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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

128 Kt 3/17m


Bekannt gemacht am:

29.10.2018

Entscheidungsdatum:

22.09.2017


"Über die Antragsgegnerin wird wegen einer fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen § 1 Abs 1 KartG 2005 in Form von wettbewerbsbeschränkenden Preisabsprachen, Kundenaufteilungen und verbotenem Informationsaustausch mit Mitbewerbern in Bezug auf beschränkte Ausschreibungen von Trockenbauarbeiten in Wien und Niederösterreich im Zeitraum Mai 2013 bis Mai 2015 gemäß § 29 lit a KartG 2005 eine Geldbuße von EUR 110.000,-- verhängt.

Begründung:

Die Bundeswettbewerbsbehörde stellte den Antrag, über die Antragsgegnerin wegen Verstoßes gegen des Kartellverbot des § 1 KartG, eine Geldbuße von EUR 110.000,-- zu verhängen. Dazu erstattete sie zusammengefasst folgendes Tatsachenvorbringen:

Von den kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen im Bereich Trockenbau seien sogenannte „beschränkte Ausschreibungen“ betroffen, also Ausschreibungen, die aufgrund des relativ niedrigen Auftragsvolumens mit beschränktem Bieterkreis und ohne öffentliche Bekanntmachung durchgeführt worden seien. Bei den betroffenen Bauvorhaben handle es sich um Ausschreibungen von öffentlichen und von privaten Auftraggebern.

Die Antragsgegnerin habe mit den Mitbewerbern Akustik Blasch Schall- und Wärmedämmung GesmbH & Co KG („Akustik Blasch“) und KAEFER Isoliertechnik Ges.m.b.H („Kaefer“) über ein Grundverständnis verfügt, sich bei beschränkten Ausschreibungen vor Angebotsabgabe wechselseitig über das jeweilige Angebotsverhalten zu informieren bzw abzustimmen. Typischer Weise habe sich der Vorgang wie folgt dargestellt: Die Antragsgegnerin habe Mitbewerber kontaktiert und diesen eine fertige Angebotskalkulation für ein bestimmtes Bauvorhaben übermittelt. Dabei sei die Kalkulation so erfolgt, dass dieses Angebot, das der betreffende Mitbewerber an die ausschreibende Stelle abgeben sollte, preislich über dem eigenen Angebot der Antragsgegnerin gelegen sei. Durch Abgabe dieses „Deckangebots“ durch den Mitbewerber sollte der Antragsgegnerin zur Auftragserteilung verholfen werden.

Im Einzelnen seien folgende Bauvorhaben betroffen:

1. BVH Umbau Pharmazeutische Gehaltskasse für Österreich, 1090 Wien, Spitalgasse 1:

Bei diesem Bauvorhaben habe die Antragsgegnerin am 16.5.2013 an die ebenfalls zur Anbotslegung für Trockenbauarbeiten eingeladene Akustik Blasch einen Datenträger mit einer vorgefertigten Angebotskalkulation übermittelt, mit dem Akustik Blasch am Bieterverfahren teilgenommen habe. Dieses vorgefertigte Angebot sei preislich höher gelegen als jenes, welches die Antragsgegnerin selbst abgegeben habe. Die Antragsgegnerin habe am 4.6.2013 den Zuschlag erhalten.

2. BVH Theresianum, LV Küche und Werken:

In diesem Fall habe die Antragsgegnerin Akustik Blasch am 27.5.2013 vorgefertigte Angebote für Trockenbauarbeiten sowohl für Küche als auch für Werken übermittelt, mit denen Akustik Blasch am Bieterverfahren teilgenommen habe. Auch Kaefer habe Deckangebote in ähnlicher Höhe zugunsten der Antragstellerin abgegeben. Die Antragsgegnerin selbst habe Angebote mit niedrigeren Preisen abgegeben und als Bestbieter am 25.6.2013 den Zuschlag erhalten.

3. BVH Veithgasse 9:

Bei diesem Bauvorhaben habe Kaefer am 16.6.2014 nach Vereinbarung mit der Antragsgegnerin ein Angebot für Trockenbauarbeiten gelegt, das einen höheren Preis aufgewiesen habe als jenes der Antragsgegnerin. Mit Auftragsschreiben vom 24.7.2014 habe die Antragsgegnerin den Auftrag erhalten.

4. BVH BRG 3500 Krems:

Bei diesem Bauvorhaben seien Trockenbauarbeiten im September/Oktober 2014 ausgeschrieben worden. Kaefer habe vereinbarungsgemäß ein Angebot abgegeben, das preislich über jenem der Antragsgegnerin gelegen sei. Eine Zuschlagserteilung könne nicht festgestellt werden, vermutlich sei der Auftrag letztlich nicht vergeben worden.

