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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

29 Kt 21/14


Bekannt gemacht am:

23.07.2014

Entscheidungsdatum:

08.05.2014


 "Über die Antragsgegnerin wird wegen Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV bzw § 1 KartG 2005, nämlich vertikale Preisabstimmungen mit mehreren Handelsunternehmen betreffend Pool- und Teichreinigungsroboter einschließlich Behinderung eines Absatzkanals (Online-Handel) im Zeitraum April 2011 bis Juni 2013, gem § 29 Z 1 lit a und lit d KartG 2005 eine Geldbuße von EUR 50.000,-- verhängt.

Begründung:

Die Bundeswettbewerbsbehörde stellte den aus dem Spruch ersichtlichen Antrag. Dazu erstattete sie zusammengefasst folgendes Tatsachenvorbringen:

Die Antragsgegnerin sei Generalimporteurin des Herstellers Maytronics im genannten Produktbereich. Von Mitte 2011 bis Mitte 2013 habe sie mit mehreren Handelsunternehmen Mindestwiederverkaufspreise (Endkundenpreise) für diese Maytronics-Produkte abgestimmt. Dabei sei es, vor allem bei Selektivprodukten, auch zu Einschränkungen des Online-Vertriebs gekommen, indem bestimmte Produkte nicht über das Internet vertrieben werden sollten.

In rechtlicher Hinsicht erfüllten die preislichen Koordinierungsmaßnahmen den Tatbestand des Art 101 Abs 1 AEUV. Die verbotenen Maßnahmen hätten sich auf das gesamte österreichische Hoheitsgebiet erstreckt. Der Verstoß sei schon deshalb grenzüberschreitend und auch deshalb besonders schwerwiegend, weil im Zusammenhang mit den Abstimmungsmaßnahmen ein nicht auf Österreich beschränkter preisaktiver Absatzkanal, nämlich der Online-Handel behindert worden sei, um die Systematik der Preisbindung aufrechtzuerhalten. Es liege ein einheitlicher Plan zur abgestimmten Gestaltung der Endkundenpreise und damit eine fortdauernde Zuwiderhandlung vor. Es handle sich um eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung, die als Verstoß gegen eine sogenannte "Kernbeschränkung" als besonders bedenklich anzusehen sei. Dies gelte auch für vertikale Preisabstimmungen, weil diese auch einen Mechanismus für horizontale Abstimmungen zwischen den Händlern bildeten, ohne dass diese miteinander Kontakt aufnehmen müssten.

Ein Rechtfertigungsgrund nach Art 101 Abs 3 AEUV liege nicht vor.

Zur Höhe der Geldbuße führte die Bundeswettbewerbsbehörde aus, der relevante Gesamtumsatz mit den betroffenen Produkten sei im Jahr 2012 bei EUR 347.222,-- gelegen. Der Grundbetrag sei im Hinblick auf die Schwere des Verstoßes und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Antragsgegnerin einem erheblichen Druck der Handelsunternehmen ausgesetzt gewesen sei, mit 10% des betroffenen Umsatzes festzulegen. Dieser Grundbetrag sei mit der Dauer von 2 Jahren zu multiplizieren, woraus sich ein Betrag von EUR 69.444,-- ergebe. Darauf sei ein Nachlass von 10% für die Mitwirkung an der Aufklärung des Verstoßes zu gewähren, was zu einem Betrag von EUR 62.500,-- führe. Von diesem sei für die Außerstreitstellung des Sachverhalts und das abgegebene Anerkenntnis ein weiterer Nachlass von 20% zu gewähren. Der sich daraus ergebende Betrag von EUR 50.000,-- sei ausreichend spezial- und generalpräventiv, zumal die Antragsgegnerin bereits Schritte zur Hintanhaltung zukünftiger Verstöße eingeleitet haben dürfte.

