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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

27 Kt 5/15


Bekannt gemacht am:

10.07.2015

Entscheidungsdatum:

28.04.2015


Über die Antragsgegnerinnen werden wegen

I. Zuwiderhandlung gegen § 1 Abs 1 KartG 2005 bzw § 10 iVm § 18 KartG 1988, nämlich kartellrechtswidriger Preisabsprachen im Bereich von im Winter vertriebenen Sportartikeln und zugehörigen Dienstleistungen, nämlich 1. Verkauf von Textilien und Accessoires, 2. Verkauf von Wintersportgeräten und Zubehör (Hartware), sowie 3. Dienstleistungen, nämlich Verleih von Alpinschi und Schischuhen, Langlaufausrüstungen und Snowboards, Service für Schi und Snowboards sowie Zurverfügungstellung von Depots für Wintersportgeräte, und 4. Aufteilung des Marktes von Reisebüros in Form von Nichtabwerbevereinbarungen, im Zeitraum 1.7.2002 bis 4.3.2014 zwischen den vier Antragsgegnerinnen, und

II. fortlaufenden verbotenen Empfehlungen gemäß § 1 Abs 4 KartG 2005 bzw § 12 KartG 1988 im Bereich von im Winter vertriebenen Sportartikeln und dazugehörigen Dienstleistungen, nämlich 1. Verkauf von Textilien und Accessoires, 2. Verkauf von Wintersportgeräten und Zubehör (Hartware), sowie 3. Dienstleistungen, nämlich Verleih von Alpinschi und Schischuhen, Langlaufausrüstungen und Snowboards, Service für Schi und Snowboards sowie Zurverfügungstellung von Depots für Wintersportgeräte, im Zeitraum 1.7.2002 bis 4.3.2014 durch die Erst-, Zweit- und Drittantragsgegnerinnen, folgende Geldbußen verhängt:

a) über die Erstantragsgegnerin EUR 144.000,--,

b) über die Zweitantragsgegnerin EUR 136.000,--,

c) über die Drittantragsgegnerin EUR 128.000,-- und

d) über die Viertantragsgegnerin EUR 11.200,--.


 

Begründung:


 

Die Antragstellerin begehrte die Verhängung der im Spruch angeführten Geldbußen und brachte im Wesentlichen vor, die Antragsgegnerinnen hätten in der Region St. Anton am Arlberg insbesondere in den Bereichen „Verleih und Service von Wintersportgeräten“ größtenteils idente oder nur minimal abweichende Preise verlangt. Bereits seit vielen Jahren habe es jeweils zwischen der Erst-, Zweit- und Drittantragsgegnerin Besprechungen gegeben, zu der die kleineren Sportartikelhändler der Region zwar eingeladen worden seien, daran aber nicht oder, wie im Fall der Viertantragsgegnerin, nur selten teilgenommen hätten. Bei diesen Besprechungen seien Kalkulations- und Preislisten erstellt und abgestimmt worden, die teils per E-Mail, teils ausgedruckt unter den Teilnehmern verteilt worden seien. Teilweise sei die Verteilung auch unaufgefordert an jene Unternehmen erfolgt, die an den Besprechungen nicht teilgenommen hätten. Die Preisabsprachen hätten die Bereiche „Verkauf von Textilien und Accessoires, Wintersportgeräten und Zubehör („Hartware“)“ sowie „Dienstleistungen im Bereich des Verleihs von Alpinschi und Schischuhen, Langlaufausrüstungen und Snowboards, Serviceleistungen betreffend Schi und Snowboards sowie Skidepots“ betroffen. Weiters sei zwischen den vier Antragsgegnerinnen abgesprochen worden, welcher Sportartikelhändler jeweils die Ausrüstung von größeren Reisegruppen mit Schi und Zubehör übernehme. Von den Wettbewerbern seien keine Abwerbungsversuche erfolgt. Marketingaktivitäten wie etwa Wintereröffnungsaktionen seien zwischen den Erst- bis Drittantragsgegnerinnen in der Weise abgesprochen worden, dass festgelegt worden sei, wer welche Produkte um welchen Preis anbiete und für welchen Zeitraum die Aktionsangebote gelten sollten. Eine ähnliche Vorgangsweise sei bei Schluss- und Lagerabverkäufen gewählt worden.

