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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

25 Kt 18/14


Bekannt gemacht am:

29.07.2014

Entscheidungsdatum:

08.05.2014


 

Über die Antragsgegnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 AEUV bzw § 1 KartG 2005, nämlich wegen vertikaler Preisabstimmungen im Zusammenhang mit der Behinderung eines Absatzkanals (Online-Vertrieb) von Unterhaltungselektronikprodukten, wie beispielsweise von Receivern und von Fernsehapparaten, die von Mitte 2009 bis September 2012 andauerten, gemäß § 29 Ziffer 1 lit a und d KartG 2005 eine Geldbuße von EUR 100.000,-- verhängt.

Begründung

Die Antragstellerin beantragte die Verhängung einer Geldbuße gemäß § 29 Ziffer 1 lit a und d KartG in der Höhe von EUR 100.000,-- und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass die Antragsgegnerin Generalimporteurin und Großhändlerin im Bereich der Unterhaltungselektronik sei.

Im Bereich Unterhaltungselektronik habe es - meist im Zusammenhang mit legitimen Verhandlungen über Einkaufspreise – von Mitte 2009 bis September 2012 auch vertikale Abstimmungen über die Wiederverkaufspreise zwischen der Antragsgegnerin und einer Reihe von Unternehmen des Handels gegeben. Desweiteren sei es, vor allem bei Selektivprodukten, zu Einschränkungen durch die Antragsgegnerin in Bezug auf den Online-Vertrieb gekommen. Im Rahmen der vertikalen Preisabstimmungen seien Wiederverkaufspreise (zB Normalpreise, Aktionspreise und Werbepreise) für den österreichischen Markt besprochen worden.

So habe es bei der Antragsgegnerin ein Grundverständnis gegeben, dass Selektivprodukte (qualitativ besonders hochstehende) vom Handel nicht, oder jedenfalls nicht signifikant, unter dem unverbindlich empfohlenen Verkaufspreis verkauft werden sollten, um dem Handel eine angemessene Marge trotz des mit diesen Produkten verbundenen hohen Beratungs- und Werbeaufwands zu sichern. Die Antragsgegnerin habe sowohl schriftlich als auch mündlich wiederholt Handelsunternehmen kontaktiert, um zu erreichen, dass sie Internet-Bewerbungen unter dem von der Antragsgegnerin vorgeschlagenen Preisniveau aus dem Netz nehmen.

Händler, die sich nicht an die Preisvorstellungen der Antragsgegnerin gehalten hätten, seien teilweise nicht oder zu schlechteren Bedingungen beliefert worden. So habe die Antragsgegnerin beispielsweise gegenüber Händlern, die Selektivprodukte nicht zu unverbindlich empfohlenen Verkaufspreis vertrieben hätten angedroht, den Selektivvertrg zu kündigen. Fallweise sei es auch dazu gekommen, dass jene Händler, die nach Ansicht der Antragsgegnerin die Produkte zu günstig vertrieben, zukünftig zu höheren Einkaufspreisen von der Antragsgegnerin beliefert worden seien. Die vertikalen Preisabstimmungen seien zusätzlich durch eine horizontale Absicherung der Wiederverkaufspreise verstärkt worden. Zwischen der Antragsgegnerin und dem Einzelhandel seien die Endkundenverkaufspreise abgestimmt worden.

In rechtlicher Hinsicht handle es sich bei den Preisabstimmungsmaßnahmen um einen Kernverstoß gegen Artikel 101 AEUV. Der Begriff „Vereinbarung“ werde weit ausgelegt. Nicht notwendig sei, dass es sich hiebei um einen rechtlich verbindlichen Vertrag handle. Eine Vereinbarung liege schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten. Neben Vereinbarungen und Beschlüssen seien auch aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen vom Kartellverbot umfasst. Bei abgestimmten Verhaltensweisen handle es sich nach ständiger Rechtssprechung des EuGH um jene Form der Koordinierung des Verhaltens zwischen Unternehmen, die zwar nicht bis zum Abschluss eines Vertrages im eigentlichen Sinn gediehen seien, die aber bewusst eine praktische Zusammenarbeit anstelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lasse. Die Grenze zwischen Vereinbarung und Abstimmung der Verhaltensweisen sei fließend. Die von der Antragsgegnerin gesetzten Preisabstimmungsmaßnahmen erfüllten den Tatbestand der Vereinbarung bzw jedenfalls zumindest den Tatbestand der abgestimmten Verhaltensweisen. Durch das von der Antragsgegnerin umgesetzte System der Preisabstimmung sei eine Beschränkung des Preiswettbewerbs der über den Einzelhandel abgesetzten Unterhaltungselektronik bezweckt worden.