Die Antragsgegnerin gab den Gesamtumsatz ihres Konzerns für das Jahr 2012 mit etwa EUR 647 Mio bekannt. Weiters stellte sie das Tatsachenvorbringen der Bundeswettbewerbsbehörde außer Streit und gab an, die rechtliche Beurteilung und die Geldbußenberechnung zu akzeptieren. Sie hatte außergerichtlich folgendes Anerkenntnis abgegeben:

"Im Bereich des Vertriebs von Produkten des Herstellers 'Maytronics' hat es von Mitte 2011 bis Mitte 2013 neben den üblichen Verhandlungen über Einkaufspreise auch vertikale Abstimmungsmaßnahmen über Wiederverkaufspreise der SSA Fluidra Östereich GmbH und einer Reihe von Unternehmen des Handels gegeben. Im Rahmen dieser vertikalen Abstimmungsmaßnahmen über Wiederverkaufspreise wurde von SSA versucht, Endverkaufspreise (dh. die Wiederverkaufspreise der Händler) vorzugeben und durchzusetzen. Die Händler haben die Preisvorstellungen von SSA in ihrer Preispolitik berücksichtigt. Dabei ist es auch zu Einschränkungen durch SSA im Bezug auf Online-Vertrieb gekommen. So sollten bspsw bestimmte Selektivprodukte von Maytronics nicht über das Internet vertrieben werden.

SSA nimmt zur Kenntnis, dass das beschriebene Verhalten als Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV und § 1 KartG zu werten ist und kein Rechtfertigungsgrund iSd Art 101 Abs 3 AEUV bzw § 2 KartG dafür vorliegt. In diesem Zusammenhang hat SSA ihre Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass sie sich zukünftig an derartigen Absprachen nicht beteiligen sollen."

Da gegen die Richtigkeit der Außerstreitstellung und des zitierten Anerkenntnisses, die auch mit den weiteren von der Bundeswettbewerbsbehörde vorgelegten Unterlagen im Einklang stehen, keine Bedenken bestehen, waren iSd § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG keine weiteren Erhebungen durchzuführen.

In rechtlicher Hinsicht ist der Bundeswettbewerbsbehörde zuzustimmen, dass vertikale Preisbindungen – als Festsetzung von Wiederverkaufspreisen – sogenannte "Kernverstöße" gegen Art 101 AEUV bzw § 1 KartG 2005 darstellen. Sie sind daher unabhängig von ihren Auswirkungen als dem Kartellverbot widersprechende bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen zu qualifizieren. Dies entspricht nicht nur der ständigen europäischen und österreichischen Judikatur, sondern zeigt sich auch an der Bestimmung des § 2 Abs 2 Z 2 KartG 2005, die solche vertikale Preisbindungen bewusst nur für einen ganz bestimmten Wirtschaftszweig vom Kartellverbot ausnimmt ("Buchpreisbindung").

Auch wenn vertikale Vereinbarungen in der Regel als weniger schädlich eingestuft werden als horizontale Vereinbarungen, kann dies für vertikale Preisbindungen insbesondere dann nicht gelten, wenn diese – wie hier - mit mehreren marktrelevanten Letztverkäufern in gleicher Weise vorgenommen und zwischen diesen koordiniert werden, wobei im vorliegenden Fall in diesem Zusammenhang auch versucht wurde, den erfahrungsgemäß preisdämpfenden Absatzkanal des Online-Handels vom Vertrieb bestimmter Produkte auszuschließen.

Ein Rechtfertigungsgrund nach Art 101 Abs 3 AEUV bzw § 2 KartG 2005 wurde nicht behauptet und ist nicht erkennbar.

Eine Prüfung, ob die beantragte Geldbuße zu niedrig sein könnte, erübrigt sich im Hinblick darauf, dass das Kartellgericht nach § 36 Abs 2 letzter Satz KartG keine höhere Geldbuße verhängen darf als beantragt. Auch eine niedrigere Geldbuße ist hier nicht in Erwägung zu ziehen. Die Kooperation der Antragsgegnerin bei der Aufklärung der Verstöße und die Reduktion des Aufwandes der Wettbewerbsbehörden durch die Außerstreitstellung des Sachverhalts hat die Bundeswettbewerbsbehörde bereits berücksichtigt, ebenso die Ausübung eines Drucks der Handelsunternehmen zur "Preispflege" bei den Wiederverkaufspreisen. Eine niedrigere Geldbuße als die von der Bundeswettbewerbsbehörde beantragte Summe, die 0,02% des Jahresumsatzes bzw 0,2% des Höchstbetrags nach § 29 Z 1 KartG 2005 entspricht, kommt angesichts der Schwere und der Dauer des Verstoßes aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen nicht in Betracht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."


Ausdruck vom: 28.03.2024 13:54:47 MEZ