5. BVH Theresianum, EG Nassgruppe/2. OG Klassen:

Hier habe die Antragsgegnerin am 2.12.2014 Akustik Blasch einen Datenträger mit einem vorgefertigten Angebot für die ausgeschriebenen Trockenbauarbeiten übermittelt, das preislich über jenem gelegen sei, welches die Antragsgegnerin selbst abgegeben habe, und mit dem Akustik Blasch am Verfahren teilgenommen habe. Auch Kaefer habe ein Deckangebot zugunsten der Antragsgegnerin gelegt. Die Antragsgegnerin habe am 16.1.2015 bzw 10.2.2015 den Zuschlag erhalten.

6. BVH Rohrau, Gemeindezentrum, Aufbahrungshalle:

Bei dieser Ausschreibung von Trockenbauarbeiten habe die Antragsgegnerin Kaefer am 28.5.2015 ein vorgefertigtes Angebot übermittelt, das preislich über dem von der Antragsgegnerin selbst abgegebenen Angebot gelegen sei und welches von Kaefer als Deckangebot abgegeben werden sollte. Dazu sei es letztlich aber nicht gekommen, weil Kaefer von Auftraggeberseite nicht zur Angebotslegung eingeladen worden sei. Mit Schreiben vom 17.7.2015 habe die Antragsgegnerin den Zuschlag erhalten.

In rechtlicher Hinsicht führte die Bundeswettbewerbsbehörde zusammengefasst aus, die dargestellten Verhaltensweisen seien als wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen nach § 1 Abs 1 KartG zu qualifizieren. Bereits die Übermittlung eines vorgefertigten Angebots an einen Wettbewerber zur Abgabe an den Auftraggeber impliziere eine vorangegangene Einigung über eine konzertierte Vorgangsweise. Darüber hinaus seien die Vereinbarungen durch Abgabe der vorgefertigten Angebote an die Auftraggeber großteils auch tatsächlich umgesetzt worden. Zumindest aber lägen aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen iSd § 1 Abs 1 KartG vor, die geeignet und bestimmt gewesen seien, das Wettbewerbsrisiko zwischen den beteiligten Unternehmen abzuschwächen. Ein Informationsaustausch in der hier vorliegenden Art verringere die strategische Ungewissheit auf dem Markt und erleichtere damit die Kollusion. Der Austausch strategischer Daten wie Preiskalkulationen oder vorbereiteter Angebote verringere die Unabhängigkeit des Verhaltens der Wettbewerber auf dem Markt und mindere Wettbewerbsanreize. In solchen Fällen sei der Informationsaustausch einer abgestimmten Verhaltensweise gleichzusetzen. Dies gelte umso mehr, wenn die Kontaktaufnahme regelmäßig stattfinde.

Die vorliegenden Vereinbarungen hätten dazu gedient, es der Antragsgegnerin zu ermöglichen, Angebote an Auftraggeber im Sinne reduzierter, wenn nicht ausgeschlossener wettbewerblicher Unsicherheit abzugeben, da sie absprachegemäß habe erwarten können, dass ihre Konkurrenten sie nicht unterbieten würden. Damit sei unmittelbar eine Beschränkung der autonomen Preisfestsetzung durch Mitbewerber und damit des Preiswettbewerbs verbunden. Die Vereinbarung über die Abgabe von Deckangeboten ziele auch darauf ab, den von den Wettbewerbern für die Zuschlagserteilung vorgesehenen Bieter zu schützen. Vereinbarungen bzw abgestimmte Verhaltensweisen, die Wettbewerber hinsichtlich ihres Bieter- oder Angebotsverhaltens treffen würden, um ihr Verhalten bei Vergabeverfahren zu koordinieren bzw den Bieterwettbewerb zu reduzieren, seien daher als Formen der Preisabsprache und der Aufteilung von Märkten zu qualifizieren. Es handle sich daher um bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen bzw um Kernbeschränkungen.

Schon deshalb könne dieses Verhalten, soweit es (wie hier ausnahmslos) nach Inkrafttreten des KaWeRÄG 2012 gesetzt worden sei, nicht von der Bagatellausnahme des § 2 Abs 2 Z 1 KartG profitieren. Außerdem würden hier auch die Schwellenwerte des § 2 Abs 2 Z 1 aF überschritten, weil der relevante Markt bei beschränkten Ausschreibungen nur die zur Teilnahme eingeladenen Unternehmen umfasse und nicht - wie bei offenen Ausschreibungen - alle Unternehmen, die in der Lage wären, die Ausschreibungsbedingungen zu erfüllen.

Da die einzelnen Absprachen den selben Zweck verfolgt hätten, die selben Dienstleistungen betroffen hätten, stets die selben Unternehmen und die selben natürlichen Personen an den Zuwiderhandlungen beteiligt gewesen seien und diese auch den selben räumlichen Bereich (Wien und Niederösterreich) betroffen hätten, sei von einer als Einheit zu betrachtenden fortgesetzten Zuwiderhandlung auszugehen.

