere auch aus der Kundenstruktur auf den Aufzugsmärkten (sowohl Neuerrichtung als auch Servicierung), weil jedes der angeblich marktbeherrschenden Unternehmen Aufzüge und Serviceleistungen an eine Vielzahl von Kunden verkaufe. Verhandlungen, insbesondere Nachverhandlungen, und die daraus resultierenden Bedingungen würden normalerweise nicht bekannt. Überdies verfügten öffentliche Auftraggeber wie auch große Generalunternehmer und Wohnbaugesellschaften über erhebliche Nachfragemacht.

Jeitler-Fida sei keinesfalls ein „Maverick“, der die unterstellte stillschweigende Koordinierung der „Big 4“ (Otis, Kone, Schindler und ThyssenKrupp) in der Vergangenheit verhindert oder gestört hätte und dessen Erwerb folglich die Entstehung oder Verstärkung einer (kollektiven) marktbeherrschenden Stellung befürchten ließe. Bei Verneinung dieser Frage könne deshalb die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung durch den Zusammenschluss ausgeschlossen werden, ohne dass es hiefür einer endgültigen Marktdefinition oder der Feststellung, ob bereits zuvor eine (kollektiv) marktbeherrschende Stellung bestehe, bedürfte.

Sogar im Segment „Servicierung von Aufzügen in Wien und Niederösterreich“ liege der bestehende HHI [= Herfindahl-Hirschmann-Index] unter 2.000 und das Delta nur äußerst knapp über 150. Bezogen auf Österreich wäre die Erhöhung des HHI im Übrigen noch geringfügiger, weil Jeitler-Fida sowohl in der Neuerrichtung als auch in der Servicierung nur einen Marktanteil von [0-5] % erreiche.

 

Ebenso wenig hätte der Zusammenschluss spürbare Auswirkungen auf die Symmetrie zwischen den angeblich marktbeherrschenden Unternehmen. Unter Zugrundelegung der Servicierung in Wien und Niederösterreich erhöhe sich vielmehr der Abstand zwischen der Antragsgegnerin und den anderen angeblich marktbeherrschenden Unternehmen (wenn auch nicht signifikant). Bei österreichweiter Betrachtung wären die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Symmetrie der Anbieter in Anbetracht der geringen Größe von Jeitler-Fida (mit einem Marktanteil von nur [0-5] %) ohnehin unbeachtlich.

 

III. Beweisaufnahmen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in die vorgelegten Urkunden (Beilagen ./A bis ./C und ./1 bis ./19) und Einholung eines Gutachtens der Sachverständigen Ao. Univ.-Prof. Dr. Eva Pichler (ON 14 samt Ergänzungen ON 33, ON 35 und ON 38).

 

IV. Feststellungen:

 

1. Zur Marktabgrenzung:

 

1.1. Sachlich relevante Märkte:

Sachlich von einander abzugrenzen sind (wie auch nach der im Aufzugs- und Fahrtreppen-Kartellverfahren COMP/E-1/38-823 ergangenen Entscheidung der Europäischen Kommission) zunächst der Markt für die Neuerrichtung von Aufzugsanlagen und jener für die Wartung und Reparatur (= Servicierung) von Aufzügen.

 

Zum daneben bestehenden sachlichen Markt für die Modernisierung von Aufzügen können keine Feststellungen getroffen werden (modifiziertes Gutachten ON 35 S. 8).

 

1.1.1. Markt für die Neuerrichtung von Aufzugsanlagen:

Als Nachfrager nach neuen Aufzugsanlagen treten Bauträger, öffentliche Unternehmer sowie private Immobilieneigentümer auf. Sie sind grundsätzlich informiert, weil sie immer wieder derartige Produkte erwerben, und sie verfügen in vielen Fällen über erhebliche Nachfragemacht; die Gemeinde Wien, Immobilienfonds, große (und auch mittelgroße) Hausverwaltungen oder Bauträger sind nicht „kleine“ Kunden, denen ein Preis einfach diktiert werden kann.