Die Viertantragsgegnerin habe sich an den kartellrechtswidrigen Preisabsprachen in einer untergeordneten Rolle beteiligt. Sie habe gelegentlich an den Besprechungen teilgenommen und sich an die dort vereinbarten Preise im Hochpreissegment des Skiverleihs sowie in einem begrenzten Umfang im Bereich des Verleihs von Langlaufschi und Helmen gehalten.

Der ursprüngliche Verdacht der Antragstellerin habe lediglich Preisabsprachen für den Verleih von Wintersportgeräten und für den Bereich des Ski- und Snowboardservices umfasst. Die weiteren Preisabsprachen insbesondere für die Bereiche „Verkauf von Textilien und Accessoires, Wintersportgeräte und Zubehör, Aufteilung von Reisegruppen und gemeinsames Marketing“ seien erst durch die Äußerungen der Antragsgegnerinnen bekannt geworden.

Die Antragsgegnerinnen hätten daher gegen das Verbot der den Wettbewerb beeinträchtigenden Vereinbarungen zwischen Unternehmern sowie das Verbot des Empfehlungskartells verstoßen. Bei den horizontalen Absprachen der Antragsgegnerinnen handle es sich um bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen, die Kernverstöße gegen das Kartellrecht darstellten. Die Weitergabe der zwischen den Erst- bis Drittantragsgegnerinnen festgelegten Preisen und Kalkulationsrichtlinien seien verbotene Empfehlungen im Sinne des § 1 Abs 4 KartG 2005.

Bei der Bemessung der Geldbußen seien als erschwerend der lange Zeitraum des wettbewerbswidrigen Verhaltens, der hohe Detaillierungsgrad und Umfang der betroffenen Produkte und Dienstleistungen, das vorsätzliche Handeln aller Antragsgegnerinnen sowie ihre über Jahre durch das wettbewerbswidrige Verhalten eingetretene Bereicherung zu werten. Mildernd seien die umfangreiche Kooperation aller Antragsgegnerinnen mit der Antragstellerin sowie die Abgabe der Anerkenntnisse durch alle Antragsgegnerinnen.

Rechtfertigungsgründe nach § 2 KartG 2005 seien nicht ersichtlich und von den Antragsgegnerinnen auch nicht vorgebracht worden.

Da es im Hinblick auf die Vielzahl der betroffenen Einzelprodukte und den langen Verstoßzeitraum überaus aufwändig und diffizil gewesen wäre, einen präzisen tatbezogenen Umsatz zu ermitteln, sei die Antragstellerin von - vor dem Hintergrund der betroffenen Umsatzzahlen - angemessenen Ausgangsbeträgen ausgegangen, und zwar hinsichtlich der Erstantragsgegnerin von EUR 180.000,--, der Zweitantragsgegnerin von EUR 170.000,--, der Drittantragsgegnerin von EUR 160.000,-- und der Viertantragsgegnerin von EUR 14.000,--. Für die lange Dauer der Zuwiderhandlung sei ein Aufschlag von 100%, für die vollumfängliche Kooperation ein Nachlass von 50% berücksichtigt worden. Ein weiterer Nachlass von 20% sei für die Reduktion des Verfahrensaufwands durch die einvernehmliche Verfahrensbeendigung gewährt worden. Somit ergebe sich die im Spruch angeführte Höhe der Geldbußen.

Der Höchstbetrag von 10% des im vorangegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes der jeweiligen Antragsgegnerinnen im Sinne des § 29 KartG 2005 sei nicht überschritten worden.

Der Bundeskartellanwalt schloss sich dem Vorbringen der Antragstellerin an.

Die Antragsgegnerinnen stellten das Tatsachenvorbringen der Antragstellerin außer Streit, verwiesen auf die von ihnen jeweils abgegebenen Anerkenntnisse und sprachen sich nicht gegen die Höhe der beantragten Geldbußen aus.

Von der Erstantragsgegnerin wurde außergerichtlich folgendes Anerkenntnis abgegeben:

Die Vereinbarungen betreffen den Sportartikelhandel in St. Anton am Arlberg vom 1.7.2002 bis 4.3.2014. Die Erstantragsgegnerin hat gemeinsam mit der Zweit-, Dritt- und Viertantragsgegnerin an kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen, die Folgendes zum Gegenstand hatten, teilgenommen:

I. Absprachen über Verkaufspreise von zahlreichen Wintersportartikeln,

II. Absprachen über die Preise von Dienstleistungen,

III. Aufteilung des Marktes von Reisebüros in Form von Nichtabwerbevereinbarungen,

IV. Weitergabe der vereinbarten Preise in Form von Empfehlungen an zahlreiche weitere Sportartikelhändler im Raum St. Anton am Arlberg“ (Beilage ./A).