Zur Höhe der Geldbuße führte die Bundeswettbewerbsbehörde aus, dass der relevante Gesamtumsatz im Jahr 2011 der betroffenen Produkte EUR XXX,-- ergebe. Der XX %igeGrundbetrag ergebe sich aus einer Schätzung des Konsumentenschadens. Dieser Grundbetrag werde mit der Dauer des Verstoßes von 3 Jahren multipliziert. Bei der Berechnung der beantragten Geldbuße sei ein Nachlass von 10% für die Kooperation bei der Aufklärung sowie ein Nachlass von 30% aufgrund der eingeschränkten Finanzkraft der Antragsgegnerin berücksichtigt worden. Von dieser Zwischensumme werde ein weiterer Nachlass von 20% für die Reduktion des Verfahrensaufwandes infolge einvernehmlicher Verfahrensbeendigung durch die Anerkenntniserklärung der Antragsgegnerinnen gewährt. Daraus ergebe sich die beantragte Geldbuße von EUR 100.000,--.

Außer Streit gestellt wurde ein Gesamtumsatz der Antragsgegnerin im Jahr 2012 in der Höhe von EUR XXX,--.

Die Antragsgegnerin gab am 24.10.2013 außergerichtlich folgende Erklärung ab (Beilage ./B):


 

Anerkenntnis

Hans Lurf GmbH

[…] Im Zuge der üblichen Verhandlungen über Einkaufspreise wurden auch einzelne vertikale Beeinflussungen über Wiederkaufspreise in Internet-Verkaufsportalen zwischen der Lurf und einzelnen Händlern bis zum Jahr 2012 abgestimmt. [….]. Im Rahmen dieser vertikalen Preisabstimmungen wurden Wiederverkaufspreise hinsichtlich der geltenden Normalpreise und Aktionspreise abgestimmt. Lurf hat sowohl schriftlich als auch mündlich die betroffenen Handelsunternehmen kontaktiert, um die möglichst lineare Umsetzung eines stabilen Wiederverkaufsniveaus im Online-Handel zu erreichen. Die meisten Händler haben sich an den vorgeschlagenen Wiederverkaufspreisen in ihrer Preispolitik orientiert.

In diesem Zusammenhang ist zu sagen, dass gerade der Handel Interesse an den Preisabstimmungsmaßnahmen hatte und die Initiative für diese kartellrechtswidrigen Maßnahmen teilweise sogar vom Handel ausging, der die Lurf kontaktierte, wenn ein Handelsunternehmen (zB auf Onlineplattformen) das mit Lurf abgestimmte Wiederverkaufsniveau am Markt nicht einhielt.“

Die Antragstellerin konkretisierte in der mündlichen Verhandlung, dass die Preisabsprachen im Online-Vertrieb hauptsächlich Receiver und Fernseher betroffen haben.

Die Antragsgegnerin führte aus, dass weder der Höhe noch der Berechnung der beantragten Geldbuße entgegengetreten wird.

Im Hinblick darauf, dass die von der Antragstellerin vorgelegte Anerkenntniserklärung der Antragsgegnerin als echt und richtig anerkannt wurde und damit die vertikalen Preisabsprachen im Absatzkanal Online-Handel von der Antragsgegnerin im Sinne des § 33 AußStrG zugestanden wurden, erübrigte sich die Durchführung eines Beweisverfahrens.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art 3 Abs 1 VO (EG) Nr. 1/2003 haben die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten auf Vereinbarungen zwischen Unternehmen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die geeignet sind, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen, Artikel 101 AEUV parallel zum nationalen Wettbewerbsrecht anzuwenden.

Gemäß Art 101 Abs 1 AEUV sind alle Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Unternehmen, welche geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten.

Bei den von der Antragsgegnerin ausdrücklich zugestandenen vertikalen Preisabstimmungen mit Unternehmen des Unterhaltungselektronikhandels handelte es sich um im Sinne des Artikel 101 AEUV bzw § 1 KartG unzulässige Verhaltensweisen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckten und daher einen Kernverstoß gegen das Kartellverbot darstellten.

Rechtfertigungsgründe dafür liegen nicht vor; solche wurden von der Antragsgegnerin auch nicht geltend gemacht.

Die Bemessung der Höhe der verhängten Geldbuße beruht auf der von der Antragsgegnerin nicht bestritten Berechnung durch die Antragstellerin.

Gemäß § 36 Abs 2 KartG darf das Kartellgericht über die beantragte Geldbußenhöhe nicht hinausgehen.

Die Antragstellerin hat die von ihr dargelegten Milderungsgründe im Sinne des § 30 Abs 3 KartG, nämlich den Nachlass für die Kooperation, für die eingeschränkte Finanzkraft der Antragsgegnerin und für die Reduktion des Verfahrensaufwandes angemessen berücksichtigt.

Erschwerungsgründe sind ebensowenig ersichtlich wie sonstige Milderungsgründe.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.


Ausdruck vom: 29.03.2024 10:21:27 MEZ