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Kategorie:

Kartell

Dienststelle:

OLG Wien (009)

Aktenzeichen:

29 Kt 35/16


Bekannt gemacht am:

07.07.2017

Entscheidungsdatum:

21.04.2017


"Über die Antragsgegner wird gemäß § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KG wegen verbotener Durchführung eines Zusammenschlusses im Zeitraum vom 13.05.2016 bis 17.09.2016, nämlich durch den Erwerb weiterer Anteile an der Klöckner & Co SE, Deutschland, womit die Beteiligungsschwelle von 25 % überschritten wurde, und die Ausübung der damit verbundenen Rechte ab dem 13.05.2016, gesamtschuldnerisch eine Geldbuße von EUR 11.000,-- verhängt.

Begründung:

Die Bundeswettbewerbsbehörde stellte den Antrag, über die Antragsgegnerinnen wegen Verstoßes gegen das Durchführungsverbot nach § 17 Abs 1 KartG gesamtschuldnerisch eine Geldbuße von EUR 11.000,-- zu verhängen.

Dazu erstattete sie zusammengefasst folgendes Tatsachenvorbringen:

Durch weitere Aktienzukäufe an der Börse habe die zu 100 % im Eigentum des Zweitantragsgegners stehende Erstantragsgegnerin am 25.2.2016 eine Beteiligungshöhe von *** [über 25 %, aber unter 50 %] des Kapitals und der Stimmanteile an der Klöckner & Co SE („Klöckner“) erreicht. Auf der Hauptversammlung von Klöckner seien diese Stimmrechte ausgeübt und ua der Zweitbeklagte in den Aufsichtsrat gewählt worden. Darüber habe die Rechtsvertretung der Antragsgegnerinnen die Bundeswettbewerbsbehörde am 14.7.2016 aus Eigenem in Kenntnis gesetzt. Am 19.8.2016 sei der Zusammenschluss bei der Bundeswettbewerbsbehörde angemeldet worden. Mangels Prüfungsantrags sei das Durchführungsverbot mit Wirkung vom 17.9.2016 weggefallen.

Die beteiligten Unternehmen hätten über den in § 9 Abs 1 KartG angegebenen Schwellenwerten liegende Umsätze erzielt, und zwar der Zweitantragsgegner weltweit *** [über EUR 1,5 Mrd], in der EU EUR *** und in Österreich EUR *** [über 5 Mio] sowie Klöckner weltweit EUR ***, in der EU EUR *** und in Österreich *** [über EUR 5 Mio].

In rechtlicher Hinsicht führte die Bundeswettbewerbsbehörde aus, der unmittelbare oder mittelbare Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft, die Unternehmer sei, durch einen anderen Unternehmer gelte ua dann als Zusammenschluss iSd KartG, wenn dadurch ein Beteiligungsgrad von 25 % überschritten werde (§ 7 Abs 1 Z 3 KartG). Eine Durchführung eines Zusammenschlusses iSd § 17 Abs 1 KartG werde von der Judikatur insbesondere dann angenommen, wenn vom beherrschenden Einfluss über das erworbene Unternehmen erstmals in einer die Wettbewerbsverhältnisse berührenden Weise Gebrauch gemacht werde. Eine Durchführung liege daher jedenfalls dann vor, wenn der Erwerber erworbene Kontroll- oder Einflussrechte wahrnehme. Im vorliegenden Fall stelle somit jedenfalls die Ausübung der Stimmrechte auf der Hauptversammlung von Klöckner am 13.5.2016 eine verbotene Durchführungshandlung dar. Zwar vertrete die Bundeswettbewerbsbehörde grundsätzlich die Ansicht, dass der Verstoß gegen das Durchführungsverbot im Zweifel bereits mit der Verwirklichung des Zusammenschlusstatbestandes beginne. Letztlich könne dies aber dahingestellt bleiben, weil eine entsprechende Verlängerung des Tatzeitraums im vorliegenden Fall zu keiner wesentlich höheren Geldbuße geführt hätte.

Es liege daher zumindest vom 13.5.2016 bis zum Wegfall des Durchführungsverbots (27.9.2016) eine verbotene Durchführung eines Zusammenschlusses vor, womit der Geldbußentatbestand des § 29 Z 1 lit a iVm § 17 Abs 1 KartG verwirklicht sei.

Zur Höhe der Geldbuße führte die Bundeswettbewerbehörde aus, nach der Judikatur zu § 30 KartG sei diese nach den Umständen des konkreten Einzelfalls zu bemessen, wobei insbesondere die Schwere und Dauer der Rechtsverletzung, die erzielte Bereicherung, der Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen seien. Die Geldbuße müsse eine spürbare Höhe erreichen und zum Ausdruck bringen, das die Unterlassung von Zusammenschlussanmeldungen in Österreich kein Kavaliersdelikt sei.