 

Nichtsdestoweniger sind die Anreize der Nachfrager oftmals, wie insbesondere bei der Gemeinde Wien, Hausverwaltungen oder Bauträgern, systematisch verzerrt, weshalb die Nachfrage stark unelastisch ist. So verfolgen etwa Bauträger grundsätzlich andere Interessen als die Nutzer der Wohnungen, die die Liftkosten tragen; ihr Ziel ist es, die Herstellungskosten gering zu halten, weil diese den Gewinn direkt beeinflussen. Die Folgekosten für die Aufzugswartung spielen bestenfalls eine sekundäre Rolle.

Den Nachfragern steht grundsätzlich eine Vielzahl von Unternehmen für die Neuerrichtung sowie die Wartung und Reparatur von Aufzugsanlagen gegenüber, und zwar neben den vertikal integrierten „Big 4“ (Otis, Schindler, Kone und ThyssenKrupp) diverse kleine und mittlere Unternehmen, die sich zwar erfolgreich am Markt etabliert haben, aber wenig in Konkurrenz zu den „Big 4“ treten, sondern als Nischenanbieter agieren. Die tatsächlichen Substitutionsmöglichkeiten der Nachfrager sind deshalb gering.

Bei Aufzugsanlagen kann grundsätzlich zwischen Standard- und Spezialaufzügen unterschieden werden:

 

Standardaufzüge (rund 80 % aller Aufzüge) sind Personenaufzüge in Standardgröße (zB 8 Personen, 930 kg Nutzlast, oder 13 Personen, 1000 kg Nutzlast etc).

 

Dem gegenüber erfordern Spezialaufzüge aufgrund ihrer Größe, der Art der Kabine oder der baulichen Umstände Spezialanfertigungen. Darunter fallen etwa Kleinlastenaufzüge, Hebebühnen, Autoaufzüge oder Personenaufzüge mit besonderen Ausmaßen oder Bauteilen.

 

Die Standardaufzüge werden zumeist von den „Big 4“ hergestellt. Diese sind vertikal integriert und beziehen fast alle Bestandteile aus eigener Erzeugung. Die Komponenten (Kabine, Hydraulik, Motoren, Stahlbauelemente für den Schacht, elektronische Steuerung, Tragmittel etc) werden in verschiedenen Ländern produziert und in eigens darauf spezialisierten Werken nach Bestellung zusammengebaut; dabei werden die vom Kunden gewünschten technischen Spezifikationen realisiert, zB Türöffnungsrichtung, Art der Steuerung, Energieeffizienzklasse etc. Bei derartigen Standardaufzügen handelt es sich also nicht um Produkte „von der Stange“, die etwa auf Lager gehalten werden könnten; dennoch ist der Begriff „Standardaufzug“ zutreffend, weil die Vielfalt der Produktionsmöglichkeiten dieser Aufzüge begrenzt ist und bestimmte Grundkonstellationen (Kabinengröße, Gewicht etc) invariabel sind.

Die Produktion in vertikal integrierten Unternehmen unterliegt starken Skalen- und Verbundeffekten, weshalb die vertikal integrierten Unternehmen kostengünstig produzieren können. Der Markteintritt in diesem Segment dürfte sich schwierig gestalten, zumal die etablierten Unternehmen („incumbents“) ein erhebliches technisches Know-how akkumuliert haben.

 

Standardaufzüge können aber auch von „kleinen“, nicht vertikal integrierten Unternehmen erzeugt werden. Diese kaufen zum Teil die einzelnen Komponenten in verschiedenen Unternehmen ein und bauen sie selbst zusammen. Bei Standardaufzügen sind sie den vertikal integrierten Unternehmen jedoch preislich unterlegen; allerdings bieten auch kleine Unternehmen immer wieder Standardaufzüge an. In diesem Marktsegment ist der Marktzutritt offen; so sind im Jahr 2006 die Aufzüge Friedl GmbH und die Aufzugstechnik Webhofer GmbH in den Markt eingetreten und im Jahr 2009 die Lödige GmbH.