Die Zweit-, Dritt- und Viertantragsgegnerinnen gaben inhaltsgleiche Anerkenntnisse ab (Beilagen ./B bis ./D).

Da gegen die Richtigkeit der Außerstreitstellungen, die auch mit den von der Antragstellerin vorgelegten Urkunden im Einklang stehen, keine Bedenken bestehen, waren im Sinne des § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG keine weiteren Erhebungen durchzuführen.

Rechtlich ergibt sich daraus Folgendes:

Die von den Antragsgegnerinnen getroffenen Absprachen über Verkaufspreise von Wintersportartikeln sowie die Preise von Dienstleistungen und die Aufteilung des Marktes von Reisebüros in Form von Nichtabwerbevereinbarungen stellen Verstöße gegen das Kartellverbot des § 1 KartG 2005 bzw für die Zeit vor dem Inkrafttreten des KartG 2005, also bis 31.12.2005, Verstöße gegen § 10 KartG 1988 dar. Nach § 87 Abs 2 KartG 2005 sind die Bußgeldbestimmungen des KartG 1988 auf Sachverhalte, die vor dem Inkrafttreten des KartG 2005 verwirklicht worden sind, weiterhin anzuwenden. Daher sind vor dem 1.1.2006 gesetzte Verstöße nach dem KartG 1988 zu sanktionieren.

Durch die horizontalen Preisabsprachen und Aufteilung von Märkten wurde eine Beschränkung des Preis- und Kundenwettbewerbs bezweckt. Es handelte sich dabei um Kernverstöße gegen § 1 KartG 2005 bzw § 10 KartG 1988, die grundsätzlich unabhängig von ihren Auswirkungen dem Kartellverbot widersprechende bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen darstellen.

Die Viertantragsgegnerin nahm an diesen Vorgangsweisen teil, wenn auch nur in einem untergeordneten Ausmaß.

Die Weitergabe der zwischen den Erst- bis Drittantragsgegnerinnen festgelegten Preise und Kalkulationsrichtlinien stellen verbotene Empfehlungen im Sinne des § 1 Abs 4 KartG 2005 bzw § 12 KartG 1988 dar.

Rechtfertigungsgründe im Sinne des § 2 KartG 2005 liegen nicht vor und wurden von den Antragsgegnerinnen auch nicht geltend gemacht.

Die beantragte Höhe der Geldbuße, über die das Kartellgericht gemäß § 36 Abs 2 letzter Satz KartG 2005 nicht hinausgehen kann, steht mit den Kriterien des § 30 KartG im Einklang. Demnach ist bei der Bemessung der Geldbuße insbesondere auf die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, auf die durch die Rechtsverletzung erzielte Bereicherung, auf den Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Bedacht zu nehmen. Das Verhalten der Antragsgegnerinnen erstreckte sich über einen langen Zeitraum und betraf einen großen Umfang von Produkten und Dienstleistungen, aus dem über die Jahre eine Bereicherung der Antragsgegnerinnen resultierte. Ihnen ist vorsätzliches Handeln anzulasten.

Erschwerungsgründe im Sinne des § 30 Abs 2 Z 2 KartG 2005 liegen hinsichtlich der Erst- bis Drittantragsgegnerinnen vor, da diese an der Rechtsverletzung führend beteiligt waren.

Ein Milderungsgrund im Sinne des Abs 3 leg.cit. ist für alle Antragsgegnerinnen darin zu sehen, dass diese wesentlich zur Aufklärung der Rechtsverletzung beigetragen haben. Hinsichtlich der Viertantragsgegnerin ist als mildernd zu berücksichtigen, dass diese nur in untergeordneter Weise an der Rechtsverletzung beteiligt war.

Niedrigere Geldbußen als die von der Antragstellerin beantragten Summen kommen angesichts der Schwere und der Dauer des Verstoßes aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen nicht in Betracht.“


Ausdruck vom: 27.04.2024 01:03:30 MESZ