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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

29 Kt 159/13


Bekannt gemacht am:

01.07.2014

Entscheidungsdatum:

13.03.2014


 

 

 

"Über die Antragsgegnerinnen wird gemäß § 29 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG ein Bußgeld in der Höhe von jeweils EUR 8.800,-- wegen verbotener Durchführung eines Zusammenschlusses im Zeitraum 21.12.2012 bis 19.6.2013 verhängt.

 

 

 

 

Begründung:

Die Bundeswettbewerbsbehörde stellte den Antrag, über die Antragsgegnerinnen wegen Verstoßes gegen das Durchführungsverbot des § 17 KartG gem § 29 Z 1a KartG eine Geldbuße von jeweils EUR 8.800,-- zu verhängen.

Die Antragsgegnerinnen hätten am 21.12.2012 Minderheitsbeteiligungen an Fender Musical Instruments, einem Hersteller von Gitarren, Elektrogitarren, Elektrobässen und Verstärkern erworben. Die beteiligten Unternehmen hätten im Jahr 2012 (die Zweitantragsgegnerin von Juli 2011 bis Juni 2012) folgende Umsätze erzielt:

Weltweit: Erstantragsgegnerin EUR [20-70] Mrd, Zweitantragsgegnerin EUR [400-900] Mio, Zielunternehmen EUR [300-700] Mio;

EU-weit: Erstantragsgegnerin EUR [1-20] Mrd, Zweitantragsgegnerin keine Umsätze, Zielunternehmen EUR [50-250] Mio;

Österreichweit: Erstantragsgegnerin EUR [30-60] Mio, Zweitantragsgegnerin keine Umsätze, Zielunternehmen EUR [1-3] Mio.

Die erworbenen Beteiligungen lägen zwar jeweils unter 25%, die Stimmrechte hätten aber hinsichtlich der Zweitantragsgegnerin ab Dezember 2012 und hinsichtlich der Erstantragsgegnerin ab März/April 2013 25% überstiegen. Außerdem hätten die Antragsgerinnen im Zuge der Restrukturierung im Dezember 2012 Vetorechte hinsichtlich der Besetzung der Unternehmensleitung des Zielunternehmens erworben. Beide Antragsgegnerinnen hätten das Recht gehabt, jeweils [einen Teil der] Mitglieder des Verwaltungsrats ("board of directors") zu nominieren und die übrigen [...] Mitglieder gemeinsam zu ernennen.

Im Zuge von Pränotifizierungskontakten mit der EU-Kommision im Zusammenhang mit einem weiteren Refinanzierungsvorhaben hätten die Antragsgegnerinnen bemerkt, dass sie bereits im Dezember 2012 gemeinsame Kontrolle über das Zielunternehmen erworben hätten. Am 19.6.2013 seien deshalb die Bestell- und Vetorechte sowie die im März/April erworbenen Stimmrechte beseitigt worden. Zu Wiedereinführung dieser Sonderrechte hätten die Antragsgegnerinnen im November 2013 einen Verweisungsantrag bei der Kommission gestellt, weil das Vorhaben zwar keine gemeinschaftsweite Bedeutung iSd § 1 FKVO habe, aber die Anmeldevoraussetzungen in fünf EWR-Ländern, darunter auch Österreich, erfüllt seien. Am 20.11.2013 habe die Kommission der Bundeswettbewerbsbehörde die Zusammenschlussanmeldung zugestellt.

Der Zusammenschluss erfülle den Tatbestand des § 7 Abs 1 Z 5 KartG. Durch das Recht, die Zusammensetzung der Unternehmungsleitung zu bestimmen, hätten die Antragsgegnerinnen gemeinsam einen beherrschenden Einfluss auf das Zielunternehmen gewonnen. Die Durchführung des Zusammenschlusses zwischen 21.12.2012 und 19.6.2013 ohne Freigabe durch die österreichischen Wettbewerbsbehörden habe daher dem Durchführungsverbot nach § 17 KartG widersprochen.

Die Höhe der Geldbuße müsse zum Ausdruck bringen, dass die Unterlassung von Zusammenschlussanmeldungen kein "Kavaliersdelikt" sei. Ansonsten sprächen die Umstände im Einzelfall für eine geringe Geldbuße. Die Antragsgegnerinnen hätten aus eigenem Antrieb an der Aufklärung mitgewirkt, die Dauer der Rechtsverletzung habe sich auf wenige Monate beschränkt, das Verschulden sei als leicht zu qualifizieren und eine besondere Bereicherung sei nicht festzustellen.

Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde an.

Die Antragsgegnerinnen stellten das oben angeführte Tatsachenvorbringen der Bundeswettbewerbsbehörde außer Streit und erklärten zu akzeptieren, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Verhängung einer Geldbuße wegen Verletzung des Vollzugsverbots gegeben seien. Sie wiesen aber darauf hin, dass keine der Wettbewerbsbehörden in den anderen EWR-Mitgliedsstaaten, in denen der Kontrollerwerb anmeldepflichtig gewesen wäre, eine Geldbuße festgesetzt hätten. Diese Vorgangsweise habe sich für diese Behörden in einem Fall mit einem so geringen Unrechtsgehalt offenbar angeboten, weil damit die Bereitschaft der Unternehmen gefördert werde, unbeabsichtigte und erst im Nachhinein bemerkte Gesetzesverstöße gegenüber den Kartellbehörden freiwillig offen zu legen.

Da gegen die Richtigkeit des somit unstrittigen Sachverhalts keine Bedenken bestehen, waren iSd § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG keine weiteren Erhebungen durchzuführen.

In rechtlicher Hinsicht ist der Bundeswettbewerbsbehörde zuzustimmen, dass die Transaktion in Österreich anmeldebedürftig war und die Durchführung vor einer Freigabe durch die österreichischen Wettbewerbsbehörden gegen das Durchführungsverbot des § 17 Abs 1 KartG verstößt. Die Umsatzschwellenwerte des Art 1 FKVO werden nicht erreicht, jene des § 9 Abs 1 KartG sind überschritten. Der Ausnahmetatbestand des § 9 Abs 2 KartG liegt nicht vor, weil zum Entfall der Anmeldepflicht die Voraussetzungen nach dessen Z 1 und Z 2 kumulativ vorliegen müssten, was hier nicht der Fall ist.

Bei der den Antragsgegnerinnen mit dem Beteiligungserwerb gemeinsam eingeräumten Möglichkeit der Ernennung der Geschäftsführung handelt es sich um eine "Kernmaterie" für die Annahme eines beherrschenden Einflusses nach § 7 Abs 1 Z 5 KartG (Urlesberger in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG § 7 Rz 69 f). Ob daneben auch der Zusammenschlusstatbestand des § 7 Abs 1 Z 3 KartG erfüllt ist, weil den Antragstellerinnen trotz des Erwerbs von Anteilen unterhalb der 25%-Schwelle durch atypische Satzungsgestaltung Rechte (Stimm-, Veto- und Ernennungsrechte) eingeräumt wurden, die üblicher Weise nur ein Gesellschafter mit einer höheren Beteiligung hat (s aaO Vor § 7 Rz 30 mwN), kann daher dahingestellt bleiben.

Auch die Ausführungen der Bundeswettbewerbsbehörde zum kurzen Deliktszeitraum, dem geringen Verschulden der Antragsgegnerin, deren freiwilliger Kooperation und des Fehlens einer feststellbaren Bereicherung sind schlüssig. Nähere Erörterungen dazu erübrigen sich im Hinblick darauf, dass das Kartellgericht nach § 36 Abs 2 letzter Satz KG jedenfalls keine höhere Geldbuße verhängen darf als beantragt.

Eine niedrigere Geldbuße oder gar ein Absehen von der Verhängung einer Geldbuße – etwa in analoger Anwendung des § 42 StGB – kommt hier nicht in Frage. Zuzustimmen ist der Bundeswettbewerbsbehörde nämlich auch darin, dass die Entscheidung zum Ausdruck bringen muss, dass die Unterlassung von Zusammenschlussanmeldungen in Österreich kein "Kavalierdelikt" ist (16 Ok 2/13). Die Verhängung einer Geldbuße in der beantragten Höhe ist daher schon aus generalpräventiven Erwägungen notwendig. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass eine Geldbuße in der hier verhängten Höhe Unternehmen mit einer derart hohen Finanzkraft dazu verleiten kann, unbeabsichtigte Verstöße gegen das Durchführungsverbot vor den Wettbewerbsbehörden zu verheimlichen, zumal sie diesfalls bei Entdeckung des Verstoßes durch die Behörden wohl mit einer um ein Vielfaches höheren Geldbuße rechnen müssen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."


Ausdruck vom: 28.03.2024 16:11:44 MEZ