Bei Standardaufzügen existieren somit nebeneinander verschiedene Herstellungsmethoden: Die „Big 4“ erzeugen die Maschinen vertikal integriert zur Gänze selbst und bauen sie auch selbst vor Ort ein. Andere Aufzugsunternehmen kaufen fertige Aufzüge von Drittunternehmen und bauen diese vor Ort ein. Wieder andere Unternehmen kaufen die unterschiedlichen Komponenten von diversen Herstellern und übernehmen den Zusammenbau vor Ort oder in einer eigenen Werkstätte in Eigenregie. So findet sich ein breites Spektrum an Produktionsmethoden am Markt.

 

Die Herstellung von Spezialaufzügen ähnelt grundsätzlich jener der Standardaufzüge, allerdings unterliegt diese Produktion deutlich geringeren Skaleneffekten. Die „Big 4“ können in diesem Markt nicht die gleichen Kostenvorteile wie im Standardaufzugsmarkt lukrieren, was diesen Markt für „kleine“ Unternehmen deutlich attraktiver als für große macht. Aufgrund der Kostenstrukturen spezialisieren sich die „Big 4“ tendenziell auf Standardaufzüge und die „kleinen“ Unternehmen auf Spezialaufzüge. Trotzdem werden auch Spezialaufzüge von den großen, vertikal integrierten Unternehmen angeboten, die diese (bzw deren Bestandteile) – wie ihre Konkurrenten - am Markt einkaufen.

 

Ob die beiden Aufzugstypen (Standard- und Spezialaufzüge) demselben Markt oder verschiedenen Märkten zuzurechnen sind, ist nach dem „hypothetischen Monopoltest“ zu beantworten. Demnach ist das entscheidende Kriterium für das Vorliegen eines separaten Marktes, ob ein hypothetischer Monopolist die Preise auf dem Markt um zumindest 5 bis 10 % über das Wettbewerbsniveau anheben würde; in diesem Fall wäre dieser Teilmarkt es „wert, monopolisiert zu werden“. Die relevante Frage ist hier damit, ob bei einer Preissteigerung der Standardaufzüge von 5 bis 10 % ein ausreichend großer Teil der Konsumenten auf Spezialanfertigungen umsteigen würde. Dies ist zu verneinen: Spezialaufzüge sind erheblich teurer als Standardaufzüge, ein Ausweichen würde zu noch höheren Kosten führen, ohne in den meisten Fällen den Wert des Produkts für den Nachfrager zu steigern. Bei Spezialaufzügen können Skaleneffekte nicht genutzt werden, die Produktionskosten liegen weit oberhalb jener der Standardaufzüge.

 

Demgemäß umfasst der Markt für die Neuerrichtung von Aufzugsanlagen zwei Segmente (Standard- und Spezialaufzüge), die als eigene Märkte abzugrenzen sind, obwohl diese Segmente durch ein Kontinuum an Produkten und Produktionsmöglichkeiten verbunden sind.

 

Die „Big 4“ bieten überwiegend Standardaufzüge an, auf diese sind sie am stärksten spezialisiert und hier liegen ihre stärksten Wettbewerbsvorteile. Der Großteil der von der Antragsgegnerin eingebauten Lifte sind Standardaufzüge.

 

1.1.2. Markt für Wartung und Reparatur von Aufzugsanlagen:

 

Bei diesem Markt handelt es sich um einen klassischen „aftermarket“. Aufzüge sind dauerhafte Güter, die einer laufenden Wartung bzw des Kaufs von Ersatzteilen bedürfen. Diese – nicht auf Aufzüge beschränkte – Situation wird als Phänomen des „aftermarket“ bezeichnet. Immer wieder kommt es auf den „aftermarkets“ zu überhöhten Preisen, weil bei Servicedienstleistungen und Ersatzteilen eine Abhängigkeit vom Produzenten gegeben sein kann („lock-in-Effekt“), der für eine entsprechende Preisgestaltung ausgenützt wird. Dabei hat der Produzent Anreiz, die spätere Abhängigkeit der Konsumenten von vornherein zu planen, zB durch den Einbau von Komponenten, die nur der Originalhersteller liefern kann. Eine bekannte Praxis besteht in der Bindung der Herstellergarantie an die Inanspruchnahme von Serviceleistungen der eigenen Serviceeinrichtungen.