Zur Höhe der beantragten Geldbuße führte die Bundeswettbewerbsbehörde aus, als Kriterien habe sie den Jahresumsatz der Antragsgegnerin von rund ***** Mio im Geschäftsjahr 2015/1016, den Umsatz der Antragsgegnerin mit den von den Zuwiderhandlungen betroffenen Bauvorhaben, die Schwere der Rechtsverletzung als Kernbeschränkung sowie den Umstand, dass die Antragsgegnerin die Zuwiderhandlungen in den meisten Fällen initiiert und den Zuschlag für die betroffenen Bauvorhaben auch tatsächlich erhalten habe, berücksichtigt. Demnach wäre ein Bußgeld von EUR 122.000,-- angemessen. Darauf sei ein Nachlaß von 10 % für die Außerstreitstellung des wesentlichen Sachverhalts und die damit verbundene Reduktion des Verfahrensaufwandes zu gewähren. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren werde ein Bußgeld von EUR 110.000,-- beantragt.

Die Antragsgegnerin, die während des laufenden Verfahrens gegenüber der Bundeswettbewerbsbehörde ein Anerkenntnis abgab, stellte den von der Bundeswettbewerbsbehörde behaupteten Sachverhalt außer Streit.

Diese Außerstreitstellung steht mit den von der Bundeswettbewerbsbehörde vorgelegten Urkunden im Einklang. Gem § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG war daher von weiteren Erhebungen Abstand zu nehmen und das somit übereinstimmende Parteienvorbringen der Entscheidung zugrunde zu legen.

In rechtlicher Hinsicht ist der Bundeswettbewerbsbehörde zuzustimmen, dass solche Absprachen bzw Koordinierungen des wettbewerblichen Verhaltens in Ausschreibungsverfahren darauf abzielen, den Preiswettbewerb zwischen den Bietern zu unterlaufen, sodass sie Preisabsprache nach § 1 Abs 2 Z 1 KartG zu qualifizieren sind. Da sie weiters darauf abzielen, einen unter Teilnehmern des jeweiligen Ausschreibungsverfahrens vereinbarten „Bestbieter“ unter Ausschaltung eines tatsächlichen Wettbewerbs zur Auftragserteilung zu verhelfen, liegt gleichzeitig auch eine zwischen Wettbewerbern vereinbarte Kundenzuteilung und somit eine Form der Aufteilung der Märkte iSd § 1 Abs 2 Z 3 KartG vor. Diese sogenannten „Kernbeschränkungen“ sind nach § 2 Abs 2 Z 1 KartG idF des KaWeRÄG 2012 unabhängig von den Marktanteilen der Kartellteilnehmer der Bagatellausnahme nicht zugänglich. Da die Zuwiderhandlungen im vorliegenden Fall zur Gänze im Zeitraum nach Inkrafttreten des KaWeRÄG 2012 stattfanden, muss der Frage der Marktabgrenzung bei beschränkten Ausschreibungen hier nicht nachgegangen werden.

Ein Rechtfertigungsgrund nach § 2 Abs 1 KartG wurde nicht behauptet und ist nicht erkennbar.

Der Bundeswettbewerbsbehörde ist zuzustimmen, dass die fortgesetzten Zuwiderhandlungen als Einheit zu betrachten sind. Auch darauf kommt es hier aber letztlich nicht an, weil der Geldbußenantrag bezüglich aller einzelnen Tathandlungen innerhalb der Verjährungsfrist des § 33 KartG idF vor der Novelle 2017 gestellt wurde.

Zur Geldbußenhöhe ist zunächst festzuhalten, dass das Kartellgericht nach § 36 Abs 2 letzter Satz KartG keine höhere Geldbuße verhängen darf als beantragt. Ausgehend von den Bemessungskriterien des § 30 KartG liegt hier eine schwere Rechtsverletzung („Kernverstoß“) über die Dauer von zwei Jahren vor. Auch das Verschulden ist schwerwiegend, weil solchen Bieterabsprachen Vorsatz zu unterstellen ist und auch Zweifel der beteiligten Unternehmen über die rechtliche Qualifizierung dieser Absprachen als Kernverstoß gegen das Wettbewerbsrecht schon im Hinblick auf die Strafdrohung des § 168b StGB nicht vorliegen können. Ausgehend vom Jahresumsatz von EUR ***** Mio wäre angesichts der Schwere der Rechtsverletzung und dem Grad des Verschuldens die Verhängung einer niedrigeren Geldbuße aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen nicht angemessen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."


Ausdruck vom: 24.04.2024 22:41:52 MESZ