Im vorliegenden Fall hätten die Antragsgegnerinnen die Bundeswettbewerbsbehörde aus Eigenem in Kenntnis über einen möglichen Verstoß gegen § 17 KartG gesetzt und die Ermittlung des Sachverhalts durch Außerstreitstellung erleichtert. Die Dauer der Rechtsverletzung sei auf wenige Monate beschränkt gewesen. Die Rechtsverletzung und das Verschulden seien im Hinblick darauf, dass es sich nicht um den Erwerb einer kontrollierenden Beteiligung, sondern nur einer Minderheitsbeteiligung gehandelt habe, sowie aufgrund der Untersagungsferne des Zusammenschlusses nicht als schwer zu qualifizieren. Eine unmittelbare Bereicherung könne sich aus der Ersparnis der Anmeldungs- und Vertretungskosten ergeben haben, die aber durch die später erfolgte Anmeldung doch wieder angefallen seien.

In einer Gesamtschau erscheine vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerinnen eine Geldbuße von EUR 11.000,-- angemessen.

Der Bundeskartellanwalt schloss sich den Anträgen der Bundeswettbewerbsbehörde an.

Die Antragsgegnerinnen stellten die Richtigkeit des von der Bundeswettbewerbsbehörde behaupteten Sachverhalts außer Streit, wobei sie auf ihr gegenüber der Bundeswettbewerbsbehörde abgegebenes Anerkenntnis verwiesen. Sie erklärten, auch den Rechtsausführungen der Bundeswettbewerbsbehörde nicht entgegenzutreten.

Da gegen die Richtigkeit dieser Außerstreitstellung, welches auch mit der Zusammenschlussanmeldung vom 19.8.2016 (Beilage ./A) im Einklang steht, keine Bedenken bestehen, waren iSd § 33 Abs 1 AußStrG iVm § 38 KartG keine weiteren Erhebungen durchzuführen.

In rechtlicher Hinsicht ist den Parteien zuzustimmen, dass der vorliegende direkte und indirekte Erwerb weiterer Anteile, womit der Beteiligungsgrad der vom Zweitantragsgegner kontrollierten Erstantragsgegnerin an Klöckner von 25 % überschritten wurde, einen Zusammenschluss iSd § 7 Abs 1 Z 3 KartG darstellte. Dieser war infolge Überschreitung der Umsatzschwellenwerte des § 9 Abs 1 KartG in Österreich anmeldepflichtig.

Ein Problem eines allfälligen zeitlichen Auseinanderfallens zwischen dem die Anmeldepflicht auslösenden Anteilserwerb und der gem § 29 Z 1 lit a KartG die Geldbußensanktion auslösenden Durchführung des Zusammenschlusses iSd § 17 KartG stellt sich hier nicht, weil der Geldbußenantrag betreffend den Beginn des Tatzeitraums ohnehin auf die erste eindeutige Durchführungshandlung abstellt.

Auch den Erwägungen der Bundeswettbewerbesbehörde zur Höhe der Geldbuße ist zu folgen. Im Übrigen kommt die Verhängung einer höheren Geldbuße im Hinblick auf § 36 Abs 2 letzter Satz KartG ohnehin nicht in Betracht. Die Verhängung einer niedrigeren Geldbuße scheint trotz der geringen Schwere der Zuwiderhandlung und deren relativ kurzer Dauer sowie des geringen Verschuldens im Hinblick auf die hohe Finanzkraft der Zweitantragsgegnerin nicht angemessen. Auch wenn nur von einem fahrlässigen Verstoß auszugehen ist, muss die Entscheidung zum Ausdruck bringen, dass die Unterlassung von Zusammenschlussanmeldungen in Österreich kein "Kavaliersdelikt" ist (16 Ok 2/13). Die Verhängung einer Geldbuße ist daher schon aus generalpräventiven Erwägungen notwendig, wobei deren Höhe auch bei geringem Verschulden nicht so niedrig zu bemessen ist, dass sie in Relation zur Größe des belangten Unternehmens jegliche spürbare wirtschaftliche Bedeutung verlieren würde. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass eine Geldbuße in der hier verhängten Höhe Unternehmen mit einer so hohen Finanzkraft dazu verleiten könnte, unbeabsichtigte Verstöße gegen das Durchführungsverbot vor den Wettbewerbsbehörden zu verheimlichen, zumal bei Entdeckung des Verstoßes durch die Behörden wohl mit einer wesentlich höheren Geldbuße zu rechnen wäre.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."


Ausdruck vom: 25.04.2024 19:10:14 MESZ