 

Von derartigen Strategien sind nicht nur die Konsumenten betroffen, die überhöhte Preise zu zahlen haben, sondern auch andere Unternehmen, die am Servicemarkt tätig sein wollen und durch die exklusiven Beziehungen zwischen den Produzenten der langlebigen Güter und den Konsumenten „an den Rand gedrängt“ werden.

 

Auf dem Servicemarkt ist zwischen zwei Typen von Aufzügen (bzw nach der darin verbauten Steuerungstechnologie) zu unterscheiden:

 

Technologisch ältere Aufzüge sämtlicher Anbieter sowie die meisten Aufzüge, die von „kleinen“ (vertikal nicht integrierten) Unternehmen am Markt gebaut werden, können von jedem Serviceunternehmen gewartet werden: Ersatzteile sind am Markt zu kompetitiven Preisen zu kaufen und in den meisten Fällen leicht erhältlich.

Demgegenüber wird die Wartung technologisch jüngerer Aufzüge (bis zu einem Alter von maximal 15 Jahren) der „Big 4“ aus drei Gründen praktisch nur von jenem Unternehmen übernommen, das den Aufzug gebaut hat. Erstens müssen Ersatzteile als Originalteile vom Hersteller der Aufzüge erworben werden, andere Produkte können aus Kompatibilitätsgründen in vielen Fällen nicht verwendet werden. Dies gilt strikt für Komponenten der elektronischen Steuerung oder zB bestimmte Gurte; hingegen werden mechanische Teile teilweise auch von anderen Unternehmen nachgebaut und sind daher erhältlich. Die proprietären Ersatzteile werden zu weit überhöhten Preisen angeboten, was die Kosten des Konkurrenzunternehmens erhöht und damit dem Produzenten einen Spielraum in seiner Preisgestaltung verschafft. Insbesondere bei Fehlern in der Steuerung, dem „Hirn“ des Aufzugs, treten Probleme auf. Die Steuerungen sind durch Codes geschützt, die Eigentum des Originalherstellers sind. Der Austausch der gesamten Steuerung ist finanziell unattraktiv.

 

Ein weiteres strategisches Mittel, den Ersatzteilmarkt von Konkurrenz abzuschotten, liegt darin, Ersatzteile generell durch eine schikanöse Geschäftspraktik schwer verfügbar zu machen, lange Wartezeiten (Lieferzeiten) einzuführen und oftmals „irrtümlich“ falsche Teile zu liefern.

Drittens bestehen viele Auftraggeber von vornherein darauf, dass die Aufzüge nur von den Herstellern selbst gewartet werden, die Preissensitivität der Nachfrage ist extrem gering. Aufträge für Neubau oder Erneuerungen werden automatisch mit langfristigen Wartungsverträgen (10 Jahre mit automatischer Verlängerung) gekoppelt.

 

Diese genannten Faktoren führen dazu, dass die beiden Märkte als voneinander abgegrenzt zu definieren sind. Eine Preissteigerung im Markt für Servicierung und Reparatur technologisch neuerer Aufzüge von 5 bis 10 % über dem kompetitiven Niveau ist zumindest möglich, weil die Preispolitik bei Ersatzteilen die Kosten der Konkurrenz erhöht und einen Spielraum bei der Preisgestaltung eröffnet.

 

1.2. Örtlich relevanter Markt:

 

Aufzüge haben in den meisten Fällen dann eine dreijährige Garantie, wenn sie auch von dem Unternehmen gewartet werden, das sie gebaut hat. Insofern erfordert bereits der Bau des Aufzugs einen Servicebetrieb vor Ort, weil von den Auftraggebern erwartet wird, dass allfällige Störungen binnen kurzer Frist beseitigt werden. Dies gilt umso mehr für Wartungsverträge.

 

Der räumlich relevante Markt ist daher nicht nur in Bezug auf die Servicierung (in beiden Teilsegmenten), sondern auch hinsichtlich des (gesamten) Neubaumarkts auf die Region Wien/Niederösterreich einzugrenzen, zumal der Schwerpunkt der Servicierung durch Jeitler-Fida den Wiener Raum betrifft.

 

2. Zu den Marktanteilen der Zusammenschlussparteien:

 

2.1. Neuerrichtung von Aufzugsanlagen:

 

Bezogen auf die Gesamtzahl der in ganz Österreich neu errichteten Aufzüge (ohne Differenzierung zwischen Standard- und Spezialaufzügen) ist für das Jahr 2012 von folgenden Marktanteilen auszugehen:

in %

gesamt 100

 

Otis [10-15]

 

Jeitler-Fida [0-5]

 

Schindler [30-35]

 

Kone [30-35]

 

ThyssenKrupp [15-20]

 

andere [5-10]

Der kumulierte Marktanteil der vier größten Unternehmen („K4“) beträgt also [85-90] % und spiegelt damit die Marktstruktur eines engen Oligopols wider.

Rund 85 % der neuerrichteten Aufzüge sind Standardaufzüge. Die Antragsgegnerin produziert rund den Großteil ihrer Aufzüge im Segment „Standard“. Bei den weiteren großen Unternehmen (Schindler, Kone und ThyssenKrupp) sind die neu errichteten Aufzüge ebenfalls großteils Standardaufzüge.

Daraus errechnet sich für das Jahr 2012 eine Anzahl von 3.150 in ganz Österreich neu gebauten Standardaufzügen. In diesem Marktsegment stellen sich die Marktanteile – für ganz Österreich – wie folgt dar:

in %

Otis [10-15]

Schindler [30-35]

Kone [30-35]

ThyssenKrupp [15-20]

andere (inkl. [5-10]

Jeitler-Fida)

Im räumlich tatsächlich relevanten Markt (Wien und Niederösterreich) sind die Marktanteile in etwa ident mit den soeben angeführten.

Bei den Spezialaufzügen ist – ausgehend von einer geschätzten Anzahl von 550 Neubauten im Jahr 2012 – für ganz Österreich von folgenden Marktanteilen auszugehen:

in %

Otis [0-5]

Schindler [20-25]

Kone [25-30]

ThyssenKrupp [10-15]

andere (inkl. [35-40]

Jeitler-Fida)

Im räumlich relevanten Markt (Niederösterreich/Wien) bestehen jedenfalls keine höheren Marktanteile der „Big 4“ bzw der Antragsgegnerin als in ganz Österreich.

2.2. Wartung und Reparatur:

Im Jahr 2012 stellte sich das Auftragsvolumen hinsichtlich der Servicierung von Aufzugsanlagen, bezogen auf ganz Österreich und ohne Differenzierung zwischen älteren und jüngeren Aufzügen, wie folgt dar:

in %

gesamt 100

Otis [25-30]

Jeitler-Fida [0-5]

Schindler [20-25]

         Kone [15-20]

        ThyssenKrupp [15-20]

In der Region Wien/Niederösterreich ist im Jahr 2012 – wiederum ohne Differenzierung zwischen älteren und jüngeren Aufzügen – von folgenden Marktanteilen auszugehen:

Otis [25-30] %

Jeitler-Fida [0-5] %

Schindler [25-30] %

Kone [15-20] %

Thyssen-Krupp [10-15] %

Im Segment der Servicierung von technologisch jüngeren Aufzügen ist der Marktanteil der Antragsgegnerin schon jetzt über 30 %; jener von Jeitler-Fida ist hingegen deutlich geringer als [0-5] %, weil es sich bei den von Jeitler-Fida gewarteten Aufzügen ganz überwiegend nicht um technologisch jüngere der „Big 4“ handelt.

 

3. Zu den möglichen Auswirkungen des Zusammenschlusses:

 

3.1.Markt für Aufzugsneubauten

 

3.1.1. Standardaufzüge:

Der Zusammenschluss der Antragsgegnerin mit Jeitler-Fida verändert die Marktanteile und die Marktkonzentration in diesem Segment nur geringfügig, weil Jeitler-Fida ein kleines Unternehmen ist.

Der Marktstellung eines derart kleinen Unternehmens wird dennoch bei der Prüfung von Unternehmenszusammenschlüssen besondere Aufmerksamkeit geschenkt, wenn es eine besonders aktive Rolle als Herausforderer („Maverick“) der am Markt eingesessenen Unternehmen übernimmt.

Als „Maverick“ wird ein an einer Fusion beteiligter „Einzelgänger“ angesehen, der in der Vergangenheit die Koordinierung verhindert oder gestört hat, indem er etwa Preiserhöhungen seiner Wettbewerber nicht nachvollzogen hat oder dessen besondere Merkmale ihm Anreize dafür geben, andere strategische Entscheidungen als seine sich koordinierenden Wettbewerber zu treffen.

Um am Markt ein Verhalten zu zeigen, das den Beschreibungen eines „Maverick“ entspricht, müsste ein Unternehmen besondere Kostenstrukturen und/oder ein Produktportfolio aufweisen, die ihn von anderen abheben, weil ein solches Verhalten ansonsten irrational bzw nicht erklärbar wäre.

Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass Jeitler-Fida über außergewöhnliche Kostenstrukturen verfügt. Das Unternehmen hat zwar ein Lager, aber keine Produktionsstätte. Bei der Neuerrichtung eines Aufzugs werden die Teile von verschiedenen Zulieferern direkt auf die Baustelle geliefert und dort zusammengebaut. Neben dem Neubaugeschäft ist Jeitler-Fida vor allem in der Servicierung und Modernisierung von Aufzügen aktiv. Damit agiert sie genau auf jenen drei Märkten, in denen die Mehrheit der Aufzugsunternehmen aktiv ist.

Der (bisherige) Betriebserfolg der Jeitler-Fida spricht nicht dafür, dass sie mit marktunüblich niedrigen Kosten ausgestattet wäre. Das Ausmaß, in dem Jeitler-Fida bisher bei Ausschreibungen Gebote der Antragsgegnerin unterboten hat, ist unauffällig. Andere kleine Wettbewerber treten am Markt wesentlich aggressiver auf.

Es existiert somit kein Hinweis darauf, dass Jeitler-Fida eine neuartige Produktions- oder Wartungstechnologie entwickelt hätte, die vermuten ließe, sie würde die Position eines „Maverick“ einnehmen. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin Jeitler-Fida kaufen möchte, um sich eines besonders aggressiven Wettbewerbers zu entledigen.

 

Zusammenfassend kann also keine Rede davon sein, dass der Erwerb von Jeitler-Fida durch die Antragsgegnerin kausal für eine Reduktion der Wettbewerbsintensität am Aufzugsmarkt – und damit für eine Verstärkung der (allfälligen) marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin auf dem Marktsegment Neuerrichtung von Standardaufzügen - wäre.

 

3.1.2. Spezialaufzüge:

Auf dem Teilmarkt für die Neuerrichtung von Spezialaufzügen verfügt die Antragsgegnerin weder bereits jetzt über einen Marktanteil von 30 % oder mehr, noch wird dies nach der Fusion der Fall sein.

 

3.2. Markt für Wartung und Reparatur:

 

3.2.1 Ältere Aufzüge:

Auf dem Teilmarkt für die Servicierung von älteren Aufzügen wird die Antragsgegnerin auch nach dem Erwerb von Jeitler-Fida keinen Marktanteil von 30 % oder mehr haben.

 

3.2.2. Technologisch jüngere Aufzüge:

Auf dem Markt für die Servicierung von technologisch jüngeren Aufzügen der „Big 4“ könnte die Antragsgegnerin ihre Marktposition nur indirekt dadurch verstärken, dass sie – nach Übernahme der Wartungsverträge der Jeitler-Fida - die erhöhte Chance hat, im Fall einer Entscheidung der Eigentümer für eine Modernisierung dieser Aufzugsanlagen den entsprechenden Auftrag zu erhalten. Sofern die Antragsgegnerin mit der Modernisierung eines (technologisch älteren) Aufzugs beauftragt wird, hat sie nämlich – anders als im Zuge der bloßen Wartung der Aufzugsanlage – prinzipiell die Möglichkeit, proprietäre Teile, also solche einzubauen, die es anderen Aufzugsunternehmen schwer oder gar unmöglich machen, den Aufzug zu warten.

Es kommt immer wieder vor, dass Hausverwaltungen einen Modernisierungsauftrag ohne vorherige Ausschreibung an jenes Aufzugsunternehmen vergeben, das aktuell mit der Wartung der Anlage betraut ist. In allen anderen Fällen wird regelmäßig das mit der Wartung beauftragte Unternehmen als eines von (mindestens) drei Aufzugsunternehmen zur Legung eines Angebots eingeladen.

 

Unter den Prämissen, (i) dass der Markt für technologisch jüngere Aufzüge – ausgehend von einer aktuellen Bestandsgröße von 8.000 derartigen Aufzugsanlagen - in den Folgejahren jeweils um 10 % (bezogen allerdings auf den Ausgangswert von 8.000) wachsen wird und (ii) dass die Antragsgegnerin in den nächsten fünf Jahren – einen gleichbleibenden Marktanteil haben wird, ergeben sich folgende Zahlen:

 

gesamt                  Anteil von Otis

 

2014    8.000           [25-35 %]

 

2015    8.800           [25-35 %]

 

2016    9.600          [25-35 %]

 

2017    10.400        [25-35 %]

 

2018    11.200       [25-35 %]

 

Unterstellt man weiters, dass bei geplanter Modernisierung in 50 % der Fälle keine Ausschreibung erfolgt und in den restlichen 50 % der Fälle die Wahrscheinlichkeit, dass das mit der Wartung des Aufzugs betraute Unternehmens den Modernisierungsauftrag erhält, bei 60 % liegt, besteht insgesamt eine Wahrscheinlichkeit von 80 %, dass dieses Unternehmen mit der Modernisierung beauftragt wird.

 

Legt man diese Wahrscheinlichkeit zugrunde und geht man überdies davon aus, dass pro Jahr 5 % der bestehenden (älteren) Aufzugsanlagen modernisiert werden, ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin pro Jahr für 4 % der Aufzugsanlagen, die derzeit von Jeitler-Fida gewartet werden, einen Modernisierungsauftrag erhalten wird.

 

Daraus folgt, dass die Antragsgegnerin durch Übernahme der von Jeitler-Fida akquirierten Wartungsverträge (in Bezug auf ältere Aufzugsanlagen) von rund 1.150 pro Jahr [0-50] (zusätzliche) Modernisierungsaufträge erhalten – und diese dann allenfalls „abschotten“ - kann.

 

Dadurch wird sich der – konservativ angenommene – Marktanteil der Antragsgegnerin von 30 % vergrößern.

 

Tatsächlich ist allerdings davon auszugehen, dass die Marktanteile der Antragsgegnerin am Neuanlagenmarkt ungeachtet des Zusammenschlusses in den nächsten Jahren sukzessive sinken werden, weil sie zu hohe Preise verlangt. Unter der Annahme einer jährlichen Reduktion ihrer Marktanteile um 1 % wird die Antragsgegnerin im Jahr 2018 am Wartungsmarkt in Bezug auf technologisch jüngere Aufzüge nur noch einen Marktanteil von [25-30] % haben.

 

V. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf der Zusammenschlussanmeldung (Beilage ./A) sowie dem unwiderlegten, in der Tagsatzung vom 8.1.2014 ergänzten Sachverständigengutachten.

 

VI. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 12 Abs 1 KartG hat das Kartellgericht dann, wenn die Prüfung eines Zusammenschlusses beantragt wurde, 1. den Antrag zurückzuweisen, wenn kein anmeldepflichtiger Zusammenschluss vorliegt, 2. den Zusammenschluss zu untersagen, wenn zu erwarten ist, dass dadurch eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird, oder, wenn dies nicht der Fall ist, 3. auszusprechen, dass der Zusammenschluss nicht untersagt wird.

Es liegt ein anmeldebedürftiger Zusammenschluss vor, weil die Schwellenwerte des § 9 Abs 1 KartG überschritten sind. Das angemeldete Vorhaben begründet einen Zusammenschluss nach § 7 Abs 1 Z 1 KartG.

Gemäß § 4 Abs 1 KartG ist ein Unternehmer marktbeherrschend, wenn er als Anbieter oder Nachfrager

 

1. keinem oder nur einem unwesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder

 

2. eine im Verhältnis zu den anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat; dabei sind insbesondere die Finanzkraft, die Beziehungen zu anderen Unternehmern, die Zugangsmöglichkeiten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten sowie die Umstände zu berücksichtigen, die den Marktzutritt für andere Unternehmer beschränken.

 

Zwei oder mehr Unternehmer sind gemäß § 4 Abs 1a KartG marktbeherrschend, wenn zwischen ihnen ein wesentlicher Wettbewerb nicht besteht und sie in ihrer Gesamtheit die Voraussetzungen des Abs 1 erfüllen.

Gemäß § 4 Abs 2 KartG trifft einen Unternehmer, der als Anbieter oder Nachfrager am gesamten inländischen Markt oder einem anderen örtlich relevanten Markt

 

1. einen Anteil von mindestens 30 % hat oder

 

2. einen Anteil von mehr als 5 % hat und dem Wettbewerb von höchstens zwei Unternehmern ausgesetzt ist oder

 

3. einen Anteil von mehr als 5 % hat und zu den vier größten Unternehmern auf diesem Markt gehört, die zusammen einen Anteil von mindestens 80 % haben,

 

die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen nach § 4 Abs 1 KartG nicht vorliegen.

Das Beweisverfahren hat ergeben, dass die Antragsgegnerin auf den von der Sachverständigen abgegrenzten Teilmärkten für die Neuerrichtung von Spezialaufzügen und für die Servicierung von technologisch älteren Aufzügen weder derzeit marktbeherrschend ist noch dies durch den Zusammenschluss wird.

Auf dem Teilmarkt für die Neuerrichtung von Standardaufzügen sind angesichts der Tatsache, dass die vier größten Unternehmen (einschließlich der Antragsgegnerin) über 80 % der Marktanteile auf sich vereinigen, die Marktbeherrschungsvermutung des § 4 Abs 2 Z 3 KartG erfüllt. Ob die Antragsgegnerin tatsächlich marktbeherrschend ist, muss hier allerdings gar nicht näher untersucht werden, weil eine allfällige marktbeherrschende Stellung der Antragsgegnerin durch die Fusion jedenfalls nicht verstärkt wird und es sich beim Zielunternehmen auch nicht um einen „Maverick“ handelt.

 

Auf dem Teilmarkt für die Wartung von technologisch jüngeren Aufzügen schließlich ist nach den Feststellungen die (widerlegliche) Marktbeherrschungsvermutung des § 4 Abs 2 Z 1 KartG erfüllt. Auch hier kann dahingestellt bleiben, ob der Antragsgegnerin tatsächlich eine marktbeherrschende Stellung zukommt: Das Beweisverfahren hat nämlich ergeben, dass der von der Sachverständigen – auf für die Antragsgegnerin durchaus ungünstigen Prämissen – errechnete mögliche Marktanteilszuwachs der Antragsgegnerin durch die „Abschottung“ von bisher von Jeitler-Fida gewarteten Aufzugsanlagen (nach Erlangung eines Modernisierungsauftrags, im Zuge dessen „proprietäre Teile“ eingebaut werden) verschwindend gering ist. Da die Sachverständige überdies ausgeführt hat, dass in Wahrheit ungeachtet der Fusion von einer sukzessiven Reduktion der Marktanteile der Antragsgegnerin (auch) auf dem Wartungsmarkt auszugehen ist, kann keinesfalls gesagt werden, dass die allfällige marktbeherrschende Stellung der Antragsgegnerin auf diesem Teilmarkt durch den Zusammenschluss (relevant) verstärkt würde; ebenso wenig besteht ein Anhaltspunkt dafür, dass die Antragsgegnerin durch die Fusion erstmals eine marktbeherrschende Stellung erlangen würde.

Somit liegt – ungeachtet der „Empfehlung“ im schriftlichen Sachverständigengutachten - schon auf Basis der im Rahmen der Gutachtenserörterung getätigten ergänzenden Ausführungen der Sachverständigen kein Grund für eine Untersagung des angemeldeten Zusammenschlusses vor. Demgemäß waren die von der Antragsgegnerin zur Widerlegung bestimmter Prämissen der Sachverständigen beantragten weiteren Beweisaufnahmen (Einvernahme des Zeugen Gerhard Gruner und des Geschäftsführers Udo Hoffmann) entbehrlich.“


Ausdruck vom: 18.04.2024 23:35:29 